Sozialdemokratisches Wahl-Debakel in München: Mehr SPD, weniger Harmonie gefordert

Für Sozialdemokraten ist das Landtags-Wahlergebnis ein Debakel. Welche Schlüsse der OB daraus zieht und warum es bald mehr Krach im Rathaus geben könnte.
von  Christina Hertel
Dieter Reiter spricht als einer der wenigen SPDler eine Sprache, die die Menschen verstehen. Das glaubt zumindest die Fraktionschefin.
Dieter Reiter spricht als einer der wenigen SPDler eine Sprache, die die Menschen verstehen. Das glaubt zumindest die Fraktionschefin. © dpa

München - Noch schlechter als befürchtet, ein bitterer Wahlabend für die SPD - das sind die ersten Reaktionen von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auf das Wahlergebnis. Zwar schneidet die SPD in München mit zwölf Prozent etwas besser ab als in ganz Bayern. Dort liegt sie bei 8,4 Prozent. Allerdings galt München einst als SPD-Hochburg, wo seit Kriegsende fast immer SPD-Oberbürgermeister regierten und wo die SPD vor zehn Jahren noch um die 30 Prozent schaffte.

In allen Münchner Wahlkreisen: SPD abgeschlagen auf Platz drei

Doch inzwischen müssen sich die Sozialdemokraten ernsthaft Sorgen machen: In jedem Stimmkreis dümpelt die SPD zwischen elf und 13 Prozent, rote Hochburgen gibt es in München keine mehr. Überall hat sich die SPD weit abgeschlagen auf dem dritten Platz hinter CSU und Grünen eingefunden. Und das nicht erst seit gestern. Denn manchmal scheinen selbst Sozialdemokraten zu vergessen, dass zwar der OB ein SPD-Parteibuch hat, seine Fraktion aber weniger Sitze im Stadtrat einnimmt als die Grünen - und auch als die CSU.

Was sind also die Schlüsse aus der Wahl? Wie will sich die SPD in München aufstellen? Reiter analysiert das Ergebnis einen Tag nach der Wahl so: "Es ist nicht gelungen, die Kernfrage der Münchnerinnen und Münchner zu beantworten: Warum soll ich SPD wählen? Dazu gehört es, eine eigenständige profilbildende Politik zu machen und die glaubhaft nach außen zu kommunizieren."

Fraktionschefin Hübner: "Ich will nicht streiten, aber mehr SPD-Politik durchsetzen"

Seine Fraktionsvorsitzende im Münchner Stadtrat Anne Hübner wird noch ein wenig deutlicher: "Wir müssen in München eigenständiger regieren. Wir werden nicht länger der Mehrheitsbeschaffer für die Grünen sein."

Destruktiv wolle sie trotzdem nicht sein, sagt Hübner. Auch solle es deshalb nicht mehr Krach im Rathaus mit ihrem Koalitionspartner, den Grünen, geben. Aber: "Die Grünen müssen sich darauf einstellen, dass wir weniger im Sinne der Koalitionsharmonie und mehr im Sinne der Bürger regieren. Ich will nicht streiten, aber mehr SPD-Politik durchsetzen. Dafür müssen wir deutlicher und verständlicher kommunizieren."

Drei zentrale Themen sieht Hübner da: Wohnraum, Senioren-Politik und Mobilität. Etwa bei den Radwegen wolle sich die SPD noch mehr dafür einsetzen, dass sie schneller und kostengünstiger gebaut werden. Gleichzeitig werde die SPD aber auch nicht vergessen, "dass es Anwohner gibt, die Parkplätze brauchen".

Betroffene Gesichter bei der SPD-Wahlparty am Sonntagabend. Die Sozialdemokraten haben die Wähler nicht überzeugt.
Betroffene Gesichter bei der SPD-Wahlparty am Sonntagabend. Die Sozialdemokraten haben die Wähler nicht überzeugt. © dpa

Hübner: "Ich wünsche mir, dass der Bundeskanzler mal auf den Tisch klopft"

Schuld am Wahldebakel ist aus ihrer Sicht auch die SPD in Berlin. "Die SPD ist die stärkste Kraft im Bund, aber man nimmt nur wahr, dass die FDP blockiert. Ich wünsche mir, dass der Bundeskanzler jetzt mal auf den Tisch klopft."

Sie hätte erwartet, dass Olaf Scholz, der früher Erster Bürgermeister von Hamburg war, für Großstädte mehr rausholt, etwa beim Mieterschutz.

Und wer bringt die Münchner SPD jetzt wieder auf Erfolgskurs? Auf die Frage hat Anne Hübner eine eindeutige Antwort: Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Als einer der wenigen in der SPD spricht er eine Sprache, die die Menschen verstehen. Er hat ein gutes Bauchgefühl."

Geht es nach Hübner, sollte sich Reiter noch viel mehr in Debatten einmischen und Klartext reden - wenn es um München geht, aber auch darüber hinaus. Sollte Reiter dann das neue Gesicht der bayerischen SPD werden? Das müsse er selbst entscheiden, sagt Hübner. Klar sei aber: "Wir brauchen ihn - auch über 2026 hinaus."

Köning spricht von einer "schrecklichen Niederlage"

Personaldiskussionen will der Chef der Münchner SPD Christian Köning einen Tag nach der Wahl keine führen. Enttäuscht ist auch er. "Es ist eine schreckliche Niederlage", sagt Köning. Nicht nur für die Bayern SPD, sondern auch für die Sozialdemokraten in München.

Gleichzeitig gibt sich Köning selbstbewusst: "Die SPD ist die prägende und gestaltende Kraft im Münchner Rathaus. Wir geben schon jetzt in der Münchner Politik den Ton an." Allerdings beherrschen aus seiner Sicht die anderen Parteien Emotionalisierung und Zuspitzung besser.

Eine genaue Analyse müsse jetzt noch folgen, sagt Köning. Dass es so schlecht ausgehen würde, hätte er allerdings nicht erwartet. Bei der U18 Wahl, die der Kreisjugendring veranstaltete, schnitt die SPD nämlich als stärkste Kraft ab, erzählt Köning. Vielleicht ein Anlass zur Hoffnung? "Einfach so weiter machen können wir auf jeden Fall nicht."

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