Sophie-Scholl-Comic: Weiße Rose, bunte Bilder
München - "Meine liebe Sophie! Seit acht Tagen ist mein völlig aufgeriebenes Bataillon bei 30 Grad Kälte vor Stalingrad im Freien gelegen.“ So beginnt ein Brief, den Hauptmann Fritz Hartnagel von der Front an seine Freundin in München schrieb.
Der Briefwechsel zwischen Sophie Scholl und Hartnagel war sehr rege und ist fast vollständig erhalten geblieben. Dennoch haben diese Dokumente des Lebens der berühmten Widerstandskämpferin der Weißen Rose bisher kaum Aufmerksamkeit erhalten.
Jetzt hat der Comic-Autor Heiner Lünstedt gemeinsam mit Zeichnerin Ingrid Sabisch die Beziehung zwischen Scholl und Hartnagel zum zentralen Thema eines sogenannten Graphic Novel gemacht.
Der Briefwechsel dokumentiert den großen Einfluss, den Sophie auf ihren Soldatenfreund hatte, der ihn schließlich zum Pazifisten machte. Fritz Hartnagel, der oft als nur regelkonformer Offizier wahrgenommen wurde, wird in dem Comic von einer ganz anderen Seite gezeigt.
Die anrührenden Briefe, die sich Sophie und Hartnagel schreiben, lassen den Leser fast auf einen guten Ausgang hoffen – obwohl das furchtbare Ende nur zu gut bekannt ist.
Fritz Hartnagel schafft es als einer der Letzten gerade noch, dem Kältetod in Stalingrad zu entkommen; im Lazarett in Lemberg erfährt er, dass seine Sophie wegen ihrer Flugblätter vor Gericht steht. In Filzpantoffeln macht er sich auf den Weg nach München. Als er ankommt, ist Sophie bereits tot.
Heiner Lünstedt und Ingrid Sabisch haben damit einen völlig neuen Aspekt für ihre Biographie gewählt. Die letzten Tage Sophie Scholls nach der verhängnisvollen Flugblattaktion im Lichthof der LMU, denen ganze Filme gewidmet wurde, füllen gerade einmal fünf Seiten des Comics.
Dafür bekommt der Leser einen Eindruck davon, wie die Scholl-Kinder von ihren Eltern zu Integrität, Mündigkeit und freier Meinung erzogen wurden. Die Briefe zeigen, was Sophie Scholl bewegte und wie sie Fritz Hartnagel bewegte. „Lieber Fritz, ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Ich kann es nie begreifen und finde es entsetzlich. Sag nicht, es ist für das Vaterland“, schreibt sie.
„Nach ihrem Tod trat er quasi ihr Erbe an. Er hat immer wieder gefragt: ,Was würde Sophie dazu sagen?“, erzählt Lünstedt. Für die Graphic Novel hat er sich intensiv mit den beiden Protagonisten und auch mit der Widerstandsbewegung beschäftigt. Die Weiße-Rose-Stiftung hat seine Arbeit geprüft und dabei geholfen, dass der Comic auf dem neuesten Stand der Forschung ist.
So ist ein hochauthentisches Werk entstanden. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung, hat ein Nachwort zu Sophie Scholls Wirkungsgeschichte verfasst. Lünstedt und Sabisch haben schon einmal für den Knesebeck Verlag zusammengearbeitet. Zu Willy Brandts 100. Geburtstag erschien ein biografischer Comicband.
Ab heute ist das neue Werk im Handel erhältlich (Knesebeck-Verlag, 19,95 Euro).