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ünchen -
Es ist ein sonderbarer Prozess: Die Münchner haben in einem Bürgerentscheid mehrheitlich Nein gesagt zum Bau der 3. Startbahn für den Flughafen vor den Toren der Stadt
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nd doch müssen sich die Richter ausführlich mit der Piste befassen. An diesem Mittwoch beginnt vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München der Prozess um das umstrittene Milliardenprojekt.
Grundlage der juristischen Auseinandersetzung ist die am 26. Juli 2011 von der Regierung von Oberbayern erlassene Baugenehmigung, genannt Planfeststellungsbeschluss. Dagegen liegen 20 Klagen von Privatpersonen, Kommunen und dem Bund Naturschutz in Bayern (BN) vor. Verhandelt wird zunächst allerdings nur über 17 Klagen, da drei Verfahren ruhen.
Das Votum der Münchner Wähler hat keinen Einfluss auf den Prozess.
Die auf mindestens 1,2 Milliarden Euro veranschlagte und vier Kilometer lange Piste würde auf dem zweitgrößten deutschen Airport stündlich bis zu 30 weitere Flugbewegungen ermöglichen.
Ende Mai will der VGH nach 14 Verhandlungstagen sein Urteil verkünden. Ob der Zeitplan einzuhalten ist, muss sich freilich erst zeigen. Prozessbeteiligte halten für gut möglich, dass weitere Termine anberaumt werden müssen, um die komplizierte Materie zu durchdringen.
„Im Zentrum stehen vor allem Fragen des Bedarfs, der Beeinträchtigung durch Fluglärm und Luftschadstoffe sowie des europäischen und nationalen Naturschutzrechts“, kündigte das Gericht zum Inhalt des Verfahrens an. Und weiter: „Die klagenden Kommunen sehen sich vor allem als Träger von öffentlichen Einrichtungen sowie in ihrer Planungshoheit betroffen.“
Im vergangenen Herbst hatte sich der 8. VGH-Senat bei vier Ortsterminen vor den Toren der Stadt Freising bereits ein Bild von den Auswirkungen der vier Kilometer langen und 60 Meter breiten Piste auf die Bewohner gemacht.
Die Richter unter Vorsitz von Erwin Allesch vermieden es bei diesen Erörterungen mit den Prozessbeteiligten, auch nur einen Fingerzeig zum möglichen Ausgang des Verfahrens zu geben.
Von den Auswirkungen der 3. Startbahn, hauptsächlich dem Fluglärm, wären außer der 45 000 Einwohner zählenden Domstadt Freising vor allem die umliegenden Gemeinden Oberding, Fahrenzhausen, Berglern und Eitting betroffen. Sie sind neben dem Landkreis Freising auch Kläger.
Teils müssten für die Piste ganze Ortsteile abgesiedelt werden, weil der Lärm der startenden Jets für die Anlieger unerträglich wäre. Die Naturschützer zweifeln indessen am Bedarf für die dritte Startbahn und beklagen massive Eingriffe in die Natur.
Am schlimmsten träfe es den Freisinger Stadtteil Attaching. Im Minutenabstand donnern dort schon jetzt die Flugzeuge über die Häuser und erzeugen einen Höllenlärm. „Wenn die dritte Startbahn kommen würde, müssten die Dachziegel festgeschraubt werden, um dem Druck der in niedrigster Höhe über unsere Häuser fliegenden Maschinen standzuhalten“, sagt der Attachinger Sportvereinsvorsitzende Johann Hölzl.
„Auf unserem Fußballplatz wäre der Betrieb nicht mehr möglich, die Flugbahn des Balles könnte durch die Jets beeinflusst werden.“
Seit Beginn der Planungen ist die dritte Startbahn auch ein Politikum. Im Dilemma steckt vor allem die CSU/FDP-Staatsregierung. Sie hält trotz des Neins aus München und der massiven Proteste rund um den Flughafen an dem Projekt fest. Im Landesentwicklungsprogramm ist das Bekenntnis zu der Piste schriftlich fixiert.
Die Startbahngegner werfen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor, den Bürgerwillen zu ignorieren. In der Region Freising hat das beharrliche Ja zur Flughafenerweiterung zu zahlreichen Parteiaustritten selbst von Bürgermeistern und Stadträten geführt. Christian Ude (SPD) kann sich bei den Münchnern bedanken. Persönlich befürwortet der Rathauschef die dritte Startbahn
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as Votum aus der Landeshauptstadt erleichtert ihm aber,
mit Grünen und Freien Wählern (beides Startbahngegner) eine
gemeinsame Linie zu finden.