Sommerstraße für immer? Die Westenriederstraße soll verkehrsberuhigt werden

Geschäftsleute der Westenriederstraße bangen um ihre Existenz und fordern, dass die Stadt die Straße verkehrsberuhigt und Freischankflächen zulässt. Der Bezirk unterstützt sie.
von  Hüseyin Ince
L'Aperitivo-Chef Vincenzo Valente sagt, dass es schon seit mehr als 15 Jahren das Gerücht gebe, dass die Westenrieder zur Fußgängerzone wird.
L'Aperitivo-Chef Vincenzo Valente sagt, dass es schon seit mehr als 15 Jahren das Gerücht gebe, dass die Westenrieder zur Fußgängerzone wird. © Daniel von Loeper

München - Im vergangenen Sommer war plötzlich ganz viel Italien-Flair an der Münchner Westenriederstraße. Das lag nicht nur an den dortigen italienischen Bars, Kneipen und Feinkostläden. Die Straße, an der auch das Restaurant Beim Sedlmayr steht, ist eng, die Häuser außenrum bilden eine Schlucht und bieten Schatten. Entscheidend war aber, dass die Stadt die Westenriederstraße zu einer der Sommerstraßen 2020 gekürt hatte.

Südeuropäisches Flair in München

Das hieß: sommerliches Flanieren, Espresso hier, ciao ciao und ein Glas Prosecco oder Weinschorle dort. Keine Autos, kein Lärm, Lebensfreude pur – gerade in Zeiten der Pandemie. Für die Geschäftsleute wie Valentina Bekech, seit acht Jahren Chefin des Feinkostladens Casa Italia, war das eine Offenbarung.

So habe sie den ersten Pandemie-Sommer noch einigermaßen gerettet und zum ersten Mal echtes südeuropäisches Flair erlebt. So ging es vielen ihrer Kollegen ringsherum.

Kämpft um ihr Geschäft, trotz massiver Umsatzeinbrüche: Casa-Italia-Chefin Valentina Bekech in der Westenriederstraße.
Kämpft um ihr Geschäft, trotz massiver Umsatzeinbrüche: Casa-Italia-Chefin Valentina Bekech in der Westenriederstraße. © Daniel von Loeper

"Die Altstadt stirbt aus"

Doch seit der Sommer 2020 vorbei ist, fahren hier wieder motorisierte Kraftfahrzeuge durch. Keiner flaniert, warme Temperaturen haben sich ohnehin verspätet und drinnen darf pandemiebedingt keiner in Bars und Kneipen sitzen. Monat für Monat Umsatzminus also.

"Die Altstadt stirbt aus, wir brauchen hier dringend eine Verkehrsberuhigung, damit wieder Kundschaft kommt und zumindest vor den Läden eine Kleinigkeit isst und trinkt", sagt Bekech, "wenn hier Autos fahren, kommt kein Mensch."

Wird die Westenriederstraße dauerhaft verkehrsberuhigt?

Daher hat sie Anfang April gemeinsam mit etwa 40 Kollegen rund um die Westenriederstraße einen Brief geschrieben. Adressaten: das Rathaus und der Bezirksausschuss. Inhalt: die dringende Forderung, aus der Westenriederstraße wieder eine Sommerstraße zu machen oder eine dauerhaft verkehrsberuhigte Zone – wenn nicht sogar eine erweiterte Fußgängerzone.

Am Dienstagabend trug sie alles noch einmal im Rathaussaal vor, während der BA-Sitzung Altstadt-Lehel, leidenschaftlich und mit Nachdruck, was die BA-Mitglieder nicht kalt ließ. Sie waren ohnehin zum großen Teil auf ihrer Seite. Nur einige wenige argumentierten, eine dauerhafte Verkehrsberuhigung sei nicht sinnvoll, weil Parkplätze in dem Viertel wegfallen könnten.

"Das war im Nachhinein nicht so klug von uns"

Lange Zeit debattierten die BA-Mitglieder auch, ob sie die Priorisierung der Sommerstraßen ändern sollten. Hintergrund ist, dass die Bezirke beim Mobilitätsreferat Vorschläge machen durften, welche Straßen heuer wieder zu verkehrsberuhigten Sommerstraßen mit Freischankflächen werden sollen. Der BA Altstadt-Lehel schlug vor: auf Platz eins St.-Anna-Straße sowie eben Westenriederstraße auf Rang 2.

Viktualienmarktsprecherin Elke Fett mit Sedlmayr-Chef Wolfgang Schifferer: beide sind für weniger Verkehr an der Westenriederstraße.
Viktualienmarktsprecherin Elke Fett mit Sedlmayr-Chef Wolfgang Schifferer: beide sind für weniger Verkehr an der Westenriederstraße. © Daniel von Loeper

"Das war im Nachhinein nicht so klug von uns", gaben einige BA-Mitglieder zu, auch die BA-Chefin Andrea Stadler-Bachmaier. Denn auf der St.-Anna-Straße sei im Sommer 2021 eine große Baustelle geplant.

Daher glaube man, dass sie ohnehin nicht als Sommerstraße in Frage kommen könnte. Aber es sei auch sinnlos, die Rangfolge zu ändern, da die Entscheidung bald anstehe, welche zehn Straßen temporär zur Sommerstraße erklärt werden.

Nur der allernötigste Verkehr ist erlaubt

Der BA entschloss sich dann mehrheitlich, eine andere Lösung bei der Stadt zu beantragen, die dauerhaft wohl die beste für die Geschäftsleute wäre: eine zeitlich unbegrenzte Verkehrsberuhigung in der Westenriederstraße, nur mit dem allernötigsten Verkehr, wie etwa Lieferfahrzeuge.

"Wir brauchen die Verkehrsberuhigung dringend", sagt Bekech. Hier gehe es weniger um Lifestyle, sondern darum "ob wir Gastronomen den Sommer noch überstehen. Schauen Sie sich um in der Altstadt: Überall schließen Geschäfte. Wollen wir, dass die Altstadt ausblutet?"

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