Sommerjobs in München: Tierpflegerin im Tierheim
München - "Bis 12 Uhr müssen wir fertig sein", ruft Tierpflegerin Bianca Dölle mir zu. Mit Kehrbesen und Eimer stehe ich in einem Kaninchen-Gehege – obwohl erst 8 Uhr morgens ist, ist es schon jetzt brütend heiß. Meine Aufgabe: Die Unterkünfte von 120 Kaninchen und ein paar Dutzend Meerschweinchen sauber machen.
Das Tierheim ist zur Sommerzeit noch voller als sonst. Für die Tierpfleger heißt das: Auch im Kleintierhaus muss improvisiert werden, wo es nur geht. Das Erdgeschoss ist bereits bis auf den letzten Platz belegt. Einige Langohren mussten deshalb in den Keller ausweichen, andere sind vorübergehend im Flur untergebracht.
Tierheim München: Bis zu 100 Helfer schwirren herum
Während ich in Kaninchen-Gehege Nummer fünf das Einstreu wechsele und die Tiere mit frischem Heu und Wasser versorge, diskutiert Bianca Dölle mit einer Frau am Telefon. Eines ihrer Kaninchen ist verstorben und sie will ihr verbliebenes Tier jetzt – unter anderem, weil sie in den Urlaub will – abgeben.
Fälle wie diese sind in der Urlaubszeit ein häufiger Grund dafür, dass das Tierheim aus allen Nähten platzt, erklärt Tierschutzverein-Sprecherin Judith Brettmeister. Denn nicht nur im Kleintierhaus stoßen derzeit die 34 Vollzeit- und 18 Teilzeitkräfte an ihre Grenzen. Bis zu 40 Ehrenamtliche unterstützen täglich die Tierpfleger – sodass bis zu 100 Helfer täglich auf dem Gelände herumschwirren und die Tiere versorgen.

Job im Tierheim: Perfektionismus ist vertane Mühe
Einer dieser 100 Menschen bin heute ich. Für die ersten fünf, sechs Gehege nehme ich mir noch alle Zeit der Welt. Doch dann merke ich schnell, dass ich es bei dem langsamen Tempo nicht bis 12 Uhr schaffen werde. Perfektionismus ist sowieso vertane Mühe: Während ich in ihrem Gehege knie, wuseln die neugierigen Kaninchen um mich herum, nagen an meiner Jeans, stellen sich genau dorthin, wo ich gerade saubermachen wollte.
Lege ich ihnen ein Handtuch als Unterlage auf eine Liegefläche, finde ich das in Nullkommanix zerknüllt in der Ecke wieder – frisches Wasser wird gerne sofort wieder mit Einstreu verdreckt. Während Bianca Dölle und ich im Erdgeschoss saubermachen, kümmert sich Mirjam Filipovic um die Quarantäne-Kaninchen im Keller. Zur Sicherheit bleibt jedes Kaninchen, das ins Tierheim kommt, zunächst für sechs Wochen dort. Unter anderem, um den Ausbruch der Kaninchen-Pest (Myxomatose) oder die für Kaninchen hoch ansteckenden Seuchen RHD und RHD 2 auszuschließen.

Tierheim München: Das hast es mit den "Dauersitzern" auf sich
Erst vor Kurzem sei ein Fundkaninchen ein paar Tage nach seiner Ankunft im Tierheim nachts ohne Symptome gestorben, erzählt Judith Brettmeister. Die Tierärztin habe dann festgestellt: Es war der tückische RHD-2-Virus. Einmal infiziert, endet die Krankheit meist binnen weniger Tage tödlich. Ein anderes Kaninchen im Quarantäneraum infizierte sich und erkrankte ebenfalls schwer – erholte sich aber überraschenderweise wieder.
Seit Monaten sucht das Kaninchen jetzt zusammen mit seinem Partnertier ein neues Zuhause. Doch die Vermittlung chronisch kranker Tiere ist schwierig – vor allem, wenn noch zahlreiche gesunde Tiere zur Auswahl stehen. Bianca Dölle nennt die Bewohner des Kleintierhauses, die schon seit Monaten oder sogar Jahren auf ein neues Zuhause warten "Dauersitzer". "Zu denen zählen neben chronisch kranken Tieren auch untypischere Haustiere wie Chinchillas und Kakadus", sagt Judith Brettmeister.
Tierheim München: Sechs Mülltonnen voller Kaninchen-Mist
Es ist inzwischen 12 Uhr. Wir haben es tatsächlich geschafft, bei allen Kaninchen und Meerschweinchen sauber zu machen. Um 13 Uhr kommen die ersten Besucher. Und für die sollen schließlich die Gehege so ansprechend wie möglich aussehen. Bevor wir uns eine Mittagspause gönnen, bringen wir noch das Zeugnis der vergangenen vier Stunden auf den riesigen Komposthaufen des Tierheims: sechs Mülltonnen voller Kaninchen-Mist.
Als jemand, der sonst die meiste Zeit des Tages in der Redaktion vor dem Computer verbringt, merke ich schon nach vier Stunden die körperliche Arbeit. Ich habe eine dicke Blase an der Verse und spüre meinen Rücken. Meine Kolleginnen sind deutlich abgehärteter. "Montags und dienstags ist es noch anstrengender, da sind Großputztage", sagt Bianca Dölle – und ich bin froh, dass ich an einem Samstag zum Helfen gekommen bin.

Tierheim München: Praktische und theoretische Ausbildung
Bianca Dölle arbeitet seit einem halben Jahr im Tierheim – davor war sie tiermedizinische Fachangestellte. In ihren Pausen stets an ihrer Seite: Ihr gehbehinderter Hund "Lucky", den sie – natürlich – aus dem Tierheim adoptiert hat. Genauso Tierschützerin aus Leidenschaft ist Mirjam Filipovic. Sie arbeitet seit fast drei Jahren in Teilzeit im Kaninchenhaus und lebt vegan.
Wer wie Bianca und Mirjam im Tierheim als Tierpfleger arbeiten will, sollte eine abgeschlossene Schulausbildung mitbringen und am besten bereits Erfahrung im Umgang mit Tieren haben. Der Tierschutzverein München bietet erfolgreichen Bewerbern dann eine dreijährige Ausbildung im dualen System an. Sprich: Neben der praktischen gibt es auch eine theoretische Ausbildung.
Tierheim München: Strenge Regeln bei der Adoption
Nach unserer Mittagspause strömen die Besucher ins Kleintierhaus. Einige Interessenten haben bereits vormittags angerufen und sich bei Bianca Dölle über eine Adoption informiert. Nicht jeder, der ein Kaninchen adoptieren will, bekommt eins. Die Regeln, um ein Tier aufnehmen zu dürfen, sind streng: Grundsätzlich gibt das Tierheim die Kleintiere zum Beispiel nur in Gruppen von mindestens zwei Kaninchen ab – es sei denn, der zukünftige Besitzer hat bereits mindestens ein Tier.
Während Bianca Dölle Beratungsgespräche führt, geht es für Mirjam Filipovic und mich weiter mit der Versorgung der Tiere. Ich schnipple kiloweise Gemüse und Äpfel, Mirjam gibt kränklichen Kaninchen derweil Medikamente. Zwischendurch müssen wir ein neues Tier in den Quarantänebereich bringen – es handelt sich um das Kaninchen der Besitzerin, die morgens angerufen hatte.
Obwohl Bianca Dölle mit aller Überzeugungskraft versucht hatte, sie davon abzuhalten, gibt die Frau jetzt ihr Kaninchen ab. Für die nächsten sechs Wochen ist eine kleine Quarantäne-Bucht im Keller sein neues Heim.

Deprimierend? Am Ende überwiegen erfreuliche Besuche
Zum Glück überwiegen an diesem Samstag die erfreulichen Besuche: Sechs Kaninchen werden heute vermittelt. Da ist etwa Sabine Walter aus Höhenkirchen. Die Tierliebhaberin möchte nicht, dass ihr Kaninchen Jackie weiterhin alleine leben muss, nachdem seine Partnerin verstorben ist. Sie sucht gezielt nach einem älteren Tier. Bianca Dölle vermittelt ihr die schlappohrige Kaninchendame Fee. Als Sabine Walter sich überglücklich bedankt, Fee wie frisch verliebt anschaut und mit Tränen in den Augen zu uns sagt: "Was für ein Glücksgriff", ist all die harte Arbeit vergessen.
Apropos Glück: Kurz vor Feierabend passiert noch etwas, das aus Sicht von Bianca Dölle und Mirjam Filipovic an ein Wunder grenzt: Eine Familie aus München kommt vorbei, um die beiden RHD-infizierten Kaninchen abzuholen, die eigentlich längst als "Dauersitzer" abgestempelt wurden. Bianca Dölle erzählt, dass sie eine Woche lang mit Telefonaten darauf hingearbeitet hat.
Nach dem hektischen Samstag ist sie müde, aber zufrieden. "Es sind Vermittlungserfolge wie diese, die meinen Job so schön machen", sagt sie. Auf dem Heimweg schlafe ich in der S-Bahn fast ein. Meine schwarzen Turnschuhe sind weiß vom Staub des Einstreus, und ich spüre hier und da Heu, das durch meine Kleidung pikst. Doch körperliche Erschöpfung (und das dringende Bedürfnis nach einer Dusche!) treffen auf das gute Gefühl, zumindest ein kleines bisschen geholfen zu haben.
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