Solidarität aus München
MÜNCHEN/FREISING In einer Woche stimmt München über das brisante Thema ab, ob der Flughafen eine dritte Startbahn bekommt– oder nicht.
Obwohl der Flughafen vor allem die Menschen in Erding und Freising betrifft, darf darüber nur in München abgestimmt werden. Denn neben dem Bund und dem Freistaat ist nur die Stadt München Eigentümer des Flughafens. Und nur die Eigentümer können entscheiden, ob die dritte Bahn gebaut wird oder nicht.
Im Umland ist der Protest am größten. „Aufgemuckt” heißt eine Initiative gegen den Ausbau. Zu deren Sprechern gehören Helga Stieglmeier und Doris Kraeker. Nach Flughafenchef Michael Kerkloh ist das Bündnis am Montag von 17 bis 18 Uhr am Leser-Telefon. Ihre drei Kernthesen: Der Bedarf ist nicht da, die Finanzierung ist nicht gesichert, und Fliegen schadet der Umwelt und dem Klimaschutz. Im Gespräch mit der AZ erläutern sie ihre Positionen zu:
München muss ein Drehkreuz werden: „Man kann heute schon von hier aus in die ganze Welt fliegen, dafür braucht es keine dritte Bahn. Das wird nur die Zahl der Umsteiger erhöhen, die auf 45 Prozent steigen soll. Wenn die in kleinen Maschinen von überall hierher geflogen werden, dann verstopft dies doch heute die beiden Bahnen. In der Präambel zum Flughafen steht, dass der für München und Bayern da ist. Dafür brauchen wir kein Drehkreuz. Hier kann jeder fliegen, wohin er will.”
Zur Finanzierung der 1,2 Milliarden Euro teuren dritten Bahn: „Es gibt bis heute keinen Finanzierungsplan. Was passiert denn, wenn der Flughafen den Bau nicht wie angekündigt aus dem Cash-Flow bezahlen kann? Das kennen wir doch von der Landesbank: Dann sind die Steuerzahler dran. Die FMG hat 2,7 Milliarden Euro Schulden, und ein Darlehen von fast 500 Millionen Euro bei Bund, Land und der Stadt München. Davon könnten viele Wohnungen und Kindertagesstätten gebaut werden.”
Zum Wachstum des Flughafens: „Wenn man den Zeitraum 2005 bis heute anschaut, stagniert die Anzahl der Flugbewegungen. Es stiegen zwar die Passagierzahlen, aber die Zahl der Flugbewegungen geht zurück. Der Flugverkehr ist gerade in einer Krise, große Airlines legen Maschinen still, kleine gehen pleite.”
Ob sie selber fliegen. Helge Stieglmeier: „Ich fliege innerdeutsch überhaupt nicht. Es gibt aber Ziele, wo es nicht anders geht. Aber ich habe einen bewussten Umgang mit dem Fliegen. Shopping-Tripps nach New York oder zu Partys auf Mallorca sind absolut überflüssig.”
Doris Kraeker: „Ich bin seit 15 Jahren nicht mehr geflogen. Ich fliege erst wieder, wenn ich dafür einen angemessenen Preis zahlen muss. Durch die ganzen Subventionen ist Fliegen viel zu billig. Dann wird weniger geflogen, und damit brauchen wir auch keine dritte Bahn mehr.”
Flächenversiegelung: „Da wird eine Fläche von 900 Hektar zubetoniert.”
Welches Argument sie am meisten ärgert: „Das Totschlagargument, wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir bestreiten nicht, dass welche geschaffen werden. Aber die Fragen sind: Zu welchen Bedingungen und mit welchen Löhnen? Die Wirtschaft rund um den Flughafen sucht auch händeringend Arbeitskräfte. Und viele der neuen Stellen am Flughafen werden von woanders hierher verlagert.”
Zum Lärmschutz: „Der Ort Attaching wird 500 Mal am Tag in 80 Metern Höhe überflogen. Da bringen Lärmschutzfenster auch nicht viel, die man immer zumachen muss. Das ist ein Leben in Geschlossenheit, man kann nicht mehr raus. Und die neue Grundschule in Pulling liegt genau in der Startzone.”
Was sie beim Bürgerentscheid von den Münchnern erwarten: „Wir laden die Münchner Bevölkerung ein, sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen. Wir wünschen uns die Solidarität der Münchner Bevölkerung, dass sie so abstimmt, dass wir in unserer Heimat bleiben können und unser Leben im Umland lebenswert bleibt.”
Zur Verkehrsanbindung des Flughafens: „Bereits heute keine vernünftige Anbindung, bereits heute erstickt das Umland im Verkehr - diese Situation verschärft sich mit der 3. Startbahn. Da wird uns der Straßenverkehr erdrücken. Dann werden wir aus der Luft und von der Straße belastet.”
- Themen:
- Luftverkehr
- Verkehr