Sogar Ausbildung verkürzt: Lokführer dringend gesucht

Die S-Bahn braucht Personal – deshalb hat sie sogar die Ausbildung verkürzt. Schuld an der Misere ist neben der Bezahlung die Wohnungssituation. Jetzt sollen auch Fahrer von außerhalb aushelfen.
Anja Perkuhn |
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Ohne Personal läuft nichts: Der Mangel an günstigem Mietraum erschwert die Suche nach S-Bahn-Lokführern, gibt die Bahn zu.
dpa Ohne Personal läuft nichts: Der Mangel an günstigem Mietraum erschwert die Suche nach S-Bahn-Lokführern, gibt die Bahn zu.

München - Eine "Riesenblamage für die Deutsche Bahn" sei das, schimpft Stephan Kippes, Professor für Immobilienwirtschaft an der FH Nürtingen. Was er meint, ist die Tatsache, dass es diesen Sommer wieder knapp wird mit den Lokführern in München – und zwar mit Ansage.

Bereits im Oktober 2015 hatte S-Bahn-Chef Bernhard Weisser erklärt: "Es kann sein, dass wir nicht umhinkommen werden, unsere Leistungen ausdünnen zu müssen". Die Deutsche Bahn (DB) als Betreiberin der S-Bahn werde aber "alle Hebel in Bewegung setzen", um das zu verhindern. Laut Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) fehlen der Münchner S-Bahn derzeit "gut 60 Lokomotivführer".

Da dürften sich "Kritiker zu Recht fragen ob die Bahn in Zukunft der richtige Betreiber für das S-Bahnnetz der Landeshauptstadt ist“, schimpft Kippes in der Fachzeitschrift des Immobilienverbands. Da teilt einer also richtig mit Schmackes aus – der auf den ersten Blick rein gar nichts zu tun hat mit dem Münchner Nahverkehr.

 

In der Ausbildung liegt das Gehalt unter 850 Euro pro Monat

 

Hat er aber eben doch. Kippes zeigt den Zusammenhang auf zwischen dem vielzitierten Lokführer-Nachwuchsmangel und der Wohnsituation in München. Früher unterhielt der Konzern eigene Wohnungsbestände in München, die er zu vertretbaren Preisen an Mitarbeiter vermietete.

Dann trennte sich die Bahn großflächig von Wohnungsbeständen, Werkswohnungen gibt es hier überhaupt keine mehr. "Die Mitarbeiter sind jetzt in vielen Fällen mehr oder weniger auf den klassischen Mietwohnungsmarkt angewiesen", kritisiert Kippes.

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Ein schwieriges Unterfangen vor allem für Azubis, deren Gehalt in den regulären drei Ausbildungsjahren zwischen 700 und 850 Euro im Monat liegt. Nach der Ausbildung beträgt die übliche tarifliche Bruttogrundvergütung im Bereich von 2430 bis 2709 Euro plus Zulagen und Sonderzahlungen.

"In der Tat dürfte der Mangel an preisgünstigem Wohnraum im Bereich München die Suche nach Lokführern bei der S-Bahn München nicht gerade erleichtern", räumt ein Sprecher der Bahn gegenüber der AZ ein.
Es gebe aber 6000 Genossenschaftswohnungen, für die DB-Mitarbeiter ein bevorzugtes Belegungsrecht haben; plus eine Kooperation mit einer Wohnbaugesellschaft: 86 möblierte Appartements am Hauptbahnhof und 33 nahe dem Sendlinger Tor stünden neuen Mitarbeitern "für die erste Zeit" zur Verfügung.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und ihr Mutterunternehmen, die Stadtwerke, bauen dagegen Werkswohnungen: Bis zum Herbst sollen 17 in Haidhausen fertig sein. Mehrere hundert weitere sollen in den kommenden Jahren unter anderem auf dem Gelände des Bus-Betriebshofs in Laim und nahe der SWM-Zentrale in Moosach entstehen.

 

1000 Fahrten täglich

 

Etwa 1000 Fahrten gibt es täglich bei der S-Bahn München – verteilt auf insgesamt 550 aktive Fahrer. Aktuell absolvieren laut DB-Sprecher 52 Azubis die dreijährige Ausbildung zum "Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Lokführer" – außerdem machen 54 weitere eine sogenannte Funktionsausbildung: eine neunmonatige innerbetriebliche Ausbildung, mit der man am Ende eine Münchner S-Bahn fahren kann – und nichts anderes.

Drei weitere "Jahrgänge" dieser verkürzten Ausbildung starten zum 1. Juni, 1. Juli und 1. November dieses Jahres. Zur Entlastung des S-Bahn-Betriebs in diesem Jahr werden sie natürlich noch nicht beitragen können.
Da behilft man sich anders: In den kommenden Monaten helfen "verstärkt Lokführer des Regionalverkehrs aus Verkehrsbetrieben der DB Regio Bayern aus Franken, Allgäu-Schwaben und der Oberpfalz in München aus", erklärt der Bahnsprecher. Bei einer "punktuell angespannten Personalsituation" im kommenden Sommer würden außerdem "die sehr engagierten Lokführer" der S-Bahn bei Bedarf zusätzliche Schichten leisten.

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Gelegentlich kämen auch Mitarbeiter aus dem Bürodienst zum Einsatz, die eine Fahrlizenz besitzen. Der Betriebsarzt muss zuvor nur noch die körperliche Fitness prüfen. Außerdem sagt der DB-Sprecher: "Es sind im kommenden Sommer derzeit keine besonderen Bedarfsspitzen wie 2015 Jahr zu erkennen."

Grundsätzlich strenge man sich seit Jahren "mächtig an, um Lokführer zu kriegen", sagt der Sprecher. Die Rekrutierung und Ausbildung von Nachwuchskräften im Fahrdienst sei "eine zentrale Aufgabe". Damit steht die Bahn natürlich nicht allein da: Viele Branchen im unteren und mittleren Gehaltsbereich und speziell mit Schichtarbeit haben es schwer bei der Suche nach Fachkräften.

 

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