Entscheidung in Flugblatt-Affäre gefallen: Söder lässt Aiwanger im Amt!

Hubert Aiwanger darf trotz der massiven Antisemitismus-Vorwürfe im Amt bleiben. Dies teilte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag mit.
von  AZ/dpa
Markus Söder (r.) und Hubert Aiwanger.
Markus Söder (r.) und Hubert Aiwanger. © Foto Stefan Puchner/dpa

München - Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bleibt im Amt! Am Sonntag verkündete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz seine mit Spannung erwartete Entscheidung zur Flugblatt-Affäre.

Freie-Wähler-Chef Aiwanger hatte zuletzt einen umfangreichen Fragenkatalog Söders zu den Vorwürfen schriftlich beantworten müssen. Auf Basis dieser hat Söder seine Bewertung getroffen.

Söder: Aiwanger-Entlassung wäre nicht verhältnismäßig

Es gehe um schwere Vorwürfe, eine Entlassung wäre aber nicht verhältnismäßig, sagte Söder am Sonntagvormittag in München. Er habe genau abgewogen und nicht nur aufgrund von Medienberichten entscheiden wollen, sagte Söder. Am Samstagabend habe es ein langes, persönliches Gespräch gegeben, in dem Aiwanger mehrfach versichert habe, dass das Flugblatt nicht von ihm sei. Auch eine Sitzung des Koalitionsausschusses habe es gegeben.

Söder kritisiert Aiwangers Krisenmanagement in der Flugblatt-Affäre

Allerdings kritisierte Söder das Krisenmanagement Aiwangers in den vergangenen Tagen. Dieses sei "nicht sehr glücklich" gewesen. Aiwanger hätte die Vorwürfe früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen, so Söder. Aiwangers Entschuldigung sei "spät", aber "nicht zu spät" gekommen. Die Entschuldigung sei richtig und notwendig gewesen. Von Aiwanger forderte Söder nun, alles daran zu setzen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und etwa Gespräche mit jüdischen Gemeinden zu suchen.

An der Koalition mit den Freien Wählern will der CSU-Chef festhalten. "Wir werden in Bayern die bürgerliche Koalition fortsetzen können", sagte Söder am Sonntag in München. Der CSU-Chef betonte: "Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben." Söder sagte zudem: "Und alle Angebote der Opposition, die jetzt so gemacht werden, laufen ins Leere."

Aiwanger zu Flugblatt-Skandal: "Schmutzkampagne gescheitert"

Aiwanger selbst hat die Vorwürfe als gescheiterte politische Kampagne gegen ihn bezeichnet. "Das war ein schmutziges Machwerk", sagte Aiwanger am Sonntag bei einem Wahlkampfauftritt in einem Bierzelt in Grasbrunn (Landkreis München). "Die Freien Wähler sollten geschwächt werden." Doch die Partei sei durch die Vorwürfe "gestärkt worden", sagte Aiwanger. "Wir haben ein sauberes Gewissen." Seine Gegner seien mit ihrer "Schmutzkampagne gescheitert". Von dieser "Kampagne" würden sich später noch einige Beteiligte distanzieren müssen, sagte Aiwanger.

Hubert Aiwanger bei seinem Bierzelt-Auftritt am Sonntag im Grasbrunn.
Hubert Aiwanger bei seinem Bierzelt-Auftritt am Sonntag im Grasbrunn. © Thomas Gaulke

SPD-Kritik: "Trauriger Tag für das Ansehen von Bayern"

Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn hat den Verbleib Aiwangers im Amt als "traurigen Tag für das Ansehen von Bayern in Deutschland und der Welt" bezeichnet. "Dass die CSU unter Markus Söder einen aktiven Rechtspopulisten und früher auch rechtsradikal tätigen Aktivisten als Stellvertreter in der Regierung akzeptiert, ist ein negativer Höhepunkt in der Geschichte von Nachkriegsdeutschland", teilte der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am Sonntag mit.

Die Bedingungen von Markus Söder seien klar gewesen: "Es muss ein Einzelfall sein. Die letzten Tage zeigen jedoch keinen Einzel-, sondern einen Regelfall." Die Entschuldigungen von Herrn Aiwanger seien zu spät, zu unvollständig und auch zu uneinsichtig gewesen. Die Angriffe und Vorwürfe gegen Medien seien unvereinbar mit der Pressefreiheit und mit der bayerischen Verfassung. "So jemand ist kein Stellvertreter, sondern eine Schande Bayerns."

Den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern sei nun klar, dass die CSU unter Markus Söder nicht nur rechts blinke, sondern auch nach rechts winke, sagte von Brunn. "Die BayernSPD war, ist und bleibt das Bollwerk gegen Rechts im Freistaat Bayern."

Gegen Aiwanger waren seit einer Woche immer neue Vorwürfe laut geworden. Am Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Am Donnerstag hatte sich Aiwanger erstmals öffentlich entschuldigt. In Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei bisherigen Darstellungen – insbesondere, dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich nicht erinnern könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. Auf X (ehemals Twitter) wies er zudem den Vorwurf, er habe Hitlers "Mein Kampf" in der Schultasche gehabt, als "Unsinn" zurück. Zu weiteren Vorwürfen äußerte er sich entweder nicht oder sagte, er könne diese aus seiner Erinnerung weder dementieren noch bestätigen.

Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei – was ihm sofort neue Vorwürfe etwa des Zentralrats der Juden einbrachte.

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