Söder bei Wahlkampftermin in München verbal attackiert – doch der CSU-Chef protzt

Isarvorstadt - Aus dem Terminkalender des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) – Montagabend, Oberfranken: Im Bierzelt stehen fast 3500 Menschen auf und klatschen, eine Blaskapelle spielt den Defiliermarsch. Dienstagabend, München: Auf der Dachterrasse der Deutschen Eiche, einem der ältesten Treffpunkte für Homosexuelle in München, stehen um die 70 Leute, einige mit Aperol Spritz in der Hand.
Die Deutsche Eiche liegt im Stimmkreis München-Mitte. Bei der letzten Wahl erzielten die Grünen hier 45 Prozent – und selbst Söder gibt zu, dass das ein Stimmkreis ist, "der nicht ganz so sicher ist". Warum tut er sich das trotzdem an?
Markus Söder bei Wahlkampftermin in der Deutschen Eiche in München
Eingeladen hatte ihn Susanne Hornberger, die CSU-Direktkandidatin in dem Stimmkreis. Söder habe sofort zugesagt, sagt sie. Der Besuch sei "ein wichtiges Zeichen, dass die CSU eine liberale Großstadtpartei" ist. Tatsächlich hat Söder vor ein paar Monaten in einem Podcast mit dem Deutsche-Eiche-Chef Dietmar Holzapfel angekündigt, dass Bayern einen queeren Aktionsplan bekommen soll, das Sozialministerium erstellt ihn gerade.

Ziel ist unter anderem, das Beratungsangebot auszubauen. Alle anderen Bundesländer haben so einen Aktionsplan bereits. "Wir sind eigentlich zu spät. Wir hätten das schon viel eher machen sollen”, sagt Söder. Dietmar Holzapfel habe ihm den letzten Motivationsschub gegeben.
Sein Ziel sei, dass sich "jeder frei entscheiden kann”, wie er leben möchte. In Bayern gelte nicht nur das Motto "leben und leben lassen”, sondern auch "lieben und lieben lassen". Sehr viel konkreter wurde Söder allerdings nicht – weder was den Inhalt noch was den Zeitplan betrifft.
"Das liegt an meinen Entscheidungen": Ministerpräsident Markus Söder mit Eigenlob
Den Rest der gut eineinhalb Stunden auf der Dachterrasse konnten die Gäste alles Mögliche erfahren – etwa, dass Söder findet, dass München mit den Grünen der Schwung abhandenkommt.
Ein Beispiel: Söder wollte einen "aufgeständerten Radweg durch die halbe Stadt", das Rathaus habe abgelehnt. Außerdem macht Söder deutlich, wie wenig Lust er hat, mit den Grünen zu regieren. In Berlin würden sie zeigen, dass sie das nicht können – ganz im Gegensatz zu ihm selbst.

"Warum ist Bayern so viel besser aus den Krisen herausgekommen?”, will Hornberger von Söder wissen. "Das liegt an meinen Entscheidungen", antwortet er. "Am Anfang von Corona war niemand da, da war ich ganz alleine. Es waren die schwersten Stunden meines beruflichen Lebens." Vielleicht sei nicht jede Verordnung richtig gewesen – allerdings mussten in Bayern keine Särge in Lastwagen abtransportiert werden wie in anderen Ländern.
Söder legt noch einen drauf: "Habe Bayern für die nächsten 20 Jahre stark gemacht"
Ganz selbstbewusst ist Söder auch an anderer Stelle: "Wahrscheinlich habe ich Bayern für die nächsten 20 Jahre stark gemacht." Wie er darauf kommt? In den nächsten fünf Jahren investiert Bayern 5,5 Milliarden in Forschung – 13.000 neue Studienplätze, 1000 neue Professuren würden damit finanziert. Zwischen den Wahlkampf-Werbe-Blöcken für sich selbst gibt Söder allerhand Privates preis.
Zum Beispiel, dass ihm seine Frau zum 50. Geburtstag ein E-Bike geschenkt hat, dass er manchmal in Begleitung von LKA-Leuten durch Seen schwimmt, gern Lüngerl isst, regelmäßig betet und jedes Jahr an Silvester grillt.
"Frauen", sagte Söder, "sind auf jeden Fall die sensibleren, kommunikativeren Wesen." Weil die essen und dabei reden können. "Wenn ich mit meinen Jungs esse, ist es still." Alle mampfen vor sich hin, vielleicht komme das aus der Urangst, dass einem ein Rivale gleich das Essen wegschnappt.
Nicht alle stimmen in die Lobeshymnen ein: "Kommt im Bierzelt auf dem Land an, aber nicht hier"
Am Ende der Veranstaltung fordert Eiche-Chef Holzapfel, dass sich CSUler wie Alexander Dobrindt, der queere Menschen als "schrille Minderheit" bezeichnete, entschuldigen sollten.
Söder geht darauf nicht ein: "Im Moment kann ich nur sagen, wo ich selbst stehe." Und wie kommt der Besuch an? Zumindest Robert Meier-Kares, der Veranstalter des Weihnachtsmarkts Pink Christmas ist nicht überzeugt.

Zu klischeehaft sei die Darstellung von Männern und Frauen. "Mit so was kommt Söder vielleicht im Bierzelt auf dem Land an, aber nicht hier.” Dass sich Söder wirklich für die Interessen von queeren Menschen einsetzt, nehme er ihm nicht ab. Für den Wahlkampf kommt Markus Söder auf das Dach der Deutschen Eiche, einem schwulen Lokal. Doch wie viel bedeuten ihm queere Menschen wirklich? Daran gibt es auch Zweifel.