So wird Ihr Balkon ein Paradies für Bienen

München - Das Thermometer hat zuletzt endlich mal wieder die 20-Grad-Marke erreicht: Kirschbäume, Magnolien und Forsythien-Zweige blühen. Manche Balkonbesitzer wagten sich an den warmen Tagen schon im T-Shirt auf den Balkon.
Nur die Kästen an der Balustrade und die Blumentöpfe schauen oft noch öde aus: staubige Erde und eingetrocknete Stengel vom letzten Jahr. Nun, im April, wird es höchste Zeit, in den Baumarkt zu fahren und die Außenflächen zu begrünen.
Stadt ist wichtig als Lebensraum für Insekten und Vögel
Aber warum diesmal nicht gleichzeitig etwas Gutes für die Artenvielfalt tun? Eine reiche Futterquelle und dennoch eine grüne Oase mit bunten Blüten, das muss sich nicht ausschließen. Auch heimische Wildblumen wie Küchenschellen, Mohn, Kornblumen, Rittersporn und Nelken blühen in bunten Farben und abwechslungsreichen Formen.
Anders als viele Zierblumen nähren sie aber mit ihren Pollen viele fliegende Insekten. Mehrere Studien haben belegt, wie wichtig die Stadt als Lebensraum für Insekten und Vögel inzwischen ist - sogar wichtiger als der ländliche Raum.
Denn durch stark bewirtschaftete Flächen und den Einsatz von Pestiziden finden die Wildtiere dort kaum noch Nahrung und ziehen um in die Städte, wo sie noch mehr verschiedene Blütenarten finden.
Tierische Mitbürger
In einer trubeligen Millionenstadt fällt es nicht sofort auf, aber laut Zahlen des Umweltreferats leben in München etwa 100 Vogelarten, 200 Bienenarten, 50 verschiedene Schmetterlinge und 37 Heuschreckenarten. Gerade in den frühen Morgenstunden sind jetzt im Frühling Amseln, Blaumeisen, Sperlinge, Tschilpen oder Rotkehlchen zu hören.
Mit einem geschulten Auge und etwas Zeit entdeckt man auch in der Stadt die unterschiedlichen Wildbienenarten, Schmetterlinge, Marienkäfer, Hummeln oder Grashüpfer. Die Insekten schwirren im Frühjahr nicht nur planlos umher, sondern sind auch in der Stadt eine Art Mikrodienstleister. Sie fressen Blattläuse und andere Schädlinge von Balkonpflanzen und bestäuben mit ihren Rüsseln, Bauchbürsten und Schütteltechniken Pflanzen.
Egal ob Strauchtomaten auf Balkonen, blühende Sträucher in Parks oder städtische Obstbäume, sie alle sind auf die fliegenden Bestäuber angewiesen. "Naturgärten und Balkone mit heimischen Wildblumen fördern damit nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch den Lebensmittelanbau”, sagt Julie Weissmann, Biodiversitäts-Beraterin beim Bund Naturschutz München. Ohne Insekten wächst nichts. Und daneben stehen sie auch als eiweißhaltiger Zusatz auf dem Speiseplan vieler Vögel. Wer seinen Balkon mit vielen heimischen Blumen begrünt, lockt damit die geflügelten Stadtbewohner in seine Nähe.

Gerade Wildbienen sind anders als ihre gezüchteten Artverwandten, die Honigbienen, vom Artensterben bedroht. "Es gibt generell zu wenige Wildblumen", sagt Marion Dorsch vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) München. Gerade weil unter den Wildbienen viele den Pollen spezieller Pflanzen brauchen. Wer auf dem Balkon viele heimische Pflanzen anbaut, kann helfen: Je bunter die Grünflächen und Balkone in der Stadt bepflanzt sind, desto leichter findet jede Art die passende Kost und das richtige Material für die Brut.
Was wächst in der Sonne?
Auf einem naturnahen Balkon ist das einzige Naturgesetz: Vielfalt. Aber ist es dafür nicht noch zu früh? "März und April ist neben September und Oktober eine sehr gute Zeit zum Aussähen", sagt Julie Weissmann vom Bund Naturschutz. In den Kästen überstehen die Pflänzchen auch den letzten Frost, sagt die Biodiversitäts-Beraterin. Neben den Standards wie Tomaten oder Erdbeeren wachsen auf Balkonen mit Sonne auch Auberginenpflanzen, kleine Gurken oder Karotten.

Hobbyköche können sich eine ganze Wildkräutertheke anlegen: Salbei, Minze, Thymian, Basilikum, Rosmarin, Schnittlauch, Majoran, Oregano und Lavendel. Wichtig ist, dass es Samen von wilden Arten sind und man sie blühen lässt. Gerade verschiedene Hummelarten freuen sich über den Pollen und Nektar vieler Kräuter. Damit der Balkon nicht aussieht wie ein reiner Nutzgarten, braucht es Blumen. Anstelle von Geranien, Petunien und Dahlien gehören auf naturnahe Balkone Wildblumen. "Es ist wichtig, heimische Sorten zu nehmen, dass die hiesigen Insekten auch etwas damit anfangen können", sagt Weissmann. Immer mehr Baumärkte haben solche Mischungen im Sortiment. Aber auch das Geschäft des LBV in der Klenzestraße verkauft Mischungen sowie passende Erde dazu.
Besonders bunt wird es mit Löwenmäulchen in unterschiedlichen Farben, blauen Kornblumen oder Akeleien in Lila und Magenta. Anders als bei Karotten, Spinat oder Radieschen bedeckt man Wildblumensamen nicht mit Erde, sagt Marion Dorsch vom LBV, sondern streut das Saatgut auf die lockere Oberfläche. "Weil die Samen zum Keimen Sonne brauchen." Vorsichtig angießen; ab jetzt wird es pflegeleicht: Man muss nicht lockern oder auszupfen, nur nach dem Abblühen einmal stutzen. Manche Arten kommen im Sommer ein zweites Mal - oder man kann nachstreuen.
Eine bunte Blütenmischung hilft vor allem den wählerischen Exemplaren. "Ein Drittel der Wildbienen sind sogenannte Pollenspezialisten", sagt Julie Weissmann. Diese Arten brauchen also ganz bestimmte Blüten als Nahrungsquellen und für die Versorgung ihrer Nachkommen. So hat sich etwa die Glockenblumen-Scherenbiene auf Glockenblumen spezialisiert, die Gewöhnliche Löcherbiene sucht Korbblütler auf wie etwa die Färberkamille. Und die Reseden-Maskenbiene braucht die Wilde Resede oder Färber-Reseden.
Welcher Kübel, welche Erde?
Die richtige Erde ist entscheidend, sagt Marion Dorsch, zuständig für städtische Artenvielfalt beim Münchner Landesbund für Vogelschutz (LBV). "Es ist wichtig, torffreie Erde zu nehmen, um die Moore zu schützen", sagt die Biologin. Denn der Torf für herkömmliche Blumenerde würde in heimischen Mooren abgebaut und damit wichtiger Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere zerstört. Außerdem seien die Moore wichtige CO2-Speicher.

Inzwischen gäbe es auch im Baumarkt und bei den Wertstoffhöfen torffreie Erde. Für Wildblumen und Kräuter sei Kompost- und Gartenerde aber noch zu nährstoffreich, deshalb raten die Expertinnen von Bund Naturschutz und LBV dazu, der Erde Sand oder feineren Kies beizumischen. An die Kästen und Töpfe haben sie keine speziellen Anforderungen. Nur Löcher müssten sie unten haben, damit das Wasser ablaufen kann. Mittlerweile gibt es auch Hochbeete für den Balkon, oder man bestückt eine aufrecht stehende Europalette mit Blumenkästen.
Welche Pflanzen wachsen auf dem Schattenbalkon?
Nur weil der Balkon im Schatten liegt, heißt das nicht, dass man ihn nicht zum Blühen bringen kann. Etwa pinke Sterndolden oder hellblaue Vergissmeinnicht wachsen auch an schattigen Plätzchen. Wer Rankpflanzen mag, kann unter einem Holzgitter an der Wand eine Clematis anpflanzen oder Efeu ranken lassen. Auch der gelb-grüne Frauenmantel oder der lila-blaue Günsel sind keine Sonnenanbeter und wachsen ohne direkten Lichteinfall.

Nicht zu vergessen eine der beliebtesten Naschbeeren, die Himbeere, bildet auch im Schatten der Hauswände ihre Früchte. Viele Kräuter brauchen Sonne, aber zumindest für den Tee bleiben Minze und Zitronenmelisse, die im Schatten gedeihen. Daneben kann man sich an Gewächsen orientieren, die sonst im Wald zu finden sind: wie Heidelbeeren, Walderdbeeren, Waldmeister oder auch Pilze.
Wer im Herbst schon daran gedacht hat, Bärlauchsamen auszusäen, der hat in Kürze eine ganz private Bezugsquelle für die mild nach Knoblauch riechenden Blätter für Pesto, Pasta und Suppe. Wer sich beeilt, kann aber auch jetzt noch kleine Pflänzchen kaufen und einsetzen. Anders als im Phrasenfundus hat die Schattenseite auf dem Balkon auch ihre Vorzüge. Zum Beispiel für bunten Salat: Hier kann man Rucola, Spinat, Feldsalat oder Mangold sähen, ohne sich sorgen zu müssen, dass einem die zarten Pflänzchen bei starker Sonneneinstrahlung verbrennen.
Ungebetene Besucher fernhalten
Um statt wilder Vogelarten nicht Tauben auf den Balkon zu locken, empfiehlt sich eine Futtersäule, die mit ihren kleinen Stegen und Ausgabefächern für Tauben unzugänglich ist. Und auch die Futterreste auf dem Boden sollte man regelmäßig wegkehren. Gegen die Standortwahl von Wespen oder Hornissen ist man dagegen erstmal machtlos.

Aber wenn die papyrusartigen Nester nicht stören, ist es das beste, eine Saison abzuwarten: Die Nester werden nicht wiederverwendet. Bei kritischen Stellen kann man dagegen die Feuerwehr rufen, um sie entfernen zu lassen. Vereinzelt machen es sich Entenweibchen im Frühjahr in einem Balkonkasten zum Brüten gemütlich. Erstmal ist das kein Problem, aber wenn die Jungen schlüpfen, wird es kompliziert: Sie müssen mit einem Korb abgeseilt werden, damit sie den Kontakt zur Mutter nicht verlieren. Und möglichst schnell samt der Mutter zu einer Wasserstelle gebracht werden.
Interesse an fliegenden Untermietern?
Nicht nur im Winter freuen sich heimische Vögel über Zuwendung. Biologen haben herausgefunden, dass beispielsweise Meisen Nistkästen auch im Sommer zum Ausruhen oder Nächtigen nutzen. Auch Spatzen freuen sich über ein überdachtes Zuhause. Wichtig ist, einmal im Herbst das alte Nistmaterial herauszunehmen, um Platz für den nächsten Nestbau zu schaffen. An heißen Tagen freuen sich Amsel, Rotkehlchen und Fink über einen Durstlöscher. "Blumentopfuntersetzer sind ideal zum Trinken, aber auch zum Baden", sagt Marion Dorsch vom LBV.

Aber auf Hygiene achten, rät die Biologin: Damit keine Keime weitergetragen werden, sollte das Wasser täglich gewechselt werden. Legt man noch eine Wurzel oder Steine dazu, können auch Insekten die Tränken anfliegen. Auch die fliegenden Leichtgewichte schätzen Nisthilfen von Balkonbesitzern. "Aber mit manchen Varianten vom Baumarkt oder Aldi können sie nichts anfangen", sagt die Biologin vom LBV. Stroh oder Heu als Füllung bringe den Tieren nichts.
Eine gute Grundlage seien Harthölzer wie Buche oder Obstbäume. Dann bohrt man zehn bis 20 Zentimeter tiefe Löcher, die nach hinten verschlossen sind. Für verschiedene Bewohnergrößen variiert man die Löcher zwischen zwei und neun Millimeter. "Den Einstieg muss man gut abschleifen", sagt Marion Dorsch, "sonst reißen sich die Insekten an den Spreißel die Flügel ein." Eine andere Etage im Balkonhotel könne man mit einem Gemisch aus Sand und Lehm füllen. Einfach trocknen lassen, die Insekten bohren sich dann selbst in das Material.