So will München aus Kohle- und Atomkraft aussteigen

Ab Ende 2022 will die Stadt keine Kohle mehr verfeuern. Auch das Atomkraftwerk Isar 2 geht dann vom Netz. Das sei ein Meilenstein, so der Oberbürgermeister.
von  Christina Hertel
Münchens zweites Windrad dreht sich seit vergangenem Jahr in der Nähe der Allianz Arena.
Münchens zweites Windrad dreht sich seit vergangenem Jahr in der Nähe der Allianz Arena. © picture alliance/dpa/Stadtwerke München

München - Dass München bis 2035 klimaneutral wird, klappt nicht. Von den Klimaaktivisten, die deshalb am Mittwoch vor der Stadtratssitzung demonstrieren, würde er sich trotzdem Applaus wünschen. Das sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Dienstag, als er einen "Meilenstein" verkündete, wie er es ausdrückte.

Ab Ende des Jahres wollen die Stadtwerke keine Kohle mehr verfeuern. Denn voraussichtlich noch in der Heizsaison 2022/23 werden die Stadtwerke das Heizkraftwerk Nord in Unterföhring auf Erdgas umstellen.

SWM: Erneuerbare Energie sollen die Zukunft sein

Diese Technologie ist nur für den Übergang gedacht. Die Zukunft dort liege bei den erneuerbaren Energien, bei Wasserstoff und Geothermie, kündigt Helge-Uve Braun an. Er ist als Geschäftsführer bei den Münchner Stadtwerken (SWM) für das Energiegeschäft zuständig.

Auch von der Kernkraft werden sich die Stadtwerke Ende des Jahres zurückziehen. Denn das Kernkraftwerk Isar 2, an dem die Stadtwerke mit 25 Prozent beteiligt sind, geht vom Netz. Auslöser dafür ist der Atomausstieg, den die Bundesregierung beschlossen hat. Die Stadtwerke müssen sich an dem Rückbau des Kraftwerks beteiligen. Die Kosten können die SWM nicht beziffern.

Schon vor 5 Jahren forderten Münchner einen Kohleausstieg

Dass das Kohlekraftwerk in Unterföhring keine Zukunft hat, steht schon lange fest. Bereits 2017 entschieden die Münchner in einem Bürgerbegehren, dass sie einen Kohleausstieg wollen. Doch die Stadtwerke konnten das Kraftwerk im Norden von München nicht einfach abschalten. Laut Bundesnetzagentur ist es systemrelevant.

Seitdem gibt es einen Streit, wie es in Unterföhring weitergehen soll. Nun haben die Stadtwerke einen Plan dazu verkündet: Sie wollen den Block 2 auf Erdgas umrüsten. Bereits seit einiger Zeit laufen dafür laut dem SWM-Geschäftsführer Braun Tests.

Mehrere Optionen für Energiegewinnung in München sind denkbar 

"Die ersten Ergebnisse stimmen zuversichtlich", so Braun. Ganz auf fossile Brennstoffe können die Stadtwerke allerdings nicht verzichten. Erdgas sei als Brückentechnologie notwendig. In einer "längerfristigen Zukunft" sei dort auch der Einsatz von Wasserstoff, Geothermie und der Betrieb von Wärmespeichern denkbar.

Was der Umbau kostet, können die Stadtwerke momentan nach eigenen Angaben nicht sagen. Braun geht aber davon aus, dass die Investitionen spätestens 2025 wieder ausgeglichen werden können. Dass der Umbau Auswirkungen auf die Strom- und Heizkosten haben wird, schloss Braun aus.

Die Stadtwerke planen einen umfassenden Umbau 

Außerdem richtet sich das Gasförderunternehmen Spirit Energy, an dem die Stadtwerke beteiligt sind, neu aus. Der Verkauf der norwegischen und britischen Gas- und Ölfelder soll noch in diesem Jahr abgeschlossen sein, kündigen die Stadtwerke an. Damit reduziere das Unternehmen seine Ölförderung um 95 Prozent. In den nächsten fünf bis zehn Jahren soll demnach auch die Gasförderung auslaufen. Die Infrastruktur soll dann für Wasserstofftechnologie genutzt werden.

Ein Meilenstein ist das Jahr 2022 aus Sicht des Münchner OB aus noch einem weiteren Grund: Heuer schaffen es die Stadtwerke, 90 Prozent der Menge des Stroms, den ganz München verbraucht, in erneuerbaren Anlagen zu produzieren. Aus regionalen Anlagen kommt allerdings nur sechs Prozent. 30 Prozent werden in anderen Teilen Deutschlands, 64 Prozent in anderen Ländern Europas produziert.

Die 10H-Regel für Windkraft muss weg

Dringend notwendig ist aus Sicht der Stadtwerke, dass in Bayern mehr Windanlagen entstehen. Bisher hat das die sogenannte 10H-Regel verhindert. Diese besagt, dass mindestens die zehnfache Höhe des Rades als Distanz zum nächsten Wohnhaus eingehalten werden muss. Grüne und SPD fordern, dass sich der OB für eine Gesetzesänderung einsetzt.

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