So viel Wut lassen die Menschen in München an Wahlplakaten aus

In diesem Landtagswahlkampf werden in München mehr Plakate zerstört und zerrissen als früher. Welche Erklärung haben die Kandidaten dafür? Und wen trifft es besonders hart?
von  Christina Hertel
Auch die FDP kommt nicht davon. An diesem Plakat von Jennifer Kaiser-Steiner, Chefin der Münchner FDP, hat jemand Wut ausgelassen.
Auch die FDP kommt nicht davon. An diesem Plakat von Jennifer Kaiser-Steiner, Chefin der Münchner FDP, hat jemand Wut ausgelassen. © imago

München - Die Arbeit lohnte sich nicht: Lars Mentrup, SPD-Stadtrat und Direktkandidat im Stimmkreis Schwabing, stellte in der Nacht seine neuen Plakate auf und nur einen Tag später waren sie abgerissen, umgeworfen oder zertreten – alle zwischen der Münchner Freiheit und der Hohenzollernstraße. So erzählt es der 47-Jährige am Telefon.

SPD-Kandidat Mentrup klebt mittlerweile wöchentlich selbst Wahlplakate

Eigentlich hatte er gehofft, dass es reicht, einmal am Anfang des Wahlkampfs einen Plakatierer zu engagieren. Aber es sei so viel zerstört worden, dass er mittlerweile jede Woche selbst neue Plakate klebt, immer von 21 bis 1 Uhr in der Nacht, weil da weniger Verkehr ist.

"Fühlt sich ein bisschen nach alten Zeiten an, als wir für Clubs und Diskotheken plakatiert haben", sagt Mentrup und lacht ein bisschen. Man spürt aber: Der ganze Aufwand ärgert ihn doch.

Mittlerweile kontrolliert SPD-Kandidat Lars Mentrup jede Woche seine Plakate und stellt immer wieder Zerstörung fest.  privat
Mittlerweile kontrolliert SPD-Kandidat Lars Mentrup jede Woche seine Plakate und stellt immer wieder Zerstörung fest. privat © privat

Und er ist nicht der einzige Kandidat, der gerade Wut erlebt. Auch Florian Siekmann stellt fest, dass es deutlich mehr Vandalismus gibt. Er zog 2018 für die Grünen in den Landtag ein und tritt bei dieser Wahl wieder im Stimmkreis Hadern an: "Plakate", sagt er, "werden nicht nur abgerissen, sondern Ständer zertreten und teilweise sogar komplett gestohlen."

Tatsächlich beschweren sich beim KVR deutlich mehr Menschen über zerstörte Plakate: Bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst gab es 21 Beschwerden, dieses Jahr liegen doppelt so viele vor - und bis zur Wahl sind es noch gut drei Wochen. Was sind die Gründe dafür, dass die Zerstörung zugenommen hat?

Benjamin Adjei aus München glaubt: "Die CSU hat die Grünen als Feinde ausgerufen"

"CSU und Freie Wähler treiben mit verantwortungsloser Rhetorik und teilweise blanken Lügen die Spaltung der Gesellschaft voran. Das befördert Aggression und leider auch Gewaltbereitschaft", glaubt Siekmann. Ähnlich äußert sich der Grünen-Abgeordnete Benjamin Adjei, der in Moosach antritt.

Er stellt "ganz massive Angriffe" auf seine Plakate fest. Grund sei, der "Kulturkampf, den CSU und Freie Wähler gegen uns gestartet haben". Statt inhaltlich zu diskutieren, hätten sie die Grünen als "Feinde ausgerufen", und "schüren auf populistische Art den Kampf gegen uns Grüne".

Wahlplakate in München zerstört: Grüne und AfD polarisieren am stärksten

Der CSU-Kandidat Alexander Dietrich stellt nicht fest, dass CSU-Plakate mehr beschädigt würden als früher. Er beobachtet nur bei Plakaten von Grünen und AfD einen starken Vandalismus – vielleicht, "weil das die Parteien sind, die derzeit am stärksten polarisieren".

Der SPDler Lars Mentrup hat keine so richtig gute Erklärung, allerdings macht er eine Beobachtung: "Die meisten reißen die Plakate herunter." Ein einziges Mal sei sein Gesicht "verziert" worden. Und dass jemand einen lustigen Spruch drauf schreibt, komme praktisch nicht vor. "Das wäre mir noch lieber, dann wäre es wenigstens ein Dialog." Insgesamt wurden laut KVR 39.615 Wahlplakate im Stadtgebiet München beantragt. Die meisten übrigens von den Freien Wählern. 16. 000 Plakate dürften von ihnen der Stadt hängen.

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