So schaffte München den wirtschaftlichen Aufschwung

Das Tourismusamt bietet jetzt eine Rundfahrt zur Wirtschaftsgeschichte an – auch für Einheimische gibt’s da viel Neues. Ein sehr spannender Parcours, wie die AZ vorab erleben konnte.
von  Michael Heinrich

Das Tourismusamt bietet jetzt eine Rundfahrt zur Wirtschaftsgeschichte an – auch für Einheimische gibt’s da viel Neues. Ein sehr spannender Parcours, wie die AZ vorab erleben konnte.

München - Hunderttausende von Touristen und Einheimischen erkunden jährlich München per organisierter Rundfahrt oder Führung. Kaum ein Aspekt, den es da nicht gibt: ein „Rundgang über Frauen“ wird genauso angeboten, eine Architektur-Tour oder eine Stadtbesichtigung für Musikfreunde. Jetzt gibt es einen neuen Schwerpunkt – über die Wirtschaftsgeschichte München. Ein sehr spannender Parcours, wie die AZ vorab erleben konnte.




Das Isartor

Der Salzhandel war die Ursache für die Gründung Münchens. Denn die Fuhrwerke mit dem Salz aus der Gegend um Reichenhall und Berchtesgaden mussten die Isar überqueren. Mitte des 12. Jahrhunderts ließ Heinrich der Löwe eine Brücke in Höhe der heutigen Ludwigsbrücke bauen, nachdem er zuvor einen konkurrierenden Übergang bei Oberföhring hatte zerstören lassen. Einen ersten wirtschaftlichen Aufschwung erlebte die spätere Stadt, als sie 1158 das Markt-, Münz- und Zollrecht zugesprochen bekam und von Salzhandel profitieren konnte. Jahrhundertelang mussten die Salz-Transporte das Isartor passieren, hinter dem sich – im Tal – die Händler tummelten und zum Symbol für den Beginn der wirtschaftlichen Prosperität Münchens wurden.




Au/Giesing

Fährt man vom Isartor stadtauswärts, sieht man im Süden die Viertel Au und Giesing liegen, im aufstrebenden 19. Jahrhundert die sozialen Brennpunkte, wo die Ärmsten der Arbeiter lebten. Karl Valentin, der in der Au aufwuchs, hat diese Kehrseite der Münchner Industrialisierung sehr eindringlich beschrieben. Die Benachteiligung der Vorstädter ging so weit, dass sie nicht einmal das Wahlrecht hatten, das war Einkommensteuer-Zahlern vorbehalten.




Hofbräukeller

Bei der Vorbeifahrt an dem prächtigen, 1892 errichteten Wirtshaus, erzählt der sehr bewanderte und kurzweilige Gästeführer Georg Reichlmayr die unvermeidlichen Bier-Anekdoten. Dass eine Art Gerstensaft schon zu Zeiten Heinrich des Löwen gebaut wurde, dass es seit 1516 das bayerische Reinheitsgebot gibt und dass erst die Erfindung der Kältemaschinen durch Carl von Linde im Jahr 1871 die Industrialisierung der Bierherstellung ermöglichte.


Das Maximilianeum

Der heutige Sitz des Landtages wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von König Max II. als Sitz für die gleichnamige Stiftung errichtet, die begabte Studenten aus Pfalz und Bayern beherbergte und so zum Hort für den späteren Aufschwung von Wissenschaft und Wirtschaft wurde.



Die königliche Bergsteigerin

Bei der Abfahrt fällt links der Blick auf die Praterinsel mit dem Gebäude des Alpenvereins – und Georg Reichlmayr eine neue Geschichte ein: Die von Königin Marie von Preußen. Die Gemahlin von König Maximilian II. von Bayern gilt als erste Frau, die zum Bergsteigen ging. Sie bestieg immerhin unter anderem den Watzmann (1854), eine Tour auf die Zugspitze verbot ihr Max II, weil sie „unziemlich“ sei. Ihrem Einfluss sind auch der Bau einiger Bahnlinien ins Gebirge zu verdanken – womit sich der Kreis zur Münchner Wirtschaftsgeschichte schließt.




Die königlich bayerischen Hoflieferanten

Dieser Titel wurde von den bayerischen Königen sowie von Prinzregent Luitpold vergeben. Mit Erwerb des Titels hatten die Hoflieferanten die Ehre, das königliche Wappen zu führen und Mitglieder der Königlichen Familie laufend zu beliefern. Die Residenz erhoffte sich von der Titelvergabe, gute Handwerker des Landes an die Monarchie zu binden. Traditionell sehen es diese Häuser (zum Beispiel Dallmayr, Beck, Röckl oder Kaut-Bullinger) bis heute als Pflicht, Produkte anzubieten, die auch die Gunst des Königs fände.




Die Prachtstraßen

Alle im 19. Jahrhundert vorwiegend von Prinzregent Luitpold errichtet wurden die vier Prachtstraßen Brienner-, Ludwig-, Maximilian- und Prinzregentenstraße. Sie wurden zur Identitätsstiftung mit der Residenzhauptstadt, also zur Zementierung der königlichen Macht gebaut. In der Residenz gaben sich namhafte Architekten die Klinke in die Hand, um die Aufträge für immer neue Prachtbauten entgegenzunehmen – die Rechnungen gingen allerdings meistens an die Stadt München.




Sendlinger-Tor-Platz

Dieser Platz ist auch mit den Namen Albert Einsteins verbunden. Der spätere Nobelpreisträger besuchte eine Grundschule in der Nähe des Platzes, die Familie wohnte am nahen Goetheplatz.




Elektrifizierung der Stadt

Auch dabei mischte die Familie Einstein, die eine Elektrofirma betrieb, mit. Die erste elektrische Beleuchtung auf der Wiesn stammt von den Einsteins, die Glühbirnen soll der kleine Albert eingeschraubt haben. In den Jahren 1880 bis 1910 ging’s dann rasend schnell mit der Elektrifizierung. Ergebnis war zum Beispiel die erste Straßenbahn.




Die Bavaria

Auch sie ist ein stolzes Industriedenkmal Münchens, zu ihrer Errichtungszeit Mitte des 19. Jahrhunderts die größte Bronzeguss-Statue der Welt, gegossen von Ferdinand von Miller und Johann Baptist Stiglmaier – nach dem der gleichnamige Platz benannt ist.

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