So hat sich die Münchner Drogenszene verändert

Münchens oberster Drogenfahnder erklärt, wie sich die Suchtmittel-Szene verändert hat, warum bei Abhängigen schon ein Jägermeister tödlich sein kann und der Stoff hier teurer ist als in Berlin.
AZ: Herr Aumüller, die Zahl der Drogenfälle steigt stark an. Woran liegt das?
ARMIN AUMÜLLER: Man muss jede Droge für sich betrachten. Kokain etwa ist seit Jahren auf der Straße angekommen und nicht mehr an bestimmte Schichten gebunden. Es ist nicht mehr die Droge der Reichen und Schönen. Amphetamine wie Crystal werden immer mehr, weil sie vor allem sehr leicht herzustellen sind. Vor zehn Jahren gab es noch verschiedene Szenen: Die einen nahmen Heroin, die anderen Kokain – heute gehen alle Drogen durch alle Schichten.
Kann man daraus schließen, dass immer mehr Münchner Drogen nehmen?
Ja und nein: Die Aufgriffe stehen natürlich im Zusammenhang mit der sehr erfolgreichen Strategie der Münchner Polizei. Wir sind präsent und lassen keine offene Verkaufs- und Konsumenten-Orte zu.
Im AZ-Interview: Armin Aumüller. Der Kriminaloberrat ist Leiter des Drogendezernats. Die Fahnder nehmen jedes Jahr mehrere hundert Verdächtige fest.
Wir haben das Hell-Feld erweitert, ja. Es gibt hier keine offene Szene. Drogen werden jetzt vor allem in Wohnungen verkauft, ganz konspirativ. Deshalb ist Rauschgift in München sehr viel teurer als in Berlin oder Hamburg – eine Art Risiko-Aufschlag. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass es immer mehr Drogen gibt.
Was sind die Gründe dafür?
]Vor allem Jüngeren fehlt das Problembewusstsein, was Drogen angeht. Manche kaufen tagsüber Bio-Produkte und lassen sich abends im Club von einem Fremden irgendeine Tablette (wie Speed und Ecstasy, d. Red.) andrehen. Gleichzeitig gibt es das Phänomen der Polytoxikomanie: Immer mehr Konsumenten nehmen mehrere Drogen gleichzeitig. Bei manchen Drogentoten weiß man nicht, womit sie letzten Endes ihren Körper hingerichtet haben. Nach zehn, 15 Jahre Raubbau an ihrem Körper reicht in manchen Fällen der Jägermeister am Morgen, um sie zu töten.
Warum dieser Mix?
Weil die Drogen ganz einfach erreichbar sind – außerdem: Viele Konsumenten haben weiterhin eine Arbeit und müssen weiter funktionieren. Wer Heroin nimmt, braucht wiederum ein anderes Mittel, um sich aufzuputschen. Mit der Zeit dreht sich die Suchtspirale weiter und schneidet immer mehr vom normalen Leben ab.
Immer mehr neue Drogen ersetzen klassische wie Heroin, Kokain und Cannabis.
Das Gewinnstreben der Dealer führt zu sehr großem Einfallsreichtum. Das Betäubungsmittelgesetz beschreibt ganz genau, was verboten ist. Die Hersteller erfinden dann neue Substanzen, die nicht im Gesetz definiert sind, aber die gleiche Wirkung wie verbotene Drogen haben – etwa bei Kräutermischungen. Sobald einige verboten wurden, gab es neue.
Rentiert sich das?
Oh ja. Die Gewinnspannen liegen hier oftmals bei über 500 Prozent. Im letzten Jahr konnten wir beispielsweise bei einer konzertierten Aktion insgesamt über 300 000 Euro beschlagnahmen.
Lesen Sie in der gedruckten Montagsausgabe der Abendzeitung auf Seite 7 ein großes Sonderstück über die irrsten und gefährlichsten Drogen der Stadt - vom Deo bis zum Düngemittel, vom Nagellackentferner bis zum Badesalz.