So guad schmeckt’s dahoam

Gesunde Ernährung ist wichtig, aber nicht immer einfach. Nach dem Bio-Trend ist jetzt Essen aus der Region im Kommen. Die AZ zeigt, wie’s geht.
von  Sophie Anfang
Unser Experte für Geschmack und Regionales: Der Koch Harald Schultes ist bei unserer Serie kochkräftig mit dabei.
Unser Experte für Geschmack und Regionales: Der Koch Harald Schultes ist bei unserer Serie kochkräftig mit dabei. © Petra Schramek/dpa

München - Essen ist Genuss, zumindest ist das der Anspruch. Doch wie schafft man es, sich gut und gesund zu ernähren? Nachdem Bio bei vielen nicht mehr unbedingt als Garant für gute Lebensmittel gilt, stellt sich die Frage nach Alternativen oder Ergänzungen.

Ein Ansatz ist: regional einkaufen. Kurze Wege, Kontakt zu den Händlern, richtig reife Ware, das sind nur einige der Vorteile, die es mit sich bringt, wenn das, was auf den Teller kommt, in der eigenen Region angebaut wurde.

In unserer neuen AZ-Serie wollen wir Ihnen zeigen, wo Sie in München und im Umland gute regionale Kost bekommen. Das können Hofläden, aber auch Münchner Bauernmärkte sein. Manche Hersteller, die uns besonders gefallen haben, wollen wir Ihnen darüber hinaus noch genauer vorstellen. Start für die Hersteller-Porträts ist kommende Woche. Als Partner für unsere Serie haben wir den Münchner Koch Harald Schultes gewonnen, der sich seit längerem mit regionaler Ernährung auseinandersetzt.

Der renommierte Gastronom hat für unsere ausgewählten Betriebe und ihre Produkte extra Rezepte entwickelt. Starten wollen wir unsere Serie mit einem Gespräch: Regional – was ist das? Und wie geht es? Wir wünschen eine genussvolle Lektüre

 

Harald Schultes im Interview: „Einfach mal im Hofladen kaufen“

 

Gutes aus der Umgebung bringt den besonderen Genuss, sagt der Koch Harald Schultes. Hier erklärt er, worauf man achten muss.

AZ: Herr Schultes, regionale Lebensmittel werden immer beliebter, woran liegt das?
HARALD SCHULTES: Dafür gibt es im Prinzip drei Gründe. Der erste ist die Umwelt, die kurzen Transportwege. Wie viel das ökologisch bringt, ist für Laien jedoch schwer zu beurteilen und eher eine Frage für Fachleute. Der zweite Grund ist die Nachvollziehbarkeit: Woher kommt die Ware? Wird das Tier ordentlich behandelt? Das lässt sich bei regionalen Produkten gut nachvollziehen.

Inwiefern?
Weil ich das Getreide, das Obst, die Kuh sehen kann, wenn ich zum Produzenten fahre. Wenn ich eine ungepflegte Kuh im Stall sehe, wie soll das Fleisch dann gut sein? Oder wenn ich auf einem Bauernhof bin und in irgendeiner Ecke sehe ich irgendwelche Säcke mit genmanipuliertem Futter stehen, dann kann ich mir die Fragen zum Teil auch selbst beantworten. Da braucht man kein Fachmann zu sein. Dass es bei diesem Thema trotzdem Betrüger gibt, das kann man nicht ausschließen, die gibt es immer. Aber wenn man einen Bauernhof hat, der seine Tiere artgerecht hält, dann kann ich das nachvollziehen und ich kann auch den Bauern fragen. Fragen Sie mal einen Bauern in Südamerika, das ist schwierig. Allein die Distanz macht’s.

Und der dritte Grund?
Der Geschmack ist besser. Das ist für den Verbraucher auch das Wichtigste. Das liegt an den kurzen Transportwegen. Eine Mango müssen Sie halbroh ernten, damit sie, bis sie am Ziel ist, nachreifen kann und nicht vorher verfault.

Vor ein paar Jahren war Bio sehr beliebt. Heute ist die Begeisterung abgeflaut, warum?
Mit Bio wurde viel getrickst. Manchmal wusste man nicht, wo Bio herkam, es war für den Verbraucher nicht nachvollziehbar – vor allem bei Ware, die von weither kommt. Das Zweite ist: Bio heißt nicht immer unbedingt gute Qualität, nur weil sie ohne Zusatzstoffe ist. Aber wenn Bio-Obst mit einem Schiff transportiert wird, muss man es trotzdem unreif pflücken. Die Ware ist zwar weniger mit Pestiziden belastet, aber deswegen nicht unbedingt besser.

Ist regional das neue Bio? Oder eine Kombination aus Beidem?
Regionale Ware ist zum Teil auch bio, weil Sie kein gutes Regionalprodukt hinbekommen, wenn Sie sehr viele Pestizide einsetzen. Es ist ja vor allem die internationale Ware, bei denen man als Verbraucher schlecht kontrollieren kann, ob Bio-Standards eingehalten werden. Regionale Bio-Ware hat natürlich den Vorteil, dass sie gesund ist und man nachvollziehen kann, wie sie hergestellt wird. Und alles wird reif geerntet, deshalb ist der Geschmack auch da.

Was bedeutet „regional“? Gibt es irgendwelche Vorschriften?
Es gibt keine Vorschriften, aber regional macht nur Sinn, wenn der Bauer oder Produzent für die Leute gut erreichbar ist. Ich würde sagen, das sind 50 bis 100 Kilometer. Am Wochenende ist man vielleicht bereit, auch einmal weiter zu fahren.

Was sind klassische Lebensmittel, die ich regional einkaufen kann?
In der jetzigen Saison sind es natürlich die Beeren: Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren. Dazu kommt Fleisch: Rind, Kalb und Geflügel gibt es hier in Bayern in guter Qualität. Fisch ist bei uns auch fantastisch. Weil bei uns noch viel regionaler Fisch gefangen wird: Zander, Hecht, Karpfen, Forelle oder Saibling zum Beispiel.

Wo macht regional keinen Sinn?
Wenn Sie sagen: Sie essen gerne Austern. Na gut, die regional nächsten Austern gibt es auf Sylt. Oder Orangen, Flugorangen sind einfach schön reif, weil sie später geerntet werden. Dafür müssen Sie auch einen höheren Preis bezahlen. Es bleibt natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, Orangen durch die Gegend zu fliegen.

Viele sagen auch: Regional essen, ist mir zu fad.
Im Winter ist in unseren Gefilden natürlich das Angebot begrenzter, weil wir in Bayern strenge Winter haben. Da muss man Lebensmittel einlagern. Aber wenn man ab und zu eine Orange isst oder etwas anderes, ist das völlig okay. Ich bin ja kein Moralapostel, der sagt: Ich esse nur noch regional.

Wenn ich regional einkaufen möchte, wie gehe ich am besten vor?
Ich würde mit Produkten anfangen, die ich besonders schätze. Regional ist ja auch mehr Aufwand. Ich kann nicht jeden Tag 100 Kilometer spazieren fahren. Aber wenn ich ein schönes Stück Fleisch will und einen Landwirt kenne, der gutes Fleisch hat, dann fahre ich hin und kaufe einfach mal im Hofladen. Je mehr regionale Ernährung ich zu mir nehme, desto besser, aber es muss für einen Haushalt machbar sein.

Muss ich mich finanziell ruinieren, wenn ich regional einkaufe?
Die Preisunterschiede zwischen regionaler und nicht regionaler Ware sind generell nicht so groß. Aber Ware, um die man sich kümmert, kostet natürlich etwas mehr. Dafür lebe ich auch gesünder und es schmeckt besser.

Helfen Gütesiegel beim Einkaufen?
Gütesiegel sind gut, um sich zu informieren. Sie ersetzen aber nicht den gesunden Menschenverstand. Man muss sich die Dinge auch selbst anschauen und nach seinen eigenen Bedürfnissen bewerten.

Wer produziert regional?
Das geht vom kleinsten Bauern bis hin zu großen Firmen. Der Kleine ist dabei nicht notgedrungen besser als der Große. Dafür aber individueller.

Was heißt das?
Wenn jemand seinen Käse jeden Tag frisch macht, dann variiert der Geschmack je nach der Milch, die reinkommt. Aber das ist ja genau der Kick! Die Abwechslung macht’s. Und der Spaß, durchs Land zu fahren und verschiedene Dinge zu probieren. Das ist spannend und das Schöne am Essen. Es gibt doch nichts Schlimmeres, als vom schlechten Essen dick zu werden.

 

Lesen Sie hier: Ernährung im Jahr 2030

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.