So feiern unsere Nachbarn

MÜNCHEN - Austria-Rock-Party im Brickhouseclub: Hier tobt die Ösi-Szene Münchens bis 4 Uhr. An jedem dritten Donnerstag im Monat ab 22 Uhr feiern unsere Nachbarn auf dem Optimolgelände vorzugsweise sich selbst.
Ihnen sagt Gösser, Stiegl, Zipfer nichts. Und auch mit einem Almrausch können Sie wenig anfangen. Dann waren Sie entweder noch nie in Österreich oder Sie trinken dort keinen Alkohol. Auf der „Austria Rock“-Party können Sie dieses Versäumnis nachholen. An jedem dritten Donnerstag im Monat ab 22 Uhr feiern unsere Nachbarn im Brickhouseclub auf dem Optimolgelände vorzugsweise sich selbst.
Donnerstagabends spürt man von einer Kunstpark-Feiergemeinde eigentlich wenig. Der Ostbahnhof ist um22 Uhr leergefegt; auf dem Optimolgelände unterhalten sich gelangweilte Türsteher; vereinzelte Touristen fahnden verzweifelt nach der nicht vorhandenen Disco-Stimmung. Doch am Ende der Gasse wartet der Lichtblick in Rot- Weiß. Der schlichte Eingangsbereich und die übersichtliche Terrasse mit dem Biergarten- Anbau verraten noch nichts über das Ösi-Club-Innenleben.
Alle Klischees werden aufgefahren
Dafür fahren die Veranstalter Filip Cerny und Jan Oltznauer im Brickhouse dann alles an Klischees auf, um die austrophilen Gäste zufriedenzustellen. An Jan & Wolferl’s „Ösibar“ bekommt man für drei Euro das durchaus konkurrenzfähige Stiegl- oder Gösser-Bier. Wer es hochprozentiger mag, zischt einen Marillenschnaps oder versucht sich für 6,50 Euro an besagtemAlmrausch, einer gefährlichen Mischung aus Almdudler und Wodka – zum kulinarischen Ausgleich darf’s auch ein Salzstangerl sein. Wimpel und Fahnen in den Nationalfarben machen dem Letzten klar, dass heute „Austria Rock“ auf dem Programm steht. Ein Beamer projiziert die unvermeidlichen Sissi-Filme – da hätte der grummelig-genialische Josef Hader doch ein wenig mehr Originalität versprüht.
Doch man will das Stamm-Publikum nicht verschrecken. Das musste sich vor wenigen Monaten erst an die neue Behausung gewöhnen. Denn Münchens Austro- Szene rockte jahrelang den Salon Erna. Nach der Schließung am Jahresende mussten sich die Veranstalter nach einer neuen Musikbar umsehen. Zu weit wollte man nicht abwandern, dem jugendlichenMainstream- Kunstpark-Publikum aber auch nicht zu nahe kommen. Im Brickhouse wurde man fündig und knüpfte an alte Zeiten mit altem Konzept an. Das zu 70 Prozent aus Exilösterreichern bestehende Publikum ist eher einer seriösen, aber nicht weniger partyfreudigen 30-plus-Generation zuzuordnen. Und das verlangt nach Mitsing-Hits, diewehmütige Heimatgefühle wecken.
Die Bandbreite reicht von EAVs „Banküberfall“ bis hin zu Fendrichs „Schifoan!“ oder „I am from Austria“, was ironischerweise auch die bayerischen Gäste mit Inbrunst intonieren. „Die Gassenhauer von Falco, STS oder Wolfgang Ambros wünschen sich die Fans immer wieder“, stellt DJ Kneissl fest. Ein Vorteil der hohen Ösi-Klassiker-Dichte ist die großartige Stimmung, die vomStartschuss bis zum bitteren Ende gegen 4 Uhr andauert. Umnicht in Routine zu erstarren, setzen die Veranstalter auch auf Specials. Da spielen amüsante Coverbands wie die Wuidara Pistols oder man stellt den Abend unter ein besonderes Motto. Am heutigen Ausnahme-Mittwoch tritt der „Sound of Munich“ gegen den Austriarock an, „um die Österreicher ein bisschen zu ärgern“, wie Cerny lächelnd zugibt. Die Sportis gegen Danzer sozusagen.
Noch spannender wird diese freundschaftliche Nachbarschafts- Frotzelei am 16. Juni. Da spielt Deutschland gegen Österreich bei der Fußball EM. Im Biergarten soll das Duell auf großer Leinwand zelebriert werden. An der Ösi-Unterstützung der Veranstalter darf aber gezweifelt werden. Denn Cerny und Oltznauer, denen auch das Valentin Stüberl in Sendling gehört, sind Münchner.
Liebe zu Österreich
Ihre Liebe zu Österreich erklären sie mit ihrem Faible für die Musik und Gastronomie oder mit dem Besitz einer Ferienwohnung am Wilden Kaiser und einem Salzburger Eishockeyspielabstecher. Am 16. Juni müssen sie Farbe bekennen. Auf Rot wird man sich immerhin einigen können.
Florian Koch