So bunt wie Jogis Elf: München war noch nie so multikulti

In München haben 22,7 Prozent der Bewohner ausländische Wurzeln – Deutschland-Rekord! In Bayern ließen sich 2009 über 12000 Menschen einbürgern, die meisten kommen aus der Türkei.
MÜNCHEN Angenommen, ab heute dürften nur noch Deutsche mit ausländischen Wurzeln bei der Fußball-WM in Südafrika spielen, folgende Elf würde auflaufen: Podolski, Klose, Trochowski, Marin, Boateng, Aogo, Khedira, Tasci, Özil, Cacau, Gomez. Elf Mann, allesamt mit „Migrationshintergrund“, wie es im Behördendeutsch heißt. Ein Torwart würde fehlen, eine schlagkräftige Truppe wäre es trotzdem.
Der Anteil Deutscher mit Migrationshintergrund liegt beim DFB-Aufgebot knapp unter 50 Prozent. Zwar ist diese Quote in der Stadt München nicht ganz so hoch, doch auch die Landeshauptstadt ist ähnlich bunt wie Jogis Truppe.
316000 Menschen mit ausländischem Pass lebten 2008 in München, wie das Statistische Amt der Stadt München in seiner Jahresstatistik 2009 bekannt gibt. Rechnet man die 174000 Münchner mit ausländischen Wurzeln hinzu, hat fast ein Drittel aller Münchner Migrationshintergrund.
Seit 1950 wird München immer multikultureller. Lag der Ausländeranteil damals noch bei weniger als fünf Prozent sind es heute genau 22,7 Prozent. Das ist zwar etwas weniger als noch im vergangenen Jahr, dennoch leben noch immer in keiner anderen deutsche Großstadt so viele Menschen mit ausländischen Wurzeln wie in München. Zum Vergleich: In Köln sind es 16,5 Prozent, in Berlin 14, und in Hamburg 13,8. Nur Stuttgart und Frankfurt/Main schließen mit jeweils über 20 Prozent zu München auf und werden die bayerische Landeshauptstadt womöglich bald überholen.
Doch was heißt heute „Deutscher“ und „Ausländer“ überhaupt noch? Selbst das Statistische Amt gibt zu bedenken, dass die Aussagekraft dieser Begriffe an Bedeutung verliert. Immer mehr im Ausland geborene Münchner werden nämlich eingebürgert. 46000 Menschen lebten 2008 in der Stadt, die nach der Zeit ihrer Einwanderung einen deutschen Pass bekamen. Hinzu kommen nochmal 42000 Minderjährige mit deutschem Pass, deren Eltern zugewandert sind.
Zwar liegen die Zahlen zu den Einbürgerungen in München im Jahr 2009 noch nicht vor. Immerhin lässt sich mit Sicherheit sagen: Bayernweit ist die Zahl der Einbürgerungen weiter gestiegen. Mehr als 12000 Menschen mit ausländischen Wurzeln wurden 2009 zu Bayern, wie Innenminister Joachim Herrmann am gestern bekannt gab. Das waren rund 2000 mehr als im Vorjahr.
Nach wie vor sind es vor allem Türken, die sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden, 2009 waren es 2075 Einbürgerungen und damit weniger als in den Jahren zuvor. Innenminister Herrmann sieht einen Grund in den Forderungen des türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan, seine im Ausland lebenden Landsleute sollten „im Herzen immer Türken bleiben“. Herrmann sieht in diesen Äußerungen einen Gegensatz zur Einbürgerung. „Wer Deutscher sein will, muss sich zur Bundesrepublik als sein neues Vaterland bekennen“, so Herrmann. Allerdings können Türken im Gegensatz zu EU-Bürgern keine doppelte Staatsbürgerschaft bekommen. An dieser Regelung will Herrmann auch künftig nichts ändern.
Der zweite große Block der Eingebürgerten kommt aus der europäischen Union. 782 gebürtige Rumänen sind künftig Bayern, es folgen Herkunftsländer wie Polen (577), Italien (200) und Griechenland (195). Jenseits der Grenzen der Europäischen Union lassen sich Iraker (939), Afghanen (843), Ukrainer (669) und Russen (411) einbürgern. Zu den Exoten zählen Syrer (65), Kameruner (66) Moldawier (71), Angolaner (75) und 85 Menschen aus Togo.
Alle Menschen, die 2009 auch ganz offiziell zu Münchnern und Bayern wurden, mussten den umstrittenen Einbürgerungstest bestehen. Der Fragebogen, der das Wissen der Bewerber zu Staat, Kultur und Wirtschaft testet, sei laut Innenminister Herrmann ein Erfolg. Zumindest scheint der Fragebogen die Bewerber nicht allzu sehr zu fordern: Die Erfolgsquote lag im Jahr 2009 bei sagenhaften 98,4 Prozent.
Damit Bayern künftig noch bunter wird, soll der Einbürgerungsakt in „feierlicher und würdiger Form gestaltet werden“. Auch ein Glückwunschschreiben des Ministers wird den Einbürgerungsurkunden beiliegen, zusammen mit dem Grundgesetz. Und auch gegen einen Fußball als weiteres Geschenk hätten Jogi Löw und Fußballdeutschland kaum etwas einzuwenden. R. Keck