So brachte eine Rentnerin ein Gaunerpaar zur Strecke

Über den Balkon klettern zwei Einbrecher zu Inge B. in die Wohnung und bedrohen die 73-jährige Münchnerin mit einem Messer. Es folgen turbulente Minuten. Das Opfer erzählt.
von  Ralph Hub
Über die kleine Mauer kletterte das Paar mit vereinten Kräften bis auf den Balkon.
Über die kleine Mauer kletterte das Paar mit vereinten Kräften bis auf den Balkon. © Hub

Haidhausen - Inge B. kann am Dienstagabend einfach nicht einschlafen. Sie setzt sich ins Wohnzimmer und schaltet den Fernseher ein. In der ARD wird „Hart, aber fair“ wiederholt. „Es war eine milde Nacht, deshalb habe ich die Balkontür aufgelassen, um zu lüften“, erzählt die 73-jährige frühere Fotografin der AZ. Am Fensterbrett stehen zwei Lampen. Die Wohnung ist hell erleuchtet. Den Lichtschein kann man raus bis auf den Gehsteig sehen.

Dort schleichen Einbrecher durch die Straße. Dass offenkundig jemand zu Hause ist, stört sie nicht. Sie klettern über ein kleines Mäuerchen bis rauf auf den Balkon.
Inge B. ahnt nichts. Die Vorhänge bewegen sich – und plötzlich stehen zwei wildfremde Menschen vor ihr im Wohnzimmer: ein junger Mann, 20 Jahre alt, und eine ungewöhnlich kleine Frau. Gerade einmal 1,32 Meter misst die 19-Jährige.

„Ich hab’ gedacht, ich träume“, sagt Inge B. Doch die Besucher sind Realität. Dann sieht sie das Küchenmesser mit der etwa zehn Zentimeter langen Klinge in der Hand der Frau. „Was wollt ihr von mir?“, fragt sie das merkwürdige Paar. Die Antwort: „Geld.“

Doch Inge B. lässt sich von dem Paar nicht einschüchtern. Sie hat 20 Jahre in den USA gewohnt und schon ganz andere Situationen während ihrer Zeit in Florida erlebt. „Ich ruf’ die Polizei“, droht Inge B.. Als sie zum Handy greift, nimmt ihr der 20-Jährige aus Rosenheim das Gerät weg. Die Rentnerin zieht 20 Euro aus ihrem Geldbeutel und bietet den Schein dem Gaunerpaar an, damit sie wieder gehen. Doch der Mann sieht, dass dahinter ein 100-Euro-Schein steckte. Den will er auch.

Was dann geschieht, sieht man sonst nur in Krimi-Komödien. Das Paar will fliehen, und zwar so wie es gekommen ist – über den Balkon. Doch das Mädchen ist zu klein, um selbst über das Geländer zu klettern, hüpft und springt vergeblich.

Die Situation wirkt so absurd, dass Inge B. nicht mehr länger zögert und die Einbrecherin am Schlafittchen greift. „Ich hab’ schon immer gut alleine für mich sorgen können“, sagt sie, „ich lass’ mir doch nicht alles gefallen.“ Als der Einbrecher merkt, dass seine Komplizin in Schwierigkeiten steckt, kommt er zurück. Er schubst Inge B.. Die 19-Jährige kann sich losreißen. Das Paar läuft durch die Wohnung zur Tür.
Auf dem Weg wirft die 19-Jährige dreist noch einen kurzen Blick ins Gästezimmer. Dabei fällt ihr die Handtasche der Rentnerin auf, die sie auch noch gleich mitnimmt.

Inge B. folgt dem Paar bis ins Treppenhaus. „Hilfe, Polizei“, schreit sie so laut sie kann. Nachbarn wählen daraufhin sofort den Notruf.

Draußen auf der Straße wartet eine Freundin des Paares. Die ebenfalls 19-Jährige hat Schmiere gestanden. Das Trio räumt auf der Flucht die Handtasche leer und wirft sie im Park am Isarhochufer in ein Gebüsch.

Minuten später treffen die ersten Streifenwagen ein. „Die Polizisten waren blitzschnell und sehr freundlich“, schwärmt Inge B.. „Die haben sich ganz toll um mich gekümmert.“ Nur 15 Minuten später haben die Beamten sogar die Täter gefasst. Das Trio hatte nicht einmal Gelegenheit, die verräterische Beute wegzuwerfen. Auch das Telefon und das Handy ihres Opfers haben sie noch in den Taschen.

Der 20-Jährige und seine beiden Freundinnen müssen sich jetzt wegen schweren Raubes vor Gericht verantworten. Den Einbrechern droht eine Gefängnisstrafe nicht unter drei Jahren. Gestern erließ ein Ermittlungsrichter Haftbefehl gegen alle drei Verdächtigen.

 

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