Skandal im Sperrbezirk

„Lieber Franz...“ – ein Brief, der so beginnt, ist privat. Eigentlich.Doch dieser Schriftwechsel zwischen Michael Sommer und Franz Müntefering war auf einer alten Festplatte von Verdi München gespeichert: Ein Reporter finden Geheimdokumente im Bahnhofsviertel.
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Datenleck im DGB-Haus: TV-Reporter kauften für einen Bericht zufällig eine alte Festplatte von Verdi – darauf war sogar ein Brief an Franz Müntefering gespeichert.
Ronald Zimmermann Datenleck im DGB-Haus: TV-Reporter kauften für einen Bericht zufällig eine alte Festplatte von Verdi – darauf war sogar ein Brief an Franz Müntefering gespeichert.

MÜNCHEN - „Lieber Franz...“ – ein Brief, der so beginnt, ist privat. Eigentlich.Doch dieser Schriftwechsel zwischen Michael Sommer und Franz Müntefering war auf einer alten Festplatte von Verdi München gespeichert: Ein Reporter finden Geheimdokumente im Bahnhofsviertel.

„Lieber Franz...“ – ein Brief, der so beginnt, ist privat. Eigentlich. Doch dieser Schriftwechsel zwischen dem Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, und dem damaligen SPD-Chef Franz Müntefering war auf einer Festplatte von Verdi München gespeichert. Anfang 2006 sollte eine Firma alle Daten darauf löschen. Das ging schief. Und zwar deutlich.

Ende Mai recherchierte ein Reporter vom „K1Magazin“ (Kabel1) im Bahnhofsviertel. Dort wimmelt es von Computer- und Hardware-Shops. Er wollte wissen, wie viele gebrauchte Festplatten mit privaten Daten im Umlauf sind. Der Journalisten kaufte 15 Festplatten für je 10 bis 20 Euro. Elf waren nur miserabel gelöscht – darunter die von Verdi.

Wiederherstellungsprogramm bringt es ans Tageslicht

Mit einem Wiederherstellungsprogramm hatte der Reporter plötzlich hunderte Dokumente auf dem Schirm: Den in legerem Ton verfasste Brief zwischen Sommer und Müntefering, den Sozialplan einer Firma aber auch Zeugnisse von Angestellten, die Verdi beriet – mit persönlichen Daten drauf!

Geheimdokumente vom Bahnhofsviertel – Skandal im Sperrbezirk. Ausgerechnet bei Verdi, das den Datenschutz mit allen Zähnen verteidigt. „Dass das gerade uns passiert, ist bitter“, gibt Verdi-Sprecher Hans Sterr zu. „Uns trifft keine Schuld: Wir haben uns auf die schriftliche Zusage der Firma, die Daten würden komplett gelöscht, verlassen.“

Hans Sterr betont: „Das war eine einmalige Sache, es betraf etwa zehn Festplatten. Wir haben Ende 2005 einige Rechner entsorgt, die zu langsam waren.“ Mittlerweile würden Altgeräte an Mitglieder oder Ehrenamtliche versteigert. „Da verlässt kein Rechner mehr den Verdi-Kreis.“

Unterlassungserklärung von Verdi

Verdi hat jetzt eine Unterlassungserklärung an die Firma geschickt – mit der Aufforderung, die restlichen Daten komplett zu zerstören.

Solche Pannen passieren jeden Tag: „Es werden maximal 20 Prozent der Festplatten korrekt gelöscht“, sagt der Datensicherheit-Experte Ralf Schweitzer von der Garchinger Firma GSD. Unvorsichtige User gehen da ein riesiges Risiko ein: Auf den Aluminiumscheiben lagern Bankdaten, Passwörter oder Fotos, die Menschen ruinieren können.

Die Festplatte zu formatieren reicht nicht. Da wird nur das Inhaltsverzeichnis gelöscht – als ob man eine Buchseite herausreißt. Die Daten bleiben. Wer auf Nummer Sicher gehen will, benutzt spezielle Löschtools, sagt Schweitzer. „Oder sie bringen sie zu uns, das kostet etwa 25 Euro.“ Der Aufwand lohnt sich – das ist sicher.

Thomas Gautier

K1Magazin, Kabel1, Donnerstag, 22.15 Uhr

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