Ska-P auf dem Tollwood: Vorwürfe gegen Band – Strafanzeige angekündigt
München - Schon seit 20 Jahren wird der spanischen Ska-Punkband Ska-P vorgeworfen, im Text ihres Lieds "Intifada" antisemitische Stereotype zu bedienen. Kommenden Samstag, 15. Juli, spielen sie ein Konzert auf dem Tollwood – geht es nach dem Linken Bündnis gegen Antisemitismus München, soll das Tollwood die Band aber wieder ausladen.
In einem offenen Brief wirft das Bündnis der Band Antisemitismus und auch Antiziganismus vor. Der Songtext zu "Intifada" sei ein "Paradebeispiel für linken israelbezogenen Antisemitismus", so der offene Brief. Die Band mache in dem Lied aus Opfern Täter, "die Opfer der Shoa, die mit Verweis auf Faschismus, Völkermord und die Zahl 'Sechs Millionen' eindeutig angesprochen werden", würden "zu 'Henkern' umstilisiert".
Antisemitisches Lied: Bündnis will Tollwood-Auftritt von Ska-P verhindern
Die Band habe das Lied "Intifada" zuletzt am 5. August 2022 in Augsburg im Repertoire gehabt, deshalb sei zu erwarten, dass die Band es auch in München spielen werde.
Interessant an der Debatte um das Konzert in München ist, dass sich eigentlich fast alle Seiten einig sind: Es wäre besser, wenn die Band das Lied nicht spielen würde.
Zum Beispiel das Tollwood selber. Auf Anfrage der AZ sagt das Festival, sie seien "darauf ausgerichtet, Spiegelbild einer multikulturellen Gesellschaft zu sein" und sie stünden für "Meinungs- und Kunstfreiheit im demokratischen Rahmen". Trotzdem: "Im Falle des Konzerts von Ska-P distanziert sich Tollwood vom Inhalt des Songs 'Intifada', den die Band als Kritik an den israelischen Militärs versteht."
Das Festival sagt außerdem, sie hätten sich "inhaltlich tiefer" mit dem Lied beschäftigt und könnten auch die Kritik des Bündnisses nachvollziehen. "Nichtsdestotrotz steht der Song nicht auf dem Index – und auch hier halten wir uns an die Kunstfreiheit." Die Band könne "aus vertraglichen Gründen" nicht ausgeladen werden, es gebe "keine rechtliche Handhabe" dafür.
Tollwood: Darum gebeten, Lied nicht zu spielen
Diese "inhaltlich tiefere" Beschäftigung mit dem Lied geht auch auf einen Austausch des Festivals mit dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) zurück. Auf Anfrage der AZ sagt ein Sprecher der für Veranstaltungen verantwortlichen Behörde, sie hätten "bereits im März die Veranstalter*innen des Tollwoods auf die Situation hingewiesen und aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Lied 'Intifada' nicht gespielt wird". Das KVR habe sich "im Rahmen des rechtlich Möglichen sehr darum bemüht" zu verhindern, dass das Lied gespielt werde.
Trotz "überzogenen und absurden Vergleichen zwischen der NS-Zeit und der Besetzung palästinensischer Gebiete" habe aber eine rechtliche Prüfung ergeben, dass das Lied durch die Kunst- und Meinungsfreiheit geschützt ist, ein Verbot also nicht möglich.
Die Sprecherin des Tollwood verweist gegenüber der AZ nun darauf, dass sie die Band darum gebeten hätten, dass dieser Song nicht gespielt werde. Das Festival sagt aber auch, es handele sich um eine "linksorientierte Band mit sozialkritischen Texten", in der Kritik stehe aber nur ein einziges Lied. "Eine Einordnung als antisemitische Band im Gesamt-Schaffenswerk ist für uns nicht erkennbar", die "renommierte Band" gebe in diesem Jahr ihre Abschiedstournee und spielt bei vielen Festivals. Dazu habe das Tollwood die Band eingeladen, habe aber "nicht jeden Song im Einzelnen auf seine Inhalte gecheckt", bevor sie gebucht wurde.
Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen kündigte nun Volker Beck, der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) an, Strafanzeige zu stellen. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen sagt, Volksverhetzung könne sich nicht auf die Kunstfreiheit berufen. "So etwas darf in München keine Bühne haben", sagte Beck der Wochenzeitung.
Vorwurf des Antisemitismus: Das sagt die Band
Am Dienstagnachmittag äußert sich die Band auf ihrem Instagram-Kanal zu den Vorwürfen. Sie seien keine Antisemiten und würden alle religiösen Menschen respektieren. Das Lied "Intifada" sei eine "Anklage gegen die Besetzung des palästinensischen Volkes durch den Staat Israel, die Siedlungen und Landraub, die brutale Segregation und die Weigerung des Staates Israel und seiner Partner, einen palästinensischen Staat zu schaffen", so schreibt die Band auf Spanisch. Antizionistisch zu sein, bedeute nicht antisemitisch zu sein. Und: Sie seien Antifaschisten und hätten Lieder, die dies widerspiegeln, deshalb würden sie "den Zionismus niemals akzeptieren".
Ska-P: Antisemitismus und Antiziganismus
Ein weiterer Aspekt des offenen Briefs, den auch Erich Schneeberger, der Vorsitzende des bayerischen Verbands Deutscher Sinti und Roma mit unterzeichnet hat, ist der Vorwurf des Antiziganismus. Konkret geht es darum, dass ein Mitglied sich während der Bühnenshow bei einem Lied "als stereotypische Z********n mit Glaskugel verkleidet".
Darum und weil die Band mit ihrem Lied "Intifada" "unterkomplex, schuldzuweisend und dämonisierend gegenüber dem jüdischen Staat" vorgehe, fordert das Bündnis, das Konzert abzusagen.
Tollwood und KVR machen allerdings klar: Das wird nicht passieren. Ob die Band Ska-P also beim Konzert am Samstag das problematische Lied spielt, bleibt ihr überlassen, von der Kunstfreiheit ist es gedeckt. Bereits 2010 hat die Band auf dem Tollwood gespielt, als erste Zugabe spielte sie: "Intifada".
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