Single-Stadt München: Gründe und Konsequenzen

Immer mehr Münchner leben in sogenannten Einpersonenhaushalten. Experten zufolge liegt das an den Preisen, am mangelnden Angebot und den Zuzüglern.
von  Tina Angerer
Franz Grom, Rentner: „Wozu in der Innenstadt wohnen? Ich lebe in Neufahrn und habe dort alles, was ich brauche, und eine herrliche Ruhe. Wenn es mich doch einmal in die Stadt zieht, ist die S-Bahn in nur 35 Minuten da. Drei Mal in der Woche fahre ich die Strecke – zu meinem Nebenjob als Pförtner in der Innenstadt.“
Franz Grom, Rentner: „Wozu in der Innenstadt wohnen? Ich lebe in Neufahrn und habe dort alles, was ich brauche, und eine herrliche Ruhe. Wenn es mich doch einmal in die Stadt zieht, ist die S-Bahn in nur 35 Minuten da. Drei Mal in der Woche fahre ich die Strecke – zu meinem Nebenjob als Pförtner in der Innenstadt.“ © Tim Wessling

München - Eine Küchenzeile im Wohnschlafraum, ein Bad ohne Wanne und eine Wohnungsdurchquerung in wenigen Schritten: Was viele vor allem an ihre Studentenzeit erinnert, ist für immer mehr Münchner die ganz normale Wohnsituation. Die Münchner leben nämlich auf immer weniger Platz, und da Wohnungen immer rarer und teurer werden, heißt das: Der Trend geht zu Einzimmerwohnung.

Eine Erhebung des IVD-Instituts zeigt: Auf einen Münchner kommen im Durchschnitt 37,6 Quadratmeter. Zum Vergleich: Im Landkreis Starnberg sind es 45,8, im Kreis Dachau 41,1.

In Hamburg sind es 41 Quadratmeter pro Einwohner, in Berlin 41,4 Quadratmeter, im Saarland sogar 52,2. „Damit liegt München ganz klar im Gegensatz zum Deutschland-Trend“, sagt Stephan Kippes, Leiter des Instituts. „Das liegt an einem deutlichen Anstieg der Zahl der Einpersonenhaushalte, die besonders viel Fläche absorbieren, und an einer Luxuskomponente, das heißt, man gönnt sich etwas mehr Platz.“ Das gilt deutschlandweit. Nur nicht in München.

Zwar hat München von allen Großstädten die meisten Einpersonenhaushalte und liegt mit 53,74 Prozent vor Berlin, Frankfurt und Hamburg. In manchen, vor allem zentralen Stadtteilen, liegt der Anteil bei mehr als zwei Drittel. In der Maxvorstadt leben 68 Prozent der Bewohner allein (siehe Tabelle auf dem sechsten Bild).

Aber in München verbrauchen die Singlewohnungen nicht so viel Platz. Und das liegt am typischen Münchner Problem. „Es gibt kontinuierlich steigende Bevölkerungszahlen und ein unzureichendes Neubauvolumen“, sagt Marktforscher Kippes.

Allein im Jahr 2011 wuchs München um 28741 Bürger. Der überwiegende Teil, fast 26000 davon, sind Menschen zwischen 20 und 45 Jahren. Die können sich immer seltener mehr als ein Zimmer leisten. „Die Preise und das karge Angebot dämpfen den Flächenbedarf“, sagt Kippes. Was so viel heißt, wie: In München sind viele Alleinlebende schon froh, wenn sie überhaupt eine kleine Wohnung finden, die für sie günstig liegt und die noch bezahlbar ist.

Das hat auch der Münchner Bauträger JK Wohnbau erkannt. Er setzt mehr und mehr auf City-Apartments. Heuer baute die JK Wohnbau ein ehemaliges Bürogebäude in der Schillerstraße zum Apartmenthaus um (s. unten). „Kleine Wohnungen in zentraler Lage sind kaum zu bekommen“, sagt Vorstand Michael Haupt.

München hat bundesweit den höchsten Anteil an Einzimmerwohnungen. Mit 8,9 Prozent liegt man deutlich vor Berlin (1,4) oder Hamburg (2,3). Die Wohnungen sind aber meist relativ alt. „Seit gut 30 Jahren wurden kaum mehr so kleine Einheiten gebaut“, sagt Haupt.

Damals nahmen Banken und Bauträger an, die Nachfrage nach solch kleinen Wohnungen sei zu gering, man dachte, wer einen einigermaßen guten Job hat, wohnt eh größer. Das hat sich geändert – wegen der Preise.

„Gerade jüngere Erwerbstätige können meist nicht mehr als 1000 Euro für das Wohnen ausgeben“, sagt JK-Wohnbau-Vorstand Haupt. „Und sie schauen eher auf die Gesamtmiete als auf den Quadratmeterpreis.“ Dazu kommen die, die nach München wegen der Arbeit pendeln und noch eine Erstwohnung finanzieren müssen. Diese Klientel ist die Zielgruppe der JK Wohnbau – für einen relativ hohen Quadratmeterpreis mieten sie kleine Wohnungen an, die zentral liegen und insgesamt bezahlbar bleiben.

Das nächste Projekt wird in Bogenhausen realisiert; auch hier wird ein ehemaliges Bürogebäude umgebaut. Dort allerdings will man die kleinen Wohneinheiten als Eigentumswohnungen verkaufen: Das bringt in der exklusiven Wohnlage noch mehr Rendite.


Wo 32 Quadratmeter genug sind: Ein großes Wohnhaus (fast) nur für Singles: Wer hier lebt, was er zahlt, was er verdient.

München - Das ehemalige Verwaltungsgebäude des Elektronik-Herstellers Bürklin in der Schillerstraße hat die JKWohnbau zum Wohnhaus umgebaut: 203 City-Apartments sind nun dort – und bereits fast alle vermietet. Wer hier wohnt, setzt auf zentrale Lage statt auf viel Platz.

Im Durchschnitt sind die Wohnungen 32 Quadratmeter groß, 90 Prozent haben zwischen zwischen 23 und 48, ein paar Ausreißer mit über 90 gibt es auch.

Die Apartments sind zentral gelegen, aber doch nicht in Bestlage. Sie sind modern ausgestattet, aber gehören nicht zum Luxus-Segment. Sie haben Küche, Einbauschrank und ein großzügiges Bad. Der Internetanschluss steht bereit, auch sind schon vor Einzug Vorhänge und Lampen drin.

Zwischen 600 und 2400 Euro zahlen die Mieter – ein Tiefgaragenplatz ist für 110 Euro im Monat extra zu mieten. Im Durchschnitt liegt die Miete bei 22,46 Euro pro Quadratmeter, warm bei 26. Die meisten zahlen um die 900 Euro. Bei solchen Preisen wohnen dort nur wenige Studenten: Es sind gerade zwölf.

Das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren, der älteste Mieter ist 56. Im Gros sind die Mieter berufstätig, rund die Hälfte nutzt ihr Apartment als Zweitwohnung. Ohne Studenten und Selbstständige errechnete der Bauträger bei den Mietern ein Durchschnittseinkommen von 2678 Euro netto.

Die Berufe sind sehr unterschiedlich – das reicht vom Unternehmensberater über den Architekten und Juristen bis hin zur Altenpflegerin und dem Kellner. In der Mehrheit kommen die Mieter aus Deutschland – es gibt aber auch Mieter aus 17 weiteren Länder, von Italien bis Tunesien, von Japan bis Mexiko.


„Wohnen in München wird immer teurer, ein Ende ist nicht in Sicht“, stellt Stadtbaurätin Elisabeth Merk fest.

Die steigenden Preise für Grundstücke und Immobilien schlügen sich jetzt auch auf die Mieten nieder. So zeigt das aktuelle Wohnungsbarometer des Planungsreferats: Erstbezugsmieten stiegen seit vorigem Jahr von 14,39 auf 14,41 Euro je Quadratmeter. Brisant ist es bei den Wiedervermietungen: von 12,64 auf 13,48 Euro. Ein Plus von 6,6 Prozent.

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