Sind wir alle unerziehbar?

Um den Kampf auf Münchens Straßen ist eine Debatte entbrannt. Die AZ fragt einen Psychologen.
Rudolf Huber |
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Konflikte sind programmiert: Das Verhältnis von Radlern und Autofahrern in der Stadt birgt – vorsichtig ausgedrückt – ein erhebliches Konflikt-Potenzial.
imago Konflikte sind programmiert: Das Verhältnis von Radlern und Autofahrern in der Stadt birgt – vorsichtig ausgedrückt – ein erhebliches Konflikt-Potenzial.

Um den Kampf auf Münchens Straßen ist eine Debatte entbrannt. Die AZ fragt einen Psychologen.

München -  Diplom-Psychologe Eberhard Bohrisch ist begeisterter Radfahrer. Er hat das Radl sogar in seinen „Firmennamen” integriert: Seine Praxis heißt Psychorad. Die AZ sprach mit ihm über Verkehrs-Rowdys – und was man gegen sie tun kann. Hintergrund: Die Dekra-Studie über das rüpelhafte Verhalten der Radler (AZ berichtete).

AZ: Was halten Sie von den Ergebnissen der Studie?

EBERHARD BOHRISCH: Das ist dummes Zeug, die Statistik wird falsch benutzt. Es gibt rüpelhafte Autofahrer, es gibt Rüpel, die gehen zu Fuß. Und andere fahren mit dem Rad. Das ist schlicht eine Frage der Rolle, die ich gerade spiele.

Verkehrsminister Ramsauer will jetzt die Radler zu korrektem Verhalten erziehen.

Herr Ramsauer spielt hier keine Rolle als Verkehrsteilnehmer, sondern die des Politikers, der Krawall machen will – und das macht er gut. Wissen Sie, schon das Wort erziehen ist ja unangenehm. Man muss stattdessen etwas zur Verbesserung des Miteinanders tun. Und die Möglichkeiten, sich vernünftig zu verhalten, müssen natürlich da sein – etwa genügend Radwege. In diesem Punkt stimme ich Herrn Ramsauer zu.

Kann man Erwachsene überhaupt noch erziehen – oder ist da schon alles zu spät?

Wenn mit erziehen gemeint ist, ob sie sich weiter entwickeln können – ja. Das ist bis zum Tod der Fall. Es ist allerdings noch nie gelungen, jemandem durch Strafen eine sinnvolle Verhaltensänderung beizubringen. Anders gesagt: Man darf Kindern nicht verbieten, bei Rot zu gehen. Man muss ihnen beibringen, bei Grün zu gehen.




Was stört Sie selbst denn im Straßenverkehr am meisten?

Mich stört bei allen Verkehrsteilnehmern, wenn sie anfangen, rücksichtslos zu fahren. Aber das erlebe ich bei Autofahrern am häufigsten. Der Umgangsstil im Verkehr ist grundsätzlich bedauerlich.

Und woran liegt es, wenn sich doch mal Radfahrer unerzogen verhalten – ist dafür ein Erziehungs-Defizit in der Kindheit verantwortlich?

Das mit der frühkindlichen Prägung stimmt einfach. Wenn sich Eltern, Erzieher und Politiker immer vorbildlich verhalten würden, wäre schon viel getan. Aber es gibt bei uns leider eine Kultur des Eigennutzes und der Rücksichtslosigkeit.


 

Rambo-Ramsauer, Rudel-Mamas und das Leiden einer Radlerin

Tina Angerer, AZ-Chefreporterin im Lokalen, schreibt über das Radeln in München:

Gut, dass wir einen Ramsauer haben, der nach der „erschütternden Studie“ Härte gegen Radler walten lassen will. Eine Studie übrigens, für die die Dekra, eine KFZ-Experten-Organisation ausschließlich Autofahrer befragte. Rücksicht auf allen Seiten ist angebracht, schon klar, es gibt Flegel und die soll man auch bestrafen. Greifen Sie durch, Rambo-Ramsauer! Der Dekra und dem Ramsauer, die mich als Radlerin gar nicht gefragt haben, möchte ich dennoch vom Leben als Großstadtradler berichten.

Der Münchner Autofahrer leidet chronisch an Sehschwäche auf der rechten Seite. Täglich mehrmals, da braucht man kein Viel-Radler sein, werden wir auf dem Radlweg ausgebremst. Wer ist da wohl stärker, das Zweirad oder die Blechkarosse? Und, Herr Ramsauer, soll ich Ihnen das künftig jedesmal melden, ich meine, wegen des Durchgreifens.
Besonders Fahrer, deren Automodell mit X oder Q losgeht, verwechseln den Radlweg gern mit einem Parkplatz. Ist ja auch gemein, gibt ja so wenig Parkplätze. Da leiden grade die Damen, die zwar wissen, welche Schuhgröße sie haben, aber nicht, wie breit ihr Auto ist. Weicht man auf die Straße aus, hupt einen schon der nächste „Meiner ist größer“ - X oder -Q weg.

So, und ein Radlweg ist auch keine Verbreiterung des Gehwegs für Rudl-Mamas, die ihre Kinderwagen gerne nebeneinander schieben. Und wenn bereits gehfähige Kinder in München mal eine Radl-Klingel hören, erleiden sie auch kein Knalltrauma. Bis sie groß sind, gibt’s hoffentlich die autofreie Innenstadt. Träumen darf man ja.

 

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