Simon Ollert: So läuft es mit Münchens erstem inklusiven Verein

München - Wie es wohl ist, vor zehntausenden Fans Fußball zu spielen und die Atmosphäre im Stadion gar nicht mitzubekommen? Simon Ollert weiß das, der 22-Jährige ist der zweite gehörlose Fußballer, der in Deutschland Profi geworden erst. Erst der zweite, wie er schnell hinzufügt.
Genau das will er ändern und hat deswegen einen eigenen Verein gegründet: den IFC Munich United, den ersten inklusiven Fußballverein Münchens. Ollerts Ziel: "Ich will langfristig im normalen Ligabetrieb antreten, mich in regulären Wettbewerben messen". Und eben nicht als Behinderten-Mannschaft angesehen werden.
Inklusion ist schwer und kostet - aber lohnt sich
Inklusion ist Ollerts Thema und er kämpft leidenschaftlich dafür. Aus eigener Erfahrung weiß der 22-Jährige, wie leicht Kinder und Jugendliche in "normalen" Vereinen aus dem Raster fallen. Etwa, weil sie hör- oder sehbehindert sind. Dass das das fußballerische Talent schnell in den Hintergrund drängt, prangert Ollert an. Er will Berührungsängste abbauen.
Beim IFC United spielt neben vielen Hörgeräte- und Cochlea Implantat-Trägern (siehe unten) auch ein Jugendlicher mit, der auf einem Auge blind ist. "Natürlich bringt das Herausforderungen mit sich, aber daran wachsen Spieler wie Trainer", sagt Ollert. Zwei seiner Spieler kommen fürs Training extra aus Nürnberg angefahren. "Weil sie bei uns ganz normal gefordert und gefördert werden", so Ollert. "Bei uns zählt die Entwicklung des Menschen, seine Einzigartigkeit und das gemeinsame Streben nach Erfolg."

Einer der besten Fußballer der Welt hatte Wachstumsprobleme
Er selber weiß, wie schwierig es ist, sich mit äußerlich nicht unbedingt sichtbaren Einschränkungen gerade bei Fußballvereinen durchzusetzen. Und wie niederschlagend es sein kann, wenn nicht nur das Talent zählt, sondern die Anpassung im und für den Leistungssport. "Ein Lionel Messi würde heute kein Profi mehr werden", behauptet Ollert. Messis Wachstumsstörungen hätten ihn heutzutage in vielen Vereinen vermutlich stärker ausgebremst als es noch vor fünfzehn Jahren der Fall war.
"Jeder redet immer von Inklusion, aber wenn es dann konkret wird, winken viele Beteiligte oft ab", erklärt Ollert. Denn Inklusion ist auch teuer und bürokratisch: Hallen müssen oft umgebaut und angepasst werden, für Hörgeschädigte etwa induktive Spulen verlegt werden (damit können Hörgeschädigte Tonsignale abnehmen).
Voraussetzungen, die in München nicht viele Anlagen bieten. Ab März wird Ollerts Mannschaft drei bis vier Tage pro Woche in der neu gebauten Bezirkssportanlage in Freiham trainieren können, hier hat die Stadt von Beginn an inklusiv gebaut. Für Ollert und seine 25 Jungs ein Glücksfall.
Sponsoren schrecken oft vor Behinderten zurück
Aber: ohne Geld geht es auch beim IFC Munich United nicht. Ein Großteil der Arbeit neben dem Sport ist daher die Sponsorensuche. "Wir sind kein Charity-Projekt und wollen auch nicht so behandelt werden, wir wollen gemeinsam mit Partnern langfristig wachsen", sagt der 22-Jährige. Ein Verein, der im Moment noch hauptsächlich mit Behinderten arbeitet, sei allerdings für viele Unternehmen erstmal nicht so attraktiv. "Wie gesagt, wenn es konkret wird, ist Inklusion oft schwierig". Und die Berührungsängste eben hoch.
"Wir müssen aufhören, immer gleich alle in Schubladen zu stecken", sagt Ollert noch, bevor es zum Training mit seinen Jungs geht. Ob nun gehörlos, taub oder sehbehindert – wer nun das entscheidende Tor schießt, den entscheidenden Ball hält oder die Mannschaft vorantreibt, sei doch egal: "Wir sind doch alle Menschen".
Was ist ein Chochlea Implantat? Ein CI ist eine Hörprothese für Gehörlose und Ertaubte. Im Unterschied zu Hörgeräten, die die Lautstärke von Geräuschen erhöhen, übernehmen Cochlea-Implantate die Funktion der beschädigten Teile des Innenohrs (der Cochlea), um Audiosignale an das Gehirn zu übertragen.
Mehr Informationen über den Verein gibt es auf der Website.
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