Siko am Samstag: Selenskyj nennt Putin ein "Monster" und lädt Trump an die Front ein

München - Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, sorgte nach dem Auftritt von Julija Nawalnaja, der Witwe des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny, am Samstag für den zweiten emotionalen Moment auf der Münchener Sicherheitskonferenz. In einer Mischung aus Kampfgeist, Stolz und Dankbarkeit, aber mit spürbarer Verzweiflung, bat er den Westen um Unterstützung in der offensichtlichen kritischen Lage im Krieg mit Russland. Er nutzte dafür klare Worte: "Putin ist ein Monster".
Sichtbares Zeichen für die derzeitige militärische Defensive der Ukraine ist der Rückzug aus der umkämpften Kleinstadt Avdijiwka. Es gehe darum, Leben ukrainischer Soldaten zu rechnen, begründete Selenskyj die Maßnahme. Russland habe damit aber nichts gewonnen. Defätismus ließ sich der ukrainische Präsident nicht anmerken, im Gegenteil: "Ich denke, dass wir die Russen in diesem Jahr mit Drohnen und elektronischer Kriegsführung überraschen können", kündigte er an. Zu einem Sieg gebe es für die Ukraine keine Alternative: "Wir haben nur dieses eine Land".
Selenskyj vermied es, das Betteln um Waffen und Geld in den Mittelpunkt seines Auftritts zu stellen. Abseits der öffentlichen Veranstaltung wolle er insbesondere mit republikanischen US-Politikern sprechen, kündigte er an. Der Zweck war klar: Die Ukraine ist dringend darauf angewiesen, ein milliardenschweres Hilfspaket der USA, das im Kongress wegen des Widerstands der Republikaner festhängt, wieder flott zu machen. An der Front gehen Munition und Waffen aus.
Einladung an Donald Trump: Mit dem Ex-US-Präsidenten an die Kriegsfront
Über die amerikanischen Republikaner und ihren Hauptstrippenzieher, Ex-Präsident Donald Trump, verlor Selenskyj daher kein Wort der Kritik. Längst habe er Trump zu einem Besuch der Ukraine eingeladen, berichtete Selenskyj freimütig: "Ich bin sogar bereit, mit ihm an die Front zu reisen". Dass Trump die Einladung annimmt, gilt allerdings als höchst unwahrscheinlich. Selenskyj war Trump vor Jahren mit seinem Versuch, Präsidentensohn Hunter Biden zu beschädigen, nicht behilflich.
Westliche Politiker beschwor Selenskyj, keine Angst vor einem Zusammenbruch des Putin-Regimes und dem danach befürchteten Chaos zu haben. Wenn man Putin jetzt nicht besiege, sei es egal, wer nach Putin über Russland herrsche, behauptete Selenskyj. Aber soweit werde es nicht kommen, zeigte sich der ukrainische Präsident zuversichtlich. Putin habe nur zwei Optionen: Sich vor Gericht in Den Haag zu verantworten oder von seiner eigenen Entourage umgebracht zu werden.
Nach Selenskyj kam der republikanische US-Senator Pete Ricketts in einer Diskussionsrunde ziemlich unter Druck, als er begründen musste, warum die US-Hilfe trotz besserer Erkenntnis nahezu aller Außen- und Verteidigungspolitiker der Nato wegen des Widerstands der Trump-Republikaner nicht in die Gänge kommt. Keine Aufregung, wehrte sich Ricketts. Letztlich würden die USA schon "das Richtige tun". Demokratie sei eben "etwas unordentlich", so dass manche Dinge etwas länger dauerten. Und dann nahm er noch Zuflucht zu einem Zitat Winston Churchills: "Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun – nachdem sie alles andere versucht haben."
"Wir haben keine Zeit. Jeden Tag sterben Menschen"
Die ukrainischen Politiker im Auditorium rangen bei diesen Aussagen um Fassung. "Wir haben keine Zeit. Jeden Tag sterben Menschen", hielt ein ukrainischer Abgeordneter dem Amerikaner entgegen. Auch die estnische Premierministerin Kaja Kallas war damit nicht einverstanden. Wenn die Amerikaner jetzt nicht handelten, werde dies ihnen das später weit mehr kosten. Den Zusammenhang, den der republikanische Politiker zwischen Ukraine-Hilfe und Maßnahmen gegen den illegalen Grenzübertritt in den USA herstellte, konnte außer ihm niemand nachvollziehen. Wenn die USA gemessen an ihrer Bevölkerung so viele Flüchtlinge aufnehmen würden wie es ihr Land im Falle der Ukraine getan habe, entspräche dies 20 Millionen Menschen.
Den Gegenentwurf zum emotional argumentierenden Kriegs-Präsidenten Selenskyj lieferte der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD). Er erkannte trotz allem einen "Silberstreifen am Horizont", der "breiter ist als man glauben mag". Ohne den US-Kongress und dessen Gezerre um die Ukraine-Hilfe zu erwähnen, wies Scholz darauf hin, dass die Bundesrepublik das Ziel, zwei Prozent seines Bruttosozialprodukts für Verteidigung auszugeben, erreicht habe. Und das werde auch in den "20er und 30er Jahren" so bleiben. "Die Europäer", so Scholz, müssten sich "jetzt und in Zukunft sehr viel stärker um ihre Sicherheit kümmern", auch wenn das Geld in anderen Bereichen fehlen sollte. Denn: "Ohne Sicherheit ist alles andere nichts".
Friedenstauben aus Peking aber Zurückweisung von Taiwans Anspruch auf Unabhängigkeit
Scholz sei zwar "etwas klarer" geworden, seine Handlungen passe aber immer noch nicht zu dem, was notwendig sei, kritisierte der Grünen-Außenpolitiker Toni Hofreiter im Fernsehen den Kanzler und erinnerte an die anhaltende Zurückhaltung des Kanzleramts gegenüber die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine. Scholz hatte bei seinem Auftritt die Frage nach der Bereitschaft zur Lieferung von Taurus-Waffensystem unbeantwortet gelassen. Alles müsse "zum richtigen Zeitpunkt" geschehen, sagte Scholz, was den Grünen Hofreiter wenig beeindruckte. Der Kanzler zeige weiterhin "ungenügende Führung" und beim deutschen Oppositionsführer sei es noch schlimmer.
Verbale Friedens-Tauben ließ der chinesische Außenminister Wang Yi im Festsaal des Hotels "Bayerischer Hof" fliegen. Sein Land werde immer zur internationalen Stabilität beitragen. "Kooperation, Offenheit und Gleichberechtigung" seien die außenpolitischen Leitlinien. Im Ukraine-Konflikt unternehme China alles, damit es zu Friedensgesprächen komme. China habe "unablässig daran gearbeitet, den Frieden voranzubringen".
Der so genannte Genozid an den Uiguren sei "eine Lüge". Immer wieder müsse man "mit Falschinformationen kämpfen", welche die Entwicklung Chinas behindern wollten. Die Regierung habe sogar für jeweils 530 uigurische Gläubige Moscheen errichtet. Yi lud alle ein, die Provinz Xinjiang zu besuchen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen.

Doch das Einzige, was wohl viele im Auditorium dem Chefdiplomaten aus dem Reich der Mitte wirklich abnahmen, waren seine eisenharten Positionen zu Taiwan. Die Insel "bleibt Teil des chinesischen Territoriums", sagte Yi: "Die Taiwan-Frage ist eine interne Frage". Der Anspruch Taiwans auf Unabhängigkeit "muss zurückgewiesen werden". Und dann sagte Yi noch einen Satz, der zu denken gab: Die Unabhängigkeit Taiwans sei "nicht vereinbar mit Frieden auf beiden Seiten der Straße von Taiwan."