Siemens: Seit 125 Jahren ein Münchner Kindl
München - Als der 31-Jährige Werner von Siemens 1847 zusammen mit einem Kommilitonen in einem Berliner Hinterhof die Firma Siemens & Halske gründet, ahnt noch keiner, dass gerade ein künftiger Weltkonzern das Licht der Welt erblickt hat. Und der später, sehr viel später, seine Unternehmenszentrale nach München verlegen wird. Aber gemach.
Am 20. Januar 1890 war’s, als Siemens in München ein Vertriebsbüro gründet. Ein kleiner Anfang in einem schmucken Haus in der Galeriestraße 15. Von dieser Keimzelle des Elektro- und Elektronikkonzerns an der Isar ist freilich nichts mehr übrig. Heute verläuft an der Stelle der Altstadtring an der Staatskanzlei... Dass Siemens schon fünf Jahre zuvor in München für Furore sorgt, liegt an der elektrischen Beleuchtung, die die schummrigen Gasfunzeln ersetzt. Theatinerstraße und Max-Joseph-Platz sind die ersten, die München erstrahlen lassen. Insgesamt 1100 Straßenlampen sind es – made by Siemens.
1927 zieht Siemens in die Hofmannstraße, kauft die Isaria-Zählerwerke AG und stellt 1928 die Produktion auf nachrichtentechnische Erzeugnisse um. Das Telefonzeitalter hat längst begonnen. In der Folgezeit entsteht hier nach und nach die Siemens-City. 1945 liegen die Berliner Produktionsstätten zu 75 Prozent in Trümmern. Der Kalte Krieg und die unsichere Lage in West-Berlin lässt Siemens handeln: Der Konzernsitz von Siemens & Halske zieht nach München, der der Siemens-Schuckertwerke nach Erlangen. 1949 wird die neue Konzernzentrale am Wittelsbacherplatz bezogen. 17 Jahre später werden Siemens & Halske, Siemens-Schuckert und Siemens-Reiniger-Werke zur Siemens AG mit Sitz in München (und Berlin) umgewandelt.
Der Elektro-Riese scheint nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Eine neue Kaste entsteht: die Siemensianer – irgendwie wie Beamte, bloß viel besser bezahlt. Und quasi unkündbar. Mit dem Siemens-Hochhaus wird 1963 ein repräsentatives Verwaltungsgebäude nach den Plänen des Architekten Hans Maurer errichtet. Gegenüber entsteht der Siemens-Sportpark: Erholung, Flanieren und Tennis – exklusiv für Siemensianer.
1979 geht der nächste große Siemens-Standort in München an den Start: In Neuperlach wird, damals noch auf der grünen Wiese, die Siemens-City hochgezogen. Lauter kunterbunte Bauten, weshalb sehr bald vom Münchner Lego-Land die Rede ist. Siemens geht es jetzt gut, richtig gut. In den 80er Jahren hat der Konzern Milliarden auf der hohen Kante. Und verdient sein Geld in erster Linie im Finanzsektor. Siemens ist im wahrsten Wortsinne eine Bank in München.
Sogar eine eigene S-Bahnstation bekommt der Konzern: „Siemenswerke“ – rund 25 000 steigen hier in Hochzeiten täglich ein und aus. Insgesamt 50 000 Siemensianer gibt es zu jener Zeit in München. Siemens ist nicht ein, sondern der Arbeitgeber der Stadt. Doch das ist lange vorbei. Immer mehr Unternehmensteile werden verkauft oder ausgelagert. Als Siemensianer unkündbar?
Die Chip-Sparte wird ausgelagert – Infineon geht 2000 an die Börse. Die Handysparte (einst ein Flaggschiff und ernstzunehmender Konkurrent des damaligen Marktführers Nokia) wird verkauft – BenQ geht 2006 an den Start und flugs in die Pleite). Die Telekom-Sparte wird ebenso abgestoßen (2013) wie die Lichtsparte mit der Weltfirma Osram (Börsengang 2013). Das Areal an der Hofmannstraße wird verkauft, das Siemens-Museum in der Prannerstraße ebenso. Der Standort Richard-Strauss-Straße steht derzeit leer. 1999 wird das Siemensforum am Oskar-von-Miller-Ring (mit Museum) eröffnet – und 2013 für 160 Millionen Euro verkauft. Das Siemens-Museum? Ist seit 2011 zu. Der Siemens-Sportpark? Für einen symbolischen Euro an die Stadt München verkauft.
Inzwischen arbeiten noch knapp 10 000 Siemensianer in der Stadt. Das neue Flaggschiff entsteht gerade am Wittelsbacherplatz. In der neuen Konzernzentrale sollen ab Frühjahr 2016 bis zu 1200 Siemensianer arbeiten. Immerhin: Auch das Siemens-Museum soll hier wieder einziehen.
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