Sicherheitskonferenz in München: Schlimmer geht (fast) immer
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeichnen Veranstalter und Teilnehmer ein alarmierendes Bild vom Zustand der Welt.
München - In den vergangenen beiden Jahren dachte man auf der "Münchner Sicherheitskonferenz", dass es nicht schlimmer kommen könne. Auf der 54. Veranstaltung, die noch bis Sonntag in München stattfindet, erkennt man: Es kam schlimmer. "Die Warnsignale leuchten im Augenblick ganz rot", sagte Konferenzleiter Ex-Botschafter Wolfgang Ischinger zum Start der Konferenz am Freitag in München. Dringend notwendig seien "konkrete Schritte, um vom Abgrund wegzukommen".
Der Nahe Osten, sagt UN-Generalsekretär António Guterres, entwickele sich immer mehr zum "Gordischen Knoten", für dessen Durchschlagung es an einem "ganzheitlichen Ansatz" fehle. Die Region berge in vielen Bereichen ein "hohes Risiko der Eskalation".
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg macht sich Sorgen über die wieder auferstehende nukleare Bedrohung, unter anderem aus Nordkorea. Das Land könne jetzt alle Nato-Partner mit Atomraketen erreichen: "Pjöngjang ist näher an München als Washington D.C.". Aber auch Russland arbeite an einer Modernisierung seines Nuklearwaffenpotenzials und an einer neuen Militärstrategie - "zutiefst besorgniserregend", so der Nato-Generalsekretär.
Zusammenarbeiten sollen die, die es können und möchten
2016, behauptet die französische Verteidigungsministerin Florence Parly, habe für die Europäer "die Stunde des Erwachens" geschlagen. Die Antwort der neuen französischen Regierung auf die neuen Bedrohungen ist europäisch: "Europa", so Parly, sei jetzt "kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit". In der EU müsse man jetzt aus der "Tyrannei des Konsenses" ausbrechen. Das bedeute: "Zusammenarbeiten sollen die, die es können und möchten".
Dahinter steht die französische Idee einer europäischen Interventionsstreitmacht. Dabei war vor allem die Bundesrepublik Deutschland gemeint.
Deren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist etwas gehandicapt, weil nur "geschäftsführend" im Amt. Zudem hatte ihr Parteifreund Norbert Röttgen zu Beginn der Sicherheitskonferenz festgestellt, dass der Zustand der Bundeswehr "absolut inakzeptabel" sei.
Doch von der Leyen lässt sich nicht in die Defensive bringen. Die "scharfzüngige Kritik" Röttgens nehme sie als "Rückenwind" des Parlaments im Sinne von mehr Unterstützung für die Truppe wahr, denn die Bundeswehr sei eine "Parlamentsarmee". Wenn man an der Armee 25 Jahre lang spare und sie reduziere, "muss man sich nicht wundern, wenn es knirscht", kontert sie.
Die US-Amerikaner, zentrales Thema der letzten Sicherheitskonferenz, spielen am ersten Tag nur indirekt eine Rolle. So schlimm wie man es nach den Ankündigungen von Präsident Donald Trump erwartet hatte, ist es nach Ansicht vieler Europäer nicht gekommen. Stoltenberg bedankt sich bei Washington dafür, dass "die Amerikaner wieder hier sind".
Von der Leyen drängt auf mehr Tempo
Die Trump-Administration dringt mit Macht auf die Umsetzung der Zusagen der europäischen Nato-Länder, ihre Verteidigungsanstrengungen auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung hochzufahren. Deutschland ist "ein gutes Stück" (von der Leyen) entfernt. "Europa muss endlich mehr Tempo aufnehmen", fordert von der Leyen, kann aber ein Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels in absehbarer Zeit nicht in Aussicht stellen, ihre französische Amtskollegin Parly hingegen schon: Bis 2025 will Frankreich diese Marke erreichen.
Von der Leyen zeigt sich indes besorgt, dass "bei manchen Partnern" zu sehr in Kanonen und Panzern, aber zu wenig in Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit gedacht werde: "Es gibt keine rein militärische Abkürzung zu einer dauerhaften Friedensordnung". Wenn es zu der angestrebten neuen Großen Koalition in Deutschland komme, wolle man den Verteidigungshaushalt wie den Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit gleichermaßen aufstocken.
Obwohl es in Europa zäh vorangeht und auch Rückschritte zu verzeichnen sind, in anderen Weltregionen wäre man froh, wenn man diesen Standard im Umgang miteinander hätte. So findet der Emir von Qatar, Scheich Tamim Bin Hamad Al-Thani sogar den "Brexit" vorbildlich: Ein Beispiel für die friedliche Lösung von Konflikten, befindet er. "Da haben wir im Nahen Osten Handlungsbedarf", sagt er und bestätigt: "Der Nahe Osten steht kurz vor dem Abgrund".