Serienräuber sprengt sich bei Festnahme in die Luft

Wolfgang M. wollte sterben und landete jetzt völlig entstellt vor Münchner Schwurgericht.
MÜNCHEN In einem Rollstuhl wird Wolfgang M. (50) in den Münchner Schwurgerichtssaal geschoben. Über seinen Kopf hat er einen schwarzen Mantel gezogen. Seine Hände stecken in Skihandschuhen. Niemand soll sein schrecklich entstelltes Gesicht und die kaputten Hände sehen.
Im August 2010 hat der Serienräuber Wolfgang M. einen Selbstmordversuch begangen: Er sprengt sich und seinen Hund „Cleo“ in einem VW-Bus in die Luft. So wollte er sich seiner Festnahme in Augsburg entziehen. Doch er überlebt schwer verletzt, genau wie „Cleo.“ Sieben Polizeibeamte, die seinen Bus damals umstellen, werden bei der Explosion durch herumfliegende Autoteile und Stichflammen verletzt. Jetzt steht M. wieder vor Gericht: wegen 18 Raubüberfällen (siehe Kasten) und siebenfachen Mordversuchs.
Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sein Strafverteidiger Karl-Heinz Seidl, der mit Alexander Eckstein den Fall vertritt, sieht das anders: „Bestraft ist unser Mandant durch seine Verbrennungen ohnehin schon genug.“ 29 Prozent seiner Haut sind verbrannt: Der Kopf ist kahl und vernarbt. Wolfgang M. hat keine Ohren mehr und nur noch einen Nasenstumpf.
Deshalb muss er seine Brille mit einem Gummiband fixieren, da sie ansonsten nach unten rutschen würde. Seine beiden Hände sind verstümmelt. Auf dem linken Auge hat er nur noch zehn Prozent Sehkraft. In der JVA-Stadelheim liegt er auf der Krankenstation.
„Meine Füße fühlen sich an, als seien sie eingefroren und würden gerade auftauen. Ich kann nicht länger als zwei Minuten stehen“, sagt Wolfgang M. und berichtet: „Sieben Wochen lag ich im künstlichen Koma und zwei Monate wurde ich in den Krankenhäusern Bogenhausen und Harlaching medizinisch versorgt.
Es stehen noch Operationen bevor.“ Vor den Überfällen führt der Angeklagte ein ganz normales Leben. Nach der Mittleren Reife macht er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Sein großes Interesse gilt der Computertechnik. Als Autodidakt erlangt er IT-Kenntnisse. Bei der BayWa (Agrar, Bau und Energie) jobbt er als IT-Spezialist.
1998 muss er gehen – er hatte 200000 Euro unterschlagen. „Dies habe ich getan, weil man mich bei einer Beförderung übergangen hat“, sagt Wolfgang M., der sofort zur British Telecom wechselt. Da kündigt er nach seiner Scheidung. Die vielen Unterhaltszahlungen an die Ex kosten ihm fast sein Monatsgehalt. 2005 erleidet er einen Schlaganfall.
Thrombosen machen ihn zu einem Dauerpatienten. Seinen Lieblingssport Squash muss er an den Nagel hängen. Nach Italien zieht es ihn, weil er schöne Kindheitserinnerungen mit dem Land verbindet: „Ich war mit den Eltern oft im Urlaub dort.“ Sein Plan: „Wenn das Geld weg ist, wollte ich mir das Leben nehmen“.
Als er sich mit einem Hundepfleger anfreundet und Mischling „Cleo“ ins Herz schließt, will er nicht mehr sterben: „Ich konnte den Hund nicht allein lassen.“ In München campiert er bis zur Festnahme in seinem Bus. Die Verhandlung muss immer wieder unterbrochen werden. Wolfgang M. kann wegen seiner Krankheit nicht lange vernommen werden. Der Prozess ist auf neun Verhandlungstage angesetzt. Am 11. November soll das Urteil fallen.