Sendlinger Straße in München: als Einkaufsmeile unattraktiv?

München - Das ist sogar für Stephan Kippes erstaunlich. Der Chef der Marktforscher vom IVD hat schon viel erlebt in seinem Berufsleben. In der neuesten Münchner Erhebung seines Hauses wird mal wieder klar, welches Hauptproblem die Sendlinger Straße als Einkaufsmeile hat: Ihr fehlt schlicht die Laufkundschaft. Für Kippes bedeutet das zweifellos: "Das ist und bleibt keine 1A-Toplage".
Die sogenannte Passantenfrequenz verharrt seit dem Umbau zur Fußgängerzone Ende 2019 auf niedrigem Niveau, obwohl sie sich im Stadtkern Richtung Vor-Corona-Niveau erholt hat. Hinzu kommt, dass der Anteil der Filialen zunimmt, die sogenannte Filialisierung ‒ was für keine Einkaufsstraße der Welt gut ist.
Sendlinger Straße in München: Filialisierung und Passantenproblem
"Interessant ist es, wenn sich Einkaufsmeilen unterscheiden und der Filialisierungsgrad niedrig ist", sagt Kippes. Sonst wirke das beliebig. Kurz nach der Fertigstellung der Fußgängerzone hatte das Passantenproblem natürlich mit Corona zu tun, in den Jahren 2020 bis Ende 2022. Viele Ladeninhaber gaben auf.
Doch die aktuellen Zahlen sprechen für sich, erst einmal im Vergleich. Zuletzt wurden im ‒ noch etwas belebteren ‒ östlichen Teil der Sendlinger Straße im Schnitt weniger als halb so viele Passanten gezählt wie in der Kaufingerstraße. Das klingt nach wie vor erstaunlich wenig, weil die beiden Einkaufsmeilen schließlich nicht allzu viele Meter voneinander trennen.
Doch in der Westhälfte ist die Lage dramatischer. Dort wurden etwa ein Viertel der Passanten gezählt wie in der Vergleichsgröße Kaufingerstraße. In absoluten Zahlen sieht das so aus: An der Ecke Hackenstraße laufen 3340 Passanten pro Stunde vorbei, auf Höhe der Sendlinger Straße 41 waren es 1718. Auf der Kaufingerstraße ‒ der absolute Maßstab in München ‒ sind es 7306 Passanten pro Stunde (Stand September 2024).
Die Münchner Einkaufsmeile ist Opfer der eigenen Aufwertung
"Der Sendlinger Straße fehlt ein Magnet in der Westhälfte Richtung U-Bahn ‒ ein Grund, weshalb man die ganze Meile entlangläuft", sagt Stephan Kippes als Erklärung. Es gebe ein zu starkes Gefälle zwischen West- und Osthälfte. Und am Ende werde die Sendlinger Straße einfach Opfer seiner eigenen Verschönerung.
Laut Kippes klingt das wie ein Teufelskreis. Die Aufwertung zur Fußgängerzone habe bewirkt, "dass die Ladenmieten deutlich gestiegen sind". Das wiederum könnten sich private Geschäftsleute oft nicht mehr leisten. Ersetzt werden sie durch mehr und mehr Filialen, was eben die Straße weniger attraktiv macht. Der Anteil der Filialen beträgt hier derzeit 84 Prozent (2006: 60,2 Prozent).
Die derartige Fluktuation ist in der Sendlinger Straße mitunter am höchsten in München. Grundsätzlich betrug sie im Jahresvergleich zwischen 2023 und 2024 14 Prozent. Jedes siebte Geschäft also wechselte binnen Jahresfrist seinen Mieter. Im Langzeitvergleich ist der Anteil deutlich höher.
83 Prozent der Läden wechselten den Inhaber seit Anfang 2006. Das ist zwar auf der Kaufingerstraße ähnlich (85 Prozent seit 2006). Nur gibt es dort kein Problem mit der Laufkundschaft. Zahlreiche Mieterwechsel sind in der Sendlinger Straße unter den vielen Modehändlern zu beobachten. Mitunter sperrte der Adidas-Terrex-Store seine Türen zu (Start 2021). Der Kauri Store (nachhaltige Mode) verschwand fast heimlich.
Neu eröffnet haben mitunter die italienische Bekleidungsmarke Brandy Melville sowie der V-Store (Vintage-Kleidung). Neu: Die türkische Modemarke Lufian will bald ihre erste deutsche Filiale in den Räumen des Adidas-Terrex-Store eröffnen.
City-Partner-Geschäftsführer sieht positiven Trend
Der Verein der Innenstadt-Unternehmer Citypartner sieht nicht unbedingt eine Stagnation in der Sendlinger Straße, sondern eine langsame Entwicklung. Geschäftsführer Wolfgang Fischer sieht einen positiven Trend, der seine Zeit brauchen wird. Ihm liegen Passantenzahlen von hystreet.com im Ein- und Zweijahresvergleich vor. Beide zeigen insgesamt um etwa 10 bis 15 Prozent nach oben und beziehen sich auf den Ostteil der Einkaufsmeile.
Demnach ist im Einjahresvergleich (Oktober 2023 zu Oktober 2024) ein Plus an Passanten von 9,9 Prozent im Ostteil der Sendlinger Straße zu verzeichnen. Und im Zweijahresvergleich, zwischen Oktober 2022 und Oktober 2024, ein Plus von 14,9 Prozent. Insgesamt wurden demnach im Oktober 2024 1.098.633 Passanten gezählt.
Zudem sieht der Citypartner-Geschäftsführer den Vergleich mit der Kaufingerstraße mit absoluten Topwerten kritisch: "Das kann und sollte nicht der Maßstab sein", sagt Fischer.