Sein Schicksal rührte tausende Münchner: Gavril ist tot

Bei einem Unfall verbrennen 60 Prozent seiner Haut. Der 18-Jährige kämpft und viele AZ-Leser spenden. Knapp zwei Jahre später ist er gestorben.
von  Julia Lenders
Gavril im Mai 2011. Tapfer blickt er in die Kamera, obwohl er sich für sein entstelltes Gesicht anfangs schämte.
Gavril im Mai 2011. Tapfer blickt er in die Kamera, obwohl er sich für sein entstelltes Gesicht anfangs schämte. © Loeper

MÜNCHEN - Nicht nur einmal ist er dem Tod haarscharf entkommen. Gerade in den ersten Monaten nach seinem Unfall war es knapp für ihn. Doch Gavril hat sich nicht aufgegeben. Er überstand zahlreiche OPs. Lernte mühsam, wieder zu gehen. Begann, sein entstelltes Äußeres zu akzeptieren. Und schmiedete Pläne für die Zukunft. Umso bitterer ist es, dass er sein Leben jetzt doch lassen musste. Völlig überraschend ist er am 5. September im Krankenhaus gestorben. Er wurde 18 Jahre alt.

Die AZ hat mehrmals über den Jugendlichen aus Mazedonien berichtet. Im November 2010 war er bei einem Autounfall schwer verletzt worden. Ein Freund saß am Steuer, Gavril und zwei andere Teenager fuhren mit. Plötzlich überschlug sich der Wagen, fing Feuer. Die anderen überstanden das Unglück fast unverletzt. Doch bei Gavril verbrannten die Flammen 60 Prozent seiner Haut.

In Mazedonien wäre er schon damals gestorben. Die Ärzte hatten ihn aufgegeben. Seine Tante Dragica, die in München auf einer Intensivstation als Krankenschwester arbeitet, wollte das aber nicht akzeptieren. Sie holte den Buben nach Bayern. Auch wenn weder die mazedonische noch die deutsche Krankenkasse für seine Behandlung aufkommen wollten. Gavrils Familie verschuldete sich massiv. Doch das war für sie nebensächlich. Wichtig war nur eins: Er lebte.

Gavrils Geschichte ließ die AZ-Leser nicht unberührt. Sie finanzierten seine Reha. Dort lernte er, sich wieder aus eigener Kraft zu bewegen. Er machte große Fortschritte. Gewann an Gewicht. Und Kraft.

Mit Hilfe der Spendengelder sollte demnächst auch eine weitere Operation finanziert werden – eine Rekonstruktion seiner Ohren, die bei dem Unfall verbrannt waren. Die Narben versteckte Gavril unter seinen Kapuzen-Pullis oder Mützen. Weil er sich dafür schämte.

Der Rest seiner Haut hatte sich gut regeneriert. „Er lief sogar wieder kurzärmelig herum“, erzählt seine Tante Dragica. „Es ging ihm wunderbar, er war topfit.“ Zuletzt sei er sogar täglich für eine Stunde Joggen gegangen und habe mit Hanteln trainiert. Inzwischen hatte ihn übrigens auch eine Krankenversicherung aufgenommen. „Er war fast wieder zu einem normalen Jugendlichen geworden.“

Aber eben nur fast. Denn Gavrils Luftröhre war immer noch völlig vernarbt. Seit dem Unfall hatte sie mit zwei künstlichen Stützen offen gehalten werden müssen. Jetzt wollten die Ärzte in Großhadern testen, ob es auch ohne geht. Ende Juli kam Gavril ins Krankenhaus. Die Stützen wurden entnommen. Das überflüssige Gewebe, das ihm die Luft nahm, musste weggelasert werden.

Als er das erste Wochenende nach Hause durfte, bekam er akute Atemnot. Zurück in die Klinik. Intensivstation. Doch der junge Mann erholte sich ein weiteres Mal. Zumindest sah es danach aus.

Bis zum 5. September. Das ist der Tag, an dem Gavril erstickte. Am Abend vor seinem Tod hatte er noch Besuch von seiner Mutter und seinem kleinen Bruder. Er aß ein Eis, telefonierte mit seiner Tante. Am nächsten Morgen dann, Dragica war gerade auf dem Frankfurter Ring unterwegs, klingelte ihr Telefon. Ein Arzt überbrachte ihr die Todesnachricht. „Ich habe bloß noch geschrien.“

Wieso ist das passiert? Warum konnte man ihm nicht mehr helfen? Diese Fragen quälen die Familie, die jetzt ohne Gavril weiterleben muss. Zumal der 18-Jährige seinem Vater an diesem Morgen noch selbst erzählt hatte, dass es ihm nicht gut gehe – und dass er nun auf eine Untersuchung warte. „Er hatte nicht verdient, so zu sterben“, sagt Dragica. „Er war doch so ein Kämpfer.“

Am Wochenende wird Gavril nach Mazedonien zurückkehren. Ein Jahr und neun Monate nach seinem schrecklichen Unfall. Ein Flugzeug wird den Sarg mit seinem Körper zurück in die Heimat bringen. Die AZ wird für die Kosten der Überführung aufkommen. Mit den Spenden-Geldern, die Gavril eigentlich helfen sollten, ins Leben zurückzufinden.

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