Segnung homosexueller Paare: Kardinal Reinhard Marx aus München reagiert überrascht

Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Gottes Segen bekommen, entschied die Behörde für Glaubenslehre. Kardinal Reinhard Marx aus München hat dieser Schritt überrascht.
von  Alexander Spöri
Ein gleichgeschlechtliches Liebespaar küsst sich. Vor drei Jahren verurteilte das die Kirche noch.
Ein gleichgeschlechtliches Liebespaar küsst sich. Vor drei Jahren verurteilte das die Kirche noch. © Eugenio Marongiu / imago

München - Was in der Bibel noch als "Gräuel" galt, hat seit Montag den offiziellen Segen der römisch-katholischen Kirche. In einer von Papst Franziskus gebilligten Erklärung erlaubt das Dikasterium für die Glaubenslehre, eine zentrale Behörde im Vatikan, die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren – mit einigen Einschränkungen. So darf die Segnung nicht im Rahmen eines Gottesdienstes stattfinden und auch keine Gemeinsamkeit mit ehelichen Ritualen aufweisen.

"Für uns mag das ein kleiner Schritt sein, aber für die Weltkirche ist das ein gewaltiger", sagt Kardinal Reinhard Marx. Das Schreiben der Kirche sei bereits auf seinem Tisch gelandet und überrascht den Erzbischof von München und Freising, wie er am Dienstag bei einer Gesprächsrunde im Münchner "Presseclub" zur Zukunft der Katholischen Kirche in Deutschland verriet. Besonders die Positionierung kurz vor Weihnachten sei erstaunlich.

"Bin da romantisch": Kardinal Reinhard Marx aus München ist "Sexualmoral" wichtig

"Die Erklärung muss weiterentwickelt werden", so Marx' Einschätzung. Dafür müsste die Kirche in Deutschland nicht jedes Mal nach Rom blicken, sondern mit der Umsetzung anfangen: "Wie wir das hier ausgestalten, müssen wir in unserem Land entscheiden", sagt der Würdenträger der Glaubensgemeinschaft.

Kardinal Reinhard Marx bei einer Pressekonferenz: In München sprach er über die Zukunft der Kirche in Deutschland.
Kardinal Reinhard Marx bei einer Pressekonferenz: In München sprach er über die Zukunft der Kirche in Deutschland. © Sven Hoppe / dpa

 

Eine zentrale Rolle spiele dabei die "Sexualmoral an sich". Marx denkt, dass eine sexuelle Beziehung lediglich eingegangen werden sollte, wenn man sich mit dem Partner auch ein gemeinsames Leben vorstellen könnte. "Ich bin da romantisch", sagt der 70-Jährige. Nach einem "One-Night-Stand" wiederum sofort die nächste Affäre zu suchen, sei wenig zielführend.

Segnung homosexueller Paare: Manche Kirchenvertreter sind von der Entscheidung nicht begeistert

Auf die Frage, ob man als Homosexueller ohne Probleme in der Kirche leben könne, antwortet Marx nach kurzem Innehalten: "Ich denke schon." Trotzdem sei die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren weiterhin ein großes Problem. Man müsse Menschen, die ihre sexuelle Orientierung offenlegen, Respekt zollen. Hierzulande sei die Akzeptanz schon größer als in anderen Ländern.

In Afrika würden Kirchenvertreter die Erklärung vom Montag wohl eher mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen.  Dass der Vatikan in der Erklärung von gleichgeschlechtlichen Paaren in "irregulären Situationen" spricht, unterstreiche, wie gespalten die Weltgemeinschaft noch ist. "Ich kann das nicht ändern – den Text habe ich nicht geschrieben", so Marx. Ihm zufolge sei die Erklärung ohnehin kein "unfehlbarer" Schriftsatz. Deshalb dürfe man den Text auch nicht als Leitfaden verstehen.

Neue Erklärung widerspricht einer Mitteilung aus dem Jahr 2021

Nichtsdestotrotz sieht der Kardinal auch hier zunehmend Fortschritt. So habe die vatikanische Glaubensbehörde im Februar 2021 noch die Segnung von gleichgeschlechtlichen Liebespartnern verurteilt. Die Identität der Betroffenen sei zwar keine Sünde – sie auszuleben hingegen schon. Im Vergleich zu damals hätten sich, wie Marx festhält, die sprachlichen Formulierungen schon deutlich verbessert.

Mit der neuen Erklärung komme die Kirche nochmals einen Schritt weiter. Auch, wenn man dabei den Urhebern des alten Schriftsatzes nicht sagen wolle, dass die Positionierung der Katholischen Kirche vor drei Jahren falsch war, so Marx' Analyse. Ob mit dem nächsten Schritt auch die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren einhergehen könnte, blieb bislang offen. Die Lehre zur Ehe blieb unangetastet.

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