Schwules Blut ist unerwünscht
Spenderblut wird dringend gebraucht. Aber Homosexuelle dürfen sich nicht zur Ader lassen – aus Angst vor Infektionen
München- Fremdes Blut rettet täglich Hunderten in München das Leben. Gerade hat die AZ über Menschen berichtet, die auf Transfusionen angewiesen sind. Und über Spender, die so dringend gebraucht werden. Trotzdem ist eine ganze Bevölkerungsgruppe bei den Blutspende-Diensten unerwünscht: Schwule.
Egal wie lang sie liiert sind, egal wie treu die Männer sind – sie dürfen nicht spenden. Schwulenverbände sehen darin eine Diskriminierung. Auch Christopher Knoll von der Münchner Aidshilfe sagt: „Die Regelung schert alle Männer über einen Kamm.“
Wer sich beim Blutspendedienst München anzapfen lassen will, muss zuerst einen Fragebogen ausfüllen. „Hatten Sie in den letzten 12 Monaten (intime) Kontakte zu Personen, die zu den Hauptbetroffenengruppen gehören?“, heißt es darin. Auf der Rückseite erfährt der Besucher, wer zu diesem Kreis gezählt wird. Darunter: homo- und bisexuelle Männer, Prostituierte oder Menschen, die sich Drogen gespritzt haben.
Wer „Ja“ ankreuzt, wird auf Dauer von der Spende ausgeschlossen. „Da haben wir keine Wahl, selbst wenn ich anderer Meinung wäre“, sagt Betriebsleiter Andreas Faber.
Wäre es nicht richtiger, einfach nach der Häufigkeit der Partnerwechsel zu fragen? Das fordert die Initiative „Schwules Blut“. Sie möchte, dass alle Spender nach ihren Sexualgewohnheiten und ihrem Risikoverhalten befragt werden – auch die Heteros.
Blutspendedienst-Leiter Faber winkt ab: „Das würde erfordern, dass man eine intensive Sexual-Anamnese macht. Und davor möchte ich die Spender bewahren.“ Einen lebenslangen Ausschluss für schwule Männer hält er aber für „schwierig“. Was also tun?
Diese Debatte ist auf Bundesebene in vollem Gange. Aktuell läuft eine Studie zu einem neuen Fragebogen. Darin werden Männer immer noch gefragt, ob sie „schon einmal Intimkontakt mit einem anderen Mann hatten“. Drogenkonsum, Prostitution und Haft sind aber in einem anderen Block erfasst.
Voriges Jahr legte die Bundesärztekammer eine Erklärung vor, warum „MSM“ (so die fachsprachliche Kurzform für Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben) kein Blut spenden dürfen. Darin steht, dass „HIV-Neuinfektionen bei MSM im Vergleich zu heterosexuellen Männern etwa 100-fach häufiger sind.“ Von 2000 bis 2008 seien fünf HIV-Infektionen durch Transfusionen gemeldet worden. „Zwei davon gehen auf MSM-Kontakte zurück.“
International wird diskutiert, schwule Männer künftig nur zeitlich befristet von der Spende auszuschließen – je nachdem, wann sie zuletzt Sex hatten. Der Hintergrund: Eine frische HIV-Infektion kann erst nach einigen Tagen festgestellt werden.
Christopher Knoll von der Münchner Aids-Hilfe kennt gesunde Homosexuelle, die das Blutspende-Verbot ignorieren. „Die kreuzen die Frage bewusst falsch an, weil sie ihren Dienst am Gemeinwohl leisten möchten.“
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