Schwule und Lesben gehen aufeinander los

Der „Christopher Street Day“ soll dieses Jahr „Christina Street Day“ heißen, damit auch die Frauen beachtet werden. Das war zumindest der Plan. Doch dann kommt es zum Aufstand.
von  Abendzeitung
Christopher Street Day in München: 2011 streiten sich Schwule und Lesben um den Namen.
Christopher Street Day in München: 2011 streiten sich Schwule und Lesben um den Namen. © dpa

Der „Christopher Street Day“, eine der größten Veranstaltungen in München, soll dieses Jahr „Christina Street Day“ heißen, damit auch die Frauen beachtet werden. Das war zumindest der Plan. Doch dann kommt es zum Aufstand.

München - Eigentlich gelten Schwule und Lesben als friedliebende Menschen. Dass das ohnehin ein (nett gemeintes) Klischee ist, zeigt sich derzeit an einem Streit, der die Szene entzweit wie nie zuvor. „Blöde Emanzen“ und „dreiste feministische Okkupation“ heißt es von der schwulen Seite. Die Lesben schießen zurück, wittern „doofe Machos“ und „faschistoide Reaktionen“. Was ist da los?

Es geht um den Christopher Street Day (CSD) am 9. Juli – eigentlich ein Feiertag der Homosexuellen und mit jährlich über 50 000 Teilnehmern und Schaulustigen eine der erfolgreichsten Veranstaltungen in München. Was die Macher aber ärgert: Obwohl alle Gruppen – Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle – dabei sind, werde immer nur von der „Schwulenparade“ gesprochen, berichten Stadtrat Thomas Niederbühl von der Rosa Liste und Rita Braaz von der Lesbenberatungsstelle „LeTRa“. Es sei frustrierend für die Lesben, die sich in gleicher Weise um die Organisation verdient machten, wenn man sie einfach ausblende.

Um das zu ändern, schlägt bei einem Stammtisch der Veranstalter der Psychologe Christopher Knoll vor, den Tag einmalig umzubenennen: Aus dem „Christopher Street Day“ solle der „Christina Street Day“ werden. Die Idee gefällt. Vor ein paar Wochen wird die Umtaufe bekannt gegeben. Ein Ziel sei es, „Irritation, Aufmerksamkeit und Diskussion“ auszulösen, sagt Niederbühl.

Die Bilder vom Christopher Street Day 2010

Wie groß die Irritation ausfällt, dürfte ihn dann aber doch überrascht haben. In der Szene bricht innerhalb weniger Stunden ein Aufstand los. Die Gegner ziehen durch die Kneipen und Clubs im Glockenbachviertel und sammeln Unterschriften gegen die „feindliche Übernahme“. Auf dem Internetportal Facebook wird eine Gruppe „Gegen den Christina Street Day“ gegründet. Fast 600 Mitglieder treten bei und machen ihrem Ärger Luft. Einige Reaktionen:

  • „Ohne Worte! Wenn einem nix mehr einfällt, dann macht man sowas: Dann taufen wir die Müllerstraße auch in Müllerinstraße und die Hans- Sachs-Straße in Johanna- Sachs-Straße um?
     
  • „Es ist nicht einzusehen, dass wildgewordene Emanzen, die offensichtlich ihren Penisneid immer noch nicht überwunden haben, sich ständig bequem in irgend ein gemachtes Bett legen.“
     
  • „Dann wird nachher aus ,Christi Geburt’ noch ,Christinas Geburt’ und Weihnachten liegt dann ein Mädchen in der Krippe ...“
     
  • „Ich schmeiß mich weg. Ich bin überzeugte Feministin und finde es auch gut, wenn man sich mit Gender-Aspekten von Sprache auseinandersetzt, aber bitte doch nicht so! So ein Schwachsinn.“
     
  • „Der historische Aufstand gegen Polizeiwillkür fand nunmal 1969 in der New Yorker Christopher Street statt. Wer daran rütteln will, betreibt alberne Geschichtsklitterung.“
     
  • „Wenn die bei dem Namen bleiben, dann gibt es einen Riesen-Boykott!“

Auch Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl wird heftig attackiert. Der sei „vom Vertreter zum Verräter der Schwulen“ geworden, habe sich zum „Lesbenknecht“ machen lassen. Man solle „matschige Tomaten“ mitbringen, um sie auf ihn zu werfen.

Niederbühl reagiert irritiert auf die Vorwürfe, ein Teil der Schwulen-Szene sei offenbar „frauenfeindlich“. Rita Braaz ist ebenfalls schockiert über den „Lesben- und Frauenhass“, der aus vielen Online-Beiträgen spreche. Es gehe um „Dominanz und Macht“.

Vor der knicken die Veranstalter am Ende ein und verkünden zerknirscht: „Es bleibt beim Christopher Street Day“. Das diesjährige Motto soll aber lauten: „Für ein solidarisches Miteinander: Lesben vor!“

 


Studien zufolge sollen sich zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung vomeigenen Geschlecht angezogen fühlen – in München gäbe es demnach rund 60 000 bis 120 000 Homosexuelle.

Das ist auch die Zahl, die Rosa- Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl für wahrscheinlich hält. Nur ein kleiner Teil davon, etwa zehn Prozent, besuche auch die homosexuelle Kneipenszene, die sich vor allem im Glockenbachviertel angesiedelt hat, berichtet Niederbühl.

 

 

 

 

 

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