Schwierige Marktlage: So hart trifft die Inflation Münchner Händler

München - "So ein netter junger Mann, das gibt es heute nur noch selten", lobt die ältere Dame den Blumenverkäufer an diesem windigen Herbsttag auf dem Wochenmarkt am Rosenkavalierplatz. Sie hat gerade einen Strauß Sonnenblumen als Geschenk für Freunde gekauft. Wenn sie donnerstags in der Nähe sei, kaufe sie immer bei ihm ein: "Ich umgebe mich nur mit netten Menschen, schlecht gelaunte gibt es genug."
Auf dem Markt steht und fällt eben alles mit den Verkäuferinnen und Verkäufern. Normalerweise entscheidet die Sympathie darüber, ob die Kundinnen und Kunden wiederkommen. Anders als in den meisten Supermärkten spielt hier der persönliche Kontakt eine übergeordnete Rolle. Doch reicht dieser Aspekt aus, um die Kunden während der Inflation und Energiekrise weiterhin zu binden?
Umsatzrückgang seit dem Ukrainekrieg
Für die Münchner Wochenmärkte ist das Kommunalreferat zuständig. Auf Anfrage der AZ berichtet die Sprecherin, dass nach einem Umsatzhoch während der Pandemie einige Händler einen Umsatzrückgang seit dem Ukrainekrieg erleiden würden. Allerdings sei es für eine Einschätzung zu früh, da viele Standbetreiber die Zahlen noch nicht vorgelegt hätten.
Kommt die Stadt den Händlern entgegen? Während der Pandemie hatte der Münchner Stadtrat aufgrund der staatlich bedingten Geschäftseinschränkungen beschlossen, auf Antrag die Wochenmarkt-Gebühren zu stunden. Bei einer Existenzgefährdung seien sie sogar erlassen worden, wie das Kommunalreferat informiert. Für die aktuelle Situation gebe es jedoch noch keinen vergleichbaren Beschluss. Erst einmal müssen die Standbetreiber also der Krise trotzen und sich selbst helfen. Das sind sie aber als wetterbeständige Überlebenskämpfer gewohnt. Die AZ hat sich auf zwei Wochenmärkten in München umgehört.

Metzgerin Alexandra Fischer: "Junge Eltern kommen"
Alexandra Fischer (59), Inhaberin Hofmetzgerei Fischer aus Wackersberg: "Seit dem Krieg kommen auch ukrainische Kunden zu uns. Aber nicht jeder kann sich unsere Preise leisten. Wir liegen beim Fleisch schon deutlich höher als der Supermarktpreis. Während der Pandemie hatten wir deutlich mehr Umsatz, ich schätze um die 30 Prozent. Von diesen Neukunden sind nur wenige übriggeblieben. Die Stammkunden von zuvor sind aber noch da. Wir haben auch zunehmend junge Mütter und Väter als Kunden, die sich einmal die Woche ein gutes Fleisch bei uns leisten. Es geht uns insgesamt schon noch sehr gut. Ich glaube, bei uns ist die Krise noch nicht angekommen. In Bad Tölz zum Beispiel - wir kommen aus der Gegend - waren in diesem Sommer sehr viele Touristen da. Die Menschen können sich schon noch was leisten. Das größere Problem ist der Personalmangel."

Claudia Kallias: "Heulen bringt nichts"
Claudia Kallias (58), Betreuerin in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (Biogärtnerei): "Ich betreue hier unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung. Sie arbeiten in der Bio-Gärtnerei und auf dem Markt. Leider hat sich das Geschäft in den letzten Monaten verschlechtert. Der Umsatz ist im Vergleich zu vor der Pandemie deutlich zurückgegangen. Viele unserer Kunden verabschieden sich bei uns, wenn sie aufs Land ziehen. Das kommt in letzter Zeit immer häufiger vor. Gerade Familien ziehen weg, die sich wohl die Miete nicht mehr in der Stadt leisten können. Aber es kommen auch immer wieder neue, vor allem junge Kunden dazu. Die stehen dann oft mit dem Handy vor uns und sehen in einer Rezepte-App nach, was sie brauchen. Das finde ich toll, denn so bauen sie einen Bezug zu den Lebensmitteln auf. Wir haben ein sehr breites Sortiment und einige Gemüsesorten kennen viele nicht, dann wird nachgefragt und man tauscht untereinander Rezepte aus. Das Persönliche ist am Markt einfach unersetzlich. Alles steht und fällt auch mit den Verkäufern und viele unserer Kunden mögen unsere Mitarbeiter sehr. Auch wenn es momentan schlecht läuft, heulen bringt nichts, ich schaue positiv nach vorne."

Käseverkäufer Emanuel Venhoda: "Wir sind nicht teurer"
Emanuel Venhoda (25), Juniorchef des Hallertauer Ziegenhofs und Käseverkäufer: "Unser Betrieb läuft heute nicht so viel schlechter als vor Corona. Während der Pandemie ist der Umsatz ein bisschen hochgegangen, die Menschen haben mehr zu Hause gekocht, und das war gut für die Märkte. Seit einem Jahr ist das etwas zurückgegangen. Ich merke schon, dass unsere Kunden gewählter einkaufen und kleinere Beträge ausgeben. Aber die Stammkunden kommen trotzdem weiter. Mein Vater führt den Betrieb seit 40 Jahren, einige Kunden kommen schon seit 20 Jahren und mehr zu uns. Die wandern nicht so schnell ab. Wir mussten die Preise zwar etwas erhöhen, teilweise liegen wir aber nicht über dem Discounter-Preis. Das wissen nur wenige. Die meisten denken, die Preise auf dem Markt sind sehr viel teurer, das stimmt so nicht. Bei uns kann man einen guten Käse schon für 2,60 Euro pro 100 Gramm kaufen."

Blumenverkäufer Christian: "Die Leute müssen sparen"
Christian (37), Blumenverkäufer: "Während der Pandemie musste ich drei Monate lang diesen Stand in München schließen, aber in der restlichen Zeit lief das Geschäft doch sehr gut. Die Menschen wollten es zu Hause einfach gern schön haben und waren sehr dankbar, dass es meinen Stand gibt. Sie haben sich richtig über mein Angebot gefreut. Auch die Ferien- und Urlaubszeiten habe ich viel weniger gespürt, weil meine Kunden dageblieben sind und weiterhin auf dem Markt eingekauft haben. Normal ist in den Ferien viel weniger los. Das hat sich jetzt natürlich geändert. Aktuell ist es viel ruhiger. Und die Leute müssen sparen, das sagen sie mir auch direkt. Eine Kundin kann jetzt zum Beispiel nur noch alle zwei Wochen Blumen kaufen. Für viele ist das gerade gar nicht mehr so drin. Es ist gerade schon schwieriger. Mein Umsatz ist zwar ähnlich wie vor der Pandemie, aber das Problem sind die gestiegenen Einkaufspreise, die ich so nicht an meine Kunden weitergeben kann. Dadurch verdiene ich weniger als vorher. Trotzdem liebe ich die Arbeit hier auf dem Markt. Die Menschen, mit denen ich hier zu tun habe, sind super."

Sockenverkäuferin Sandra Landau: "Ich warte den Herbst ab"
Sandra Landau (50), Sockenverkäuferin: "Den Stand habe ich von meiner Mutter 2019 übernommen, es gibt unseren Betrieb schon seit über 20 Jahren. Eigentlich lief es gut, besonders hier am Arabellapark, hier konnte ich das Sommerloch immer gut mit den arabischen Touristen überbrücken. Es ist kaum zu glauben, aber die lieben Alpaka-Socken. Corona war dann aber eine Katastrophe für uns. Ich musste sechs Monate lang den Stand schließen, weil wir ja keine Lebensmittel verkaufen. Ich habe versucht, mich mit einem Onlineshop und jobben über Wasser zu halten. Dann sind alle Veranstaltungen, alle Feste, Dulten und Weihnachtsmärkte ausgefallen. Das ist unser Hauptgeschäft. Momentan sieht es nach wie vor nicht so gut aus. Ein paar Kunden decken sich zwar mit warmen Socken ein, weil sie befürchten, diesen Winter Zuhause frieren zu müssen, aber die meisten kaufen sehr vorsichtig ein. Die Benzinkosten machen mir auch zu schaffen, weil ich auf viele Veranstaltungen in verschiedenen Städten fahren muss. Und der Wareneinkaufspreis ist um 20 Prozent gestiegen. Ich kann aber nur maximal zehn Prozent an meine Kunden weitergeben, irgendwann wird es einfach zu teuer. Ich muss noch diesen Herbst abwarten, das ist unsere Hauptsaison und ich hoffe sehr, dass ich unser Traditionsgeschäft im neuen Jahr noch weiterführen kann. Aber wir Marktverkäufer sind wie die Seemänner. Wir trotzen jedem Wetter."