Schweine als Organspender – für Paviane und Menschen

München - Mit genmanipulierten Schweinen und medizinischen Experimenten an Affen wollen Münchner Wissenschaftler die Medizin revolutionieren und den Mangel an Organspenden beseitigen. Der Weg dorthin ist steinig – und umstritten. Xenotransplantation, die Gewebe- und Organübertragung vom Tier auf den Menschen, heißt das elektrisierende Zauberwort, das den neuen Maßstab setzen soll.
Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und das Klinikum Großhadern experimentieren schon seit Jahren auf diesem Gebiet und verfolgen ein besonders ehrgeiziges Ziel: Sie wollen Schweine, deren Erbgut massiv verändert wird, zu Organspendern für den Menschen machen. Das Forschungsprojekt (Transregio 127), das mit Millionen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, wird von Herzchirurgen-"Papst" Professor Bruno Reichart geleitet.
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Schweine mit verändertem Erbgut sind die Basis. Der Eingriff in die Gene der Borstentiere soll unter anderem dazu dienen, dass bei der Verpflanzung eines ihrer Organe die zwangsläufigen Abstoßreaktionen beim Menschen beherrschbar sind und keine tierischen Krankheitskeime übertragen werden. Doch das ist Zukunftsmusik. Derzeit müssen Affen erst einmal leiden – und sterben.
Zu den Details der Experimente, bei denen Affen das Herz eines Schweines eingesetzt wird, hält man sich von Seiten der LMU und des Klinikums Großhadern weitgehend bedeckt. Klinikums-Sprecher Philipp Kreßirer räumt aber ein, dass es solche Versuche gibt. "Es sind nur wenige pro Jahr", sagt er und weist darauf hin, dass sie allen Auflagen entsprechen und von den Behörden genehmigt wurden. Zuständig ist dafür die Regierung von Oberbayern, die das bestätigt.
Tiefere Einblicke in die Versuche mit Affen in München vermitteln eine Reihe von Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und wissenschaftliche Arbeiten. Einen Teil der Publikationen hat die Organisation "Ärzte gegen Tierversuche" in ihre Datenbank aufgenommen. Daraus ist auch zu entnehmen, dass keiner von Dutzenden von Affen die Transplantation eines Schweineherzens überlebt hat. "Derartige Versuche", sagt Silke Strittmatter von "Ärzte gegen Tierversuche", "sprengen alle ethischen Grenzen."
Kein "Versuchsobjekt" überlebt
In der Datenbank findet sich unter anderem folgende Zusammenfassung einer Versuchsreihe an der Uni, deren Ergebnisse 2015 in einem Fachblatt publiziert wurden: 21 genetisch veränderte Ferkel werden in Narkose gelegt, bevor ihnen die Brustkörbe geöffnet und die Herzen entnommen werden.
Die Empfänger: 13 Anubispaviane und acht Mantelpaviane, die am Primatenzentrum Göttingen aufgezogen wurden. Auch die Affen werden narkotisiert, ihre Körper auf 30 Grad abgekühlt. Dann wird ihnen ein Schweineherz neben das eigene transplantiert und beide Organe miteinander verknüpft. "Nach Beendigung des Einsetzens werden die beiden Herzen defibrilliert und so wieder aktiviert. Die Affen werden wieder erwärmt und aus der Narkose aufgeweckt", heißt es in der Zusammenfassung.
In der Folgezeit wird den Primaten regelmäßig der Blutdruck gemessen und Blut abgenommen, um die Abwehrreaktion des Körpers zu überwachen. Einigen wurde ein spezielles Messgerät zur Überwachung implantiert, bei anderen wird zweimal die Woche ein Herz-Ultraschall durchgeführt.
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Für alle Tiere endet der Versuch tödlich. Die Schweine sterben bei der Entnahme der "Spenderherzen", die Affen später: Fünf überleben die OP nicht, vier verenden kurz nach dem Eingriff aufgrund der immunsuppressiven Behandlung oder der Operationsmethodik.
"Die restlichen Tiere benötigen ein Sauerstoffzelt um ihre Käfige, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung aufrechterhalten zu können, und leiden an Infektionen", heißt es in dem Bericht. "Viele Tiere sind nach kurzer Zeit in einem schlechten Allgemeinzustand und werden getötet." Todesursache oder Tötungsgrund sind unter anderem: Hirnembolie, Kammerflimmern, Herzversagen, Lungenödem, Lungenversagen, Herzrhythmusstörungen, Blutvergiftung mit Pilzen.
Diese Experimente wurden durch die Regierung von Oberbayern genehmigt. Eine andere LMU-Versuchsreihe stoppte die Behörde hingegen vor einigen Jahren: Dabei wurden fest fixierte Primaten durch Flüssigkeitsentzug zu besonderen Leistungen angetrieben. Nur wenn sie diese erfüllten, bekamen die Tiere etwas zu trinken.