Schwarzbau an 74 Standln auf dem Viktualienmarkt München - wie es jetzt weitergeht
München - Der berühmte Viktualienmarkt - ein Meer aus Schwarzbauten. So kann man zumindest die Übersichtspläne lesen, die die Stadt jetzt im Rahmen der geplanten Sanierung des Markts herausgegeben hat. 74 der insgesamt 107 Stände sollen von den Besitzern demnach umgebaut worden sein - allerdings ohne die notwendige Genehmigung.
Grund für den Ärger ist ein Behörden-Wirrwarr. So haben die Händler ihre An- und Erweiterungsbauten - meistens Vordächer, unter denen zusätzliche Ware ausgelegt wurde - bei den Markthallen beantragt - und dort auch abgenickt bekommen. Nun allerdings pocht die Lokalbaukommission auf ihre Zuständigkeit. Ohne ein gültiges Okay von dort: kein legaler Bau.
Die Stadt hat letztlich also Pacht für eine Fläche kassiert, die offenbar gar nicht legal bebaut war - und das jahrelang.
Standlbesitzer vom Viktualienmarkt: "Wir lassen uns das nicht gefallen!"
Bei den Standl-Betreibern versteht man deshalb nun die Welt nicht mehr. "Wir haben für unsere Ausbauten wie gewöhnlich Genehmigungen der Markthallen bekommen", erzählt etwa Toni Höff, der gemeinsam mit seiner Frau einen Blumenstand am Viktualienmarkt betreibt. Und jetzt sollen die Ausbauten also plötzlich illegal sein?
Die Standlbesitzer gehen deshalb nun auf die Barrikaden. "Wir lassen uns das nicht gefallen", sagt Elke Fett, selbst Standbesitzerin und Sprecherin der Händler vom Viktualienmarkt. Jeder, der etwas an seinem Stand um- oder ausbauen wollte, habe sich bisher mit seinen Bauplänen an die Markthallen gewandt - ganz so, wie es auch in der Satzung für die städtischen Märkte steht. Diese hätten dann darüber entschieden, ob der Antrag genehmigt wird oder nicht. "Egal ob es sich um einen aufwendigen Ausbau handelte oder nur um eine neue Plane", sagt Standlsprecherin Elke Fett. An diese Regelung hätten sich auch immer alle gehalten.
Der Viktualienmarkt von oben, rot markierte Anbauten oder Standerl bewertet die Stadt als Schwarzbau. Foto: Google Maps
Doch jetzt sieht es so aus, als wären die Genehmigungen nichts wert. Denn von der Stadtverwaltung heißt es plötzlich, dass die Markthallen gar nicht zuständig waren. Vielmehr hätte die Lokalbaukommission die Genehmigungen aussprechen müssen. Die 74 umgebauten Standl sind also plötzlich Schwarzbauten.
"Darauf hat uns niemand hingewiesen", sagt Standl-Sprecherin Fett. "Wir wollen, dass der Oberbürgermeister sich einsetzt und Klarheit schafft", fordert sie.
CSU-Abgeordneter: "Das ist ein Skandal!"
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich in der Sache bislang noch nicht zu Wort gemeldet. Dafür aber der Münchner Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger (CSU). "Das ist ein Skandal", sagt er im Gespräch mit der AZ. Für ihn sei es unglaublich, wie mit den Familienbetrieben umgesprungen werde. "Da ist jetzt kein Vertrauen mehr da", so Stefinger.
Einige Händler hätten Tausende oder sogar Millionen Euro in die Sanierung und den Umbau ihrer Standl investiert. Und nun sage die Stadt, das sei nicht genehmigt, schimpft Stefinger.
Axel Markwardt (SPD), der als städtischer Kommunalreferent auch für die Markthallen und somit letzten Endes auch für den Viktualienmarkt zuständig ist, versteht die ganze Aufregung nicht.
Ob jetzt die Markthallen oder die Lokalbaukommission die Anbauten genehmigt hätten, sei letztlich egal, findet er. Die Standlbetreiber hätten in beiden Fällen immer nur für die Fläche Pacht bezahlt, die sie auch tatsächlich genutzt haben. Und den Zuständigkeitskonflikt zwischen den beiden Behörden werde man leicht aus der Welt schaffen. Das sei letztendlich nur ein formaler Akt.
Markwardt versichert: Kein Händler müsse Angst haben, dass die Erweiterungsbauten nun abgerissen würden. Es sei gar nicht im Interesse der Stadt, an der derzeitigen Anmutung des Viktualienmarkts groß etwas zu ändern, sagt der Märkte-Chef.
An großen Änderungen täte die Stadt auch nicht gut. In einem Bürgergutachten haben die Münchner schließlich erst vergangenen Herbst bekundet, wo sie den Viktualienmarkt am gemütlichsten finden. Nämlich da, wo der Markt eng, verwinkelt und ein bisschen chaotisch ist. Die Münchner fühlen sich also genau da wohl, wo besonders viele Anbauten sind - auch, wenn es formal vielleicht Schwarzbauten sind.