Schwabinger 7: So verändern sich die Kneipen

Der Ur-Schwabinger und Galerist Wolfgang Roucka fordert: „Nach dem Abbruch muss der Aufbruch kommen“
München - Wolfgang Roucka plagt eine Schreckensvorstellung: Altschwabing ist zum Museum erklärt worden. Im ehemaligen Arbeitszimmer des ehemaligen Oberbürgermeisters sitzt eine Christian Ude-Wachsfigur am Original-Schreibtisch. Im Zimmer, in dem einst Paul Klee nächtigte, wächst Klee, den die Besucher pflücken dürfen – weil’s Glück bringen soll. Und in der ehemaligen Schwabinger 7 sitzt ein zusammengesunkener Zecher aus Wachs am Tresen. Dekoriert ist das Ganze mit den Gehirnzellen, die die Gäste hier per Alkoholzufuhr vernichtet haben.
Diese Horror-Visionen quälen den Poster-König aus der Feilitzschstraße nicht von ungefähr.
Roucka, der sein Geschäft seit 45 Jahren führt und maßgeblich dazu beigetragen hat, dass das Stadtviertel auch tagsüber Zulauf hat(te), hat die Diskussion über das Ende der Schwabinger 7 und die Folgen sehr genau verfolgt. Und er hat Angst um sein Quartier.
Darum meldet er sich zu Wort – mit einem Ziel: „Schwabing soll Traumstadt bleiben – und nicht zum Albtraum werden.“ Die Proteste im Umfeld der Schwabinger 7 sieht Roucka sehr differenziert. Einmal freut er sich über das Engagement gerade auch junger Menschen: „Das ist dringend notwendig, um weitere Zerstörungen und Vertreibungen zu unterbinden.“
Aber er findet jede Verzögerungstaktik falsch: „Die Bebauung ist genehmigt. Jetzt ist wichtig, dass sie rasch erledigt wird. Und dann müssen die Feilitzschstraße und der Wedekindplatz schwabinggerecht saniert werden.“ Kein Taktieren also um Züge, die längst abgefahren sind – schließlich ist die neue Schwabinger 7 ein paar Häuser weiter schon fast startklar. Sondern lieber ein aufmerksamer Blick in die Zukunft.
Das Motto des 70-jährigen Schwabing-Aktivisten: „Nach dem Abbruch muss die Aufbruchsstimmung kommen!“ Roucka sieht „eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich für den Erhalt Schwabings und seines Mythos’ einzusetzen“. Beispiel Kaulbachstraße 75. Dort arbeitet der Verein „Rettet die Traumstadt“ gerade daran, die ehemalige Wohnung von Oswald Malura auf Dauer für eine kulturelle Nutzung zu sichern.
Mit diplomatischen Verhandlungen, noch ehe die Weichen in die falsche Richtung gestellt wurden. Hoffentlich hilft’s. Ein großes Karree mitten in Altschwabing könnte laut Roucka demnächst ebenfalls zum Problemfall werden: Das Gelände zwischen Sieges-, Franz- und Knollerstraße. Seit Jahren schon stehen die Investoren bei den Besitzern der Immobilien auf der Matte. Dass massive Veränderungen anstehen, klar. Fragt sich nur, in welche Richtung.
Und wann. „Man muss sich rechtzeitig rühren, bevor vollendete Tatsachen geschaffen sind“, so Roucka.
Das bedeutet: Wer sich für den Erhalt Schwabings einsetzen will, muss schon jetzt Kontakt mit den Immobilienbesitzern und der Stadt aufnehmen und die Fragen klären: Was ist vernünftig für den Stadtteil, wenn ein Investor kommt? Welche Nutzung würde Schwabing gut tun – und wie kann man einen falschen Weg verhindern?
Schwabing unter Denkmalschutz zu stellen – das hält der Fotograf für den falschen Weg. Er plädiert für eine Trend-Umkehr. Denn, so Rouckas Beobachtung: „Der Münchner ist nicht mehr gern nach Schwabing gegangen, weil es immer hässlicher geworden ist.“ Bausünden und Immobilienspekulation veränderten das Gesicht „Wahnmochings“. Reihenweise gingen die einschlägigen Treffpunkte den Bach runter, mussten wegen Erfolglosigkeit schließen – Nachteule, Hängematte, Schwabinger Brettl und wie sie alle hießen.
So kann es nicht weiter gehen: „Wir müssen Erhaltenswertes sichern und Neuerungen im Sinne von Schwabing mitgestalten.“ Das Viertel dürfe nicht zur „Insel der teuren Eigentumswohnungen“ werden. Sondern ein lebenswertes Wohn- und Lebenszimmer für alle, gerade auch für Künstler und Lebenskünstler. Noch wird Roucka häufig von Touristen gefragt: „Wo ist eigentlich Schwabing?“ Diese Frage, so hofft der 70-Jährige, soll so bald wie möglich überflüssig werden – „der Tourist soll es selbst merken“.
Dass er und andere, die das Schwabinger Fähnlein hoch halten, als Institution gelten, helfe nicht viel. „Die Leute müssen auch hingehen“, so der 70-Jährige. Das gilt für den Poster-Shop genauso wie für das Schwabinger Podium, das Fendtstüberl oder den Imbiss am Nikolaiplatz. Sie können nur überleben, wenn das Geschäft stimmt – tagsüber und auch in der Nacht.