Schuluniformen: Eine Schule trägt uni

In Poing gibt es jetzt eine Schuluniform: Lehrer und Schüler müssen aus einer eigenen Schul-Kollektion wählen. „Es zählt der Mensch – und nicht das, was er anzieht“.
von  Thomas Gautier
Alle Schüler und Lehrer sind gleich gut angezogen – die Realschule Poing hat gute Erfahrungen gemacht mit ihrer Schuluniform.
Alle Schüler und Lehrer sind gleich gut angezogen – die Realschule Poing hat gute Erfahrungen gemacht mit ihrer Schuluniform. © Realschule Poing

Poing: Lehrer und Schüler müssen aus einer eigenen Schul-Kollektion wählen. „Es zählt der Mensch – und nicht das, was er anzieht“.

München - Der Direktor trägt gern das Modell „Oxfordhemd Langarm“ in Grau. 70 Prozent Baumwolle, 30 Prozent Polyester, mit Button-Down-Kragen, bügelleicht. Dazu bindet sich Matthias Wabner eine graue Krawatte – er hat sogar seinen Hochzeitsanzug mit dem silbernen Logo besticken lassen. „Nicht ganz zur Freude meiner Frau“, sagt der 37-Jährige. „Aber ich bin ja mit der Schule verheiratet.“

Seit diesem Jahr zieht Wabner die gleiche Kleidung an wie seine 20 Lehrer und 212 Schüler – zumindest obenrum. Da trägt jeder stolz den Schriftzug der Realschule Poing auf der linken Brust.
Das ist keine Schuluniform, warnt der Schulleiter. Schließlich gäbe es Blusen, Hemden, T-Shirts, Kapuzenjacken oder Pullis zur Auswahl, und die wiederum in Weiß, Hell- und Dunkelblau. Wer darunter Markenkleidung tragen will, kann das gerne tun – man wird sie nur nicht sehen.

Das ist der eigentliche Grund für die neue Poinger Kleiderordnung. „Jugendliche definieren sich sehr viel über Handys und Kleidung“, sagt Wabner. „Wir wollen zeigen, dass der Mensch im Vordergrund steht.“ Wenn obenrum alle gleich sind, so die Logik, entscheidet nur noch die Persönlichkeit.

Wabner hofft auch, dass die Kinder sich in Halb-Uniform besser mit ihrer Schule identifizieren. Und: Laut Studien seien Schüler in Einheitskluft entspannter – der Sozialdruck sei ja weg. „Und dann konzentrieren sie sich mehr auf den Unterricht.“

Friede, Freude, viel mehr Einser? Das sieht nicht jeder so. Als 2010 Eltern, Lehrer und Schüler die Schulkleidung vorschlugen, waren viele dagegen. Die Entscheidung im März fiel erst nach langen Diskussionen.

Auch danach musste Wabner noch viele Gespräche führen – mit Kritikern, die monierten, man dürfe Kindern nicht vorschreiben, was sie anzuziehen hätten. Oder mit Zweiflern, die sagten: Wer kein teures T-Shirt trägt, kauft sich eben Schmuck oder dicke Uhren. Letztendlich konnte Wabner sie überzeugen. Oder zumindest überreden.

Die Schule gründete einen Modeausschuss, der Schnitte und Farben auswählte. Die Kollektion stellte eine Textilfabrik her und stellte sie in einem Online-Shop zum Verkauf. Im Sommer konnten Schüler dort einkaufen.

80 bis 100 Euro müssen Eltern pro Kind ausgeben, um genug Kleidung zu haben, sagt Wabner. Teuer findet er das nicht. „Ich glaube eher, dass sich viele so den ein- oder anderen teuren Markenartikel sparen.“ Außerdem sei die Kleidung von sehr guter Qualität. „Besonders das Logo ist sehr widerstandsfähig.“

Und wenn einer mal nicht in Uni kommen will? Schließlich darf die Schule juristisch niemanden dazu zwingen. „Dann müssen wir eben ein Gespräch führen“, sagt Wabner vorsichtig. Man habe aber auch Reservekleidung in der Schule. Für alle Fälle.

Nach eineinhalb Monaten und kurz vor den Herbstferien scheinen alle zufrieden zu sein. „Es läuft alles gut“, sagt Wabner. So gut, dass es bald erste Nachahmer geben könnte: „Neulich hat die Nachbarschule uns gefragt, wie wir das alles organisiert haben. Die scheinen Interesse zu haben.“

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