Schule: "Servus ist nicht würdevoll"

Der Münchner Schüler Vincent H. (14) begrüßt seine Mathematiklehrerin mit der traditionellen bairischen Anrede. Die erteilt ihm dafür einen Verweis. Ihre Begründung: Das sei respektlos.
T. Gautier |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Falsch gegrüßt und abgemahnt: Vincent H. (14) hat seine Lehrerin an der Joseph-von Fraunhofer-Realschule mit „Servus“ angeredet – jetzt hat er einen Verweis in seiner Schulakte.
Privat Falsch gegrüßt und abgemahnt: Vincent H. (14) hat seine Lehrerin an der Joseph-von Fraunhofer-Realschule mit „Servus“ angeredet – jetzt hat er einen Verweis in seiner Schulakte.

Der Münchner Schüler Vincent H. (14) begrüßt seine Mathematiklehrerin mit der traditionellen bairischen Anrede. Die erteilt ihm dafür einen Verweis. Ihre Begründung: Das sei respektlos

München - Servus. Das sagt man so, fast täglich, ganz unbedarft. Das Wort stammt ja von hier, es ist ganz natürlich – ein urbairischer Gruß, früher auch im Adel gebräuchlich.

Denkste.

Vincent H. hat sich mit nur einem „Servus” jetzt jede Menge Ärger eingehandelt. So begrüßte der 14-Jährige kürzlich seine Lehrerin an der Staatlichen Joseph-von-Fraunhofer-Realschule in Forstenried. Was dann folgte, war kein Freude „Griaß di” als Antwort – sondern ein schriftlicher Verweis. Ja sauber.

Am Montag, 30. Mai, betritt die Mathelehrerin die 7d in der Realschule. Es ist die fünfte Stunde. Die Klasse steht gemeinsam auf und ruft im Chor: „Guten Morgen, Frau ...”. Nur Vincent nicht. Der sagt „Servus”. Die Lehrerin vernimmt’s und zitiert Vincent nach dem Unterricht ans Lehrerpult. „Sie hat gesagt, dass ,Servus’ respektlos ist”, erzählt Vincent. „Ich sollte mich schriftlich bei ihr entschuldigen.” Und: „Du kriegst auf jeden Fall noch einen Verweis, hat sie zu mir gesagt.”

Das ist keine leere Drohung: Zwei Tage später erhält Vincents Mutter Kerstin H. einen Brief von der Realschule – mit folgendem Text: „Ihr Sohn Vincent H., Klasse 7d, hat die Lehrkraft am 30.05.11 im Unterricht Mathematik mit ,Servus’ begrüßt. Bereits zu Beginn des Schuljahres wurden die Regeln für das Begrüßungsritual festgelegt und zu jeder Stunde wiederholt. Ein solches Verhalten ist respektlos gegenüber der Lehrkraft. Dies kann nicht toleriert werden.”

So steht’s da. Schwarz auf Weiß, auf DIN A4. Ein Verweis gemäß Artikel 86, Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtswesensgesetz, datiert vom 1.Juni. „Da war ich erstmal baff”, sagt Vincents Mutter Kerstin H. Mehr könne sie dazu gar nicht sagen – „ich verstehe es einfach nicht”.

Auch Vincent kann es nicht fassen: „Ich hab’s einfach aus Gaudi gesagt, aber ich hab’s mir nicht vorgenommen, das war auch nicht respektlos gemeint”, sagt der Schüler. Den Verweis findet er zu streng: „Das ist doch ein bisschen übertrieben. Servus ist doch eine ganz normale Begrüßungsform.”

Die Leiterin der Realschule, Lydia Edenhofer, ist da anderer Meinung: „Wir legen Wert auf würdevolle Umgangsformen”, sagt sie auf Anfrage der AZ. „Bei fast 800 Schülern muss man sich an Umgangsregeln halten, die ein angenehmes Miteinander ermöglichen.” Ein „Servus” sei „nicht würdevoll”.

Na gut – aber gleich ein Verweis? „Die Lehrkraft trifft ihre Entscheidung selbst”, sagt die Rektorin. Und was ist nun die korrekte Begrüßung? „Guten Morgen, mit Namen”, sagt Edenhofer. „Oder Grüß Gott”, ebenfalls mit Namen. Hätte es auch beim norddeutschen „Hallo” einen Verweis gegeben? „Dazu sage ich nichts.”

Horst Münzinger, Sprecher des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte, sieht den Servus-Streit in einer Grauzone. Er plädiert für mehr Gelassenheit, sagt aber auch: „Strenggenommen setzt das ,Servus’ ein Duz-Verhältnis voraus.”

Dass es entspannter geht, zeigen andere Lehrer an Vincents Schule: „Zu denen sag’ ich auch mal ,Servus’ – und die grüßen einfach mit ,Servus’ zurück.”

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.