Schuldfähig oder nicht? Psychiater sieht Mängel im Gutachten zu Beate Zschäpe

Ein Gerichtspsychiater, Pedro Faustmann, hat seinem Kollegen Henning Saß im NSU-Prozess Mängel bei der Begutachtung von Beate Zschäpe vorgeworfen.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Angeklagte, Beate Zschäpe. (Archivbild)
dpa Die Angeklagte, Beate Zschäpe. (Archivbild)

München - Bis zum Schluss war im NSU-Prozess am Donnerstag nicht klar, ob das Gericht das psychologische Gutachten über Beate Zschäpe kritisieren lassen würde. Dann aber rief der Vorsitzende Richter den von Zschäpes Verteidigern beauftragten Gegengutachter Pedro Faustmann ohne weitere Diskussion auf. Und der ließ kein gutes Haar an Henning Saß' Einschätzung: Dieser habe an mehreren Stellen im Gutachten suggestiv formuliert oder Sachverhalte nicht eindeutig zugeordnet, so der Bochumer Experte am Donnerstag vor dem Münchner Oberlandesgericht. Saß war vom Gericht bestellt worden, um die Schuldfähigkeit und künftige Gefährlichkeit Zschäpes einzuschätzen.

Faustmann hatte seinen Auftrag von deren Verteidigung erhalten. Der Bochumer Hirnforscher und Psychiater hatte das vom Gerichtssachverständigen Henning Saß verfasste psychiatrische Gutachten über Beate Zschäpe "methodenkritisch" ausgewertet. Zschäpe-Verteidigerin Anja Sturm hat dem Gericht bereits eine 41 Seiten starke schriftliche Vorabfassung des Vortrags übergeben.

Schuldfähig oder nicht? Vom Gutachten hängt für Zschäpe viel ab

Einen sachlichen Fehler hielt Faustmann Saß bei dessen Einschätzung vor, Zschäpe neige dazu, eigenes Fehlverhalten herunterzuspielen oder anderen Personen oder Umständen zuzuordnen. Saß hatte dazu angemerkt, hier seien keine objektiv messbaren Befunde möglich. Faustmann meinte dagegen, es gebe in der Psychologie sehr wohl Kriterien, mit denen eine objektive Messung solcher Verhaltensweisen möglich sei.

Saß habe zudem an mehreren Stellen seines Gutachtens nur subjektive Bewertungen geliefert. So habe er bezweifelt, dass sich aus Zschäpes Einlassungen im Prozess "m.E. nicht überzeugend ableiten" lasse, dass sie ihre "inneren Einstellungen und Verhaltensdispositionen" geändert habe. Schon mit der Kennzeichnung "m.E." (für "meine Einschätzung") werde deutlich: "Es wird eine persönliche Einschätzung mitgeteilt."

Gutachter Saß hat mit der Angeklagten nie gesprochen

Saß hatte Zschäpe am 17. Januar volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Allerdings hatte sie nie mit ihm gesprochen. Er hatte betont, dennoch über viel Material für sein Gutachten zu verfügen.

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. Während dieser Zeit sollen die beiden Männer zehn Menschen in ganz Deutschland erschossen haben. Neun der Opfer waren türkisch- oder griechischstämmige Gewerbetreibende. Das Motiv dafür war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft Fremdenhass. Zschäpe ist wegen Mittäterschaft an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" angeklagt.

Anhörung geht im Mai weiter

Das Gericht unterbrach am Mittag die Anhörung Faustmanns und lud den Wissenschaftler erneut für Mitte Mai. Saß, der die Kritik seines Kollegen im Gerichtssaal verfolgte, bekam am Donnerstag noch keine Gelegenheit zur Erwiderung. Kommende Woche soll der Freiburger Psychiater Joachim Bauer als weiterer Gegengutachter aussagen.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.