Schulden in München: Alle Stadtviertel im Check
Beim Thema Finanzen zieht sich ein Riss durch die Stadt. In Riem und am Hasenbergl sind die Menschen besonders häufig verschuldet. Und: Es trifft immer mehr junge Leute.
MÜNCHEN - Sie sind jung – und sie brauchen Geld: So etwa lässt sich das Ergebnis des neuen Schulden-Atlas 2011 zusammenfassen. Die Untersuchung zeigt: Es sind es vor allem junge Leute unter 30, die sich finanziell übernehmen. Deutschlandweit – aber auch in München. Aktuell ist jeder zwölfte Münchner überschuldet. Diese Quote sank geringfügig um 0,3 Prozent zum Vorjahr, das teilte der Wirtschaftsverein Creditreform gestern in seinem aktuellen Schulden-Atlas mit.
„Wir merken, dass das Publikum in München jünger wird“, sagt Thomas Groher von Creditreform München. „Die jungen Leute übernehmen sich an Add-ons fürs Leben.“ Also durch das Immer-mehr-wollen. Mit dem zweiten Handy oder dem Fitnessstudiovertrag schlittern Studenten und Berufsanfänge oft in die Schuldenfalle – oder auch mit der Finanzierung von Elektronikartikeln. „Flachbildschirm oder Spielekonsolen liegen vorne“, sagt Groher. Eine neue Konsole kostet 200 Euro – ein Betrag, der sich leicht ersparen ließe. „Aber das läppert sich schnell zusammen“, sagt Groher.
Das Thema Überschuldung betrifft den Stadtteil Riem besonders. Beinahe jeder Fünfte (17,88 Prozent) kann in dem Gebiet rund um die Messe seine monatlichen Ausgaben nicht mehr schultern. Der Anteil überschuldeter Menschen ist hier seit 2004 um 3,6 Prozent gestiegen (siehe Interview unten). Der Schuldenriss geht nahezu quer durch die Stadt: Während rund um Nymphenburg, Neuhausen, Schwabing und in Bogenhausen die Betuchten sitzen, sind Randgebiete im Südosten stärker verschuldet. Als verschuldet definiert der Atlas Menschen, die ihren Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit nicht nachkommen können – und denen Banken auch keine Kredite mehr gewähren. Häufigster Grund dafür: Arbeitslosigkeit.
Aber auch eine Scheidung, Krankheit oder ein unbalanciertes Konsumverhalten stürzen Münchner in den Ruin. Ein Problemviertel ist in dieser Hinsicht auch das Hasenbergl: Wie in Riem ist knapp jeder Fünfte (17,89 Prozent) überschuldet. Mehr Schulden zum Vorjahr häuften auch die Bewohner in Trudering, Langwied, Moosach, Solln, Forstenried und Allach an. Vorbildlich ist Isarvorstadt-Ludwigvorstadt: Zwar ist noch jeder Zwölfte überschuldet, aber nirgends sank die Quote seit 2004 so stark wie hier (um 3,7 Prozent).
Das könnte damit zusammenhängen, dass das einstige Scherbenviertel inzwischen angesagt ist bei Gut- und Besserverdienern. Besonders gut stehen Harlaching (4,87 Prozent) Untermenzing (4,88 Prozent) und Maxvorstadt (5,11 Prozent) da. Im bayernweiten Privatschulden-Vergleich rangiert München an vierter Stelle: In Augsburg ist jeder neunte Bürger überschuldet, in Nürnberg und Regensburg jeder zehnte. Besser als den Münchnern geht es den Ingolstädtern und Würzburgern: Hier ist nur jeder 14. bzw. 15. überschuldet.
Primus Bayern, Schlusslicht Bremen
Schönes Bayernland: Hier leben laut dem Schulden- Atlas die wenigsten Menschen, die so verschuldet sind, dass sie eine Privatinsolvenz anmelden müssen: Jeder 14. Bayer hat Schulden, deutschlandweit ist es jeder Zehnte über 18. Neben Bayern schnitten Baden-Württemberg (7,5 Prozent) und Sachsen (8,26 Prozent) gut ab. Schlusslicht ist das Land Bremen mit einer Quote von 12,53 Prozent – jeder siebte Bürger ist dort überschuldet. Bundesweit machen vor allem Bürger im Süden und Osten weniger Schulden als die Bürger im Norden. Insgesamt sind in der Bundesrepublik 6,41 Millionen Bürger in die Schuldenfalle geraten – das sind 80000 weniger als im Vorjahr.
Während mittlerweile ein Viertel der Schuldner unter 30 Jahren ist, fällt auf, dass sich Frauen wesentlich seltener übernehmen als Männer: Mit 4,1 Millionen überschuldeten Männer sind das fast doppelt so viele wie Frauen (2,31 Millionen). Mehr Schulden machte auch die Altersgruppe der über 70-Jährigen. Die Quote bliebt aber mit 0,87 Prozent gering. Für das Jahr 2012 erwartet Creditreform keinen weiteren Rückgang bei den Schulden – bestenfalls eine Stagnation.
„Messestadt – das Sorgenkind“ - Interview mit CSU-Stadtrat Georg Kronawitter
Warum in diesem Stadtteil zunehmend viele Menschen verschuldet sind.
AZ: Herr Kronawitter, die Messestadt hat die höchste Verschuldungsdichte in München und entgegen dem Trend in der Stadt den höchsten Zuwachs an Schuldnern. Woher kommt das eigentlich?
GEORG KRONAWITTER: Die Arbeitslosenzahl ist nicht so gravierend hoch. Das bedeutet also, dass die Menschen in schlecht bezahlten Jobs arbeiten und deshalb auf keinen grünen Zweig kommen.
Deshalb muss man aber nicht dermaßen überschuldet sein.
Es kann auch damit zu tun haben, dass speziell die Jugendlichen mit noch moderneren Handys und anderem teuren Schnickschnack die Familien in die Verschuldung treiben. An den Mieten kann es nicht liegen, die sind in aller Regel niedrig.
Und wie steht es um die Sozialstruktur?
Die Messestadt ist seit Jahren das Sorgenkind des Bezirksausschusses. Rund 50 Prozent der Wohnungen sind im München Modell oder Sozialwohnungen. Also leben dort viele Familien, die Unterstützung bekommen. Die SPD hat damals damit geprahlt, die Messestadt werde ein sozialdemokratischer Musterstadtteil. Ich denke, dass das Problem auch mit diesem Sozialmix zusammenhängt. Wir haben da eine sehr hohe soziale Interventionsdichte.
Das heißt?
Das Sozialreferat hat dort sehr viel Arbeit.
Was muss getan werden?
Man muss in die Strukturen eingreifen, damit die Armut nicht in die nächste Generation vererbt wird.
Merkt man im Viertel die große Armut?
Die Menschen outen sich nicht, sie igeln sich in ihrer Wohnung ein. Aber man sieht schon den Unterschied, ob man durch Trudering oder durch die Messestadt geht.
Wege aus den Schulden - Die wichtigsten Fragen zur Verschuldung: Beraterin Erika Schilz klärt auf.
Wer Schulden hat, macht es oft wie der Vogel Strauß: Er steckt den Kopf in den Sand. Das ist die Erfahrung der Schuldnerberater. Wird man jedoch frühzeitig aktiv und holt sich Hilfe, gibt es Wege aus der Schuldenfalle. Hier die Tipps von Schuldnerberaterin Erika Schilz der Stadt München.
Was kann ich tun, um Schulden zu vermeiden?
Überlegen Sie sich: Was brauche ich wirklich? Erstellen Sie eine Liste mit Einnahmen und Ausgaben. Sind Ihre Ausgaben höher als Ihre Einkünfte, ziehen Sie die Bremse! Halten Sie auch sonst mit Ihrem Geld haus: Rechnen Sie halbjährlich fällig werdende Zahlungen auf den Monat um und zählen Sie diese zu Ihren Fixkosten. Dann werden Sie am Ende des Monats nicht von großen Rechnungen überrascht.
Wann gilt man als überschuldet?
Wenn Sie neben den laufenden existenziellen Lebenshaltungskosten keine darüber hinausgehenden Zahlungen leisten können, sind Sie überschuldet.
Gibt es schon vorher Indizien?
Wenn Ihr Girokonto permanent überzogen ist und Sie deshalb womöglich einen Kredit aufnehmen. Oder Sie Angst haben, Briefe zu öffnen, sollten Sie sich Hilfe holen.
Wie erkenne ich einen seriösen Schuldnerberater?
Kontaktieren Sie Berater der Kommune oder von Verbänden (Caritas, AWO, BRK). Bei gewerblichen Schuldnerberatern sollten Sie vorsichtig sein.
Wie lange muss ich auf einen Termin warten?
In der Regel drei bis fünf Monate. Deshalb sollten Sie ein Schuldenproblem frühzeitig erkennen und aktiv werden.
Was kann ich tun, während ich auf einen Termin warte?
Öffnen Sie Ihre Post und verschaffen Sie sich einen Überblick über die Situation. Teilen Sie Ihren Gläubigern mit, wie es finanziell um Sie steht. Sofern es möglich ist, versuchen Sie, in kleinen Raten einen Teil der Schulden zu bezahlen.
Gibt es auch telefonische Schuldnerberatung?
Die Stadt München bietet auch eine Telefonberatung an. Hier können Sie Fragen stellen und konkret absprechen, was Sie bis zu Ihrem Termin tun können: 23324353.
Gibt es Unterstützung vom Staat?
Sie können prüfen lassen, ob Sie Anspruch auf Sozialleistungen haben, bei Geringverdienern ist das manchmal der Fall.