Schul-Mängel: Unterricht im Indianer-Tipi

Heruntergekommen, vergammelt, zu eng – das ist die Situation an vielen Münchner Schulen. Was die Stadt dagegen tut, welche Schuilen betroffen sind.
München - Am Mittwoch beginnen in Bayern die von Schülern ersehnten Sommerferien. Doch in manchen Münchner Schulen wird es in den sechs Wochen hoch her gehen. An ihnen sind Sanierungsmaßnahmen vorgesehen. Und die sind auch dringend notwendig, wie dieser AZ-Report zeigt. Verschimmelte Wände, völlig versiffte Toiletten, offen liegende elektrische Leitungen, Unterricht im modrig riechenden Kellerraum ohne Tageslicht – die Mängelliste ist lang, mit der die AZ vor kurzem die Marieluise-Fleißer-Realschule genannte „Bruchbude“ an der Schwanthalerstraße beschrieb. Doch das Gebäude ist nicht das einzige Schulhaus in München, das in einem unzumutbaren Zustand ist - und das teilweise seit vielen Jahren. Die AZ hat nach diesem Artikel viele Informationen von Lesern, Schulen und Politikern bekommen. Hier die eine kleine Auswahl:
Grund-/Mittelschule an der Zielstattstraße:
Seit 25 Jahren gibt es Baupläne für einen Um-/Neubau des Gebäudes. Das Haus ist in einem „desolaten Zustand“, beschreibt Schülermutter Susanne Herzberger, die Situation. mangelhafte Isolierung und fehlende Jalousien hätten zum Beispiel jüngst zu hitzefrei geführt, weil die Temperaturen in einigen Räumen um 8 Uhr schon 30 Grad und mehr betrugen. Im Winter müssen die Kinder dick angezogen werden, weil die Räume nicht richtig heizbar sind. Die Vorsitzende des Elternbeirats, Frau Wilhelm kann die Mängelliste noch ergänzen: „Viele Fenster sind nicht dicht, in manche regnet es herein. Da großer Bedarf an Ganztagesunterricht besteht, herrscht eklatanter Raummangel. Zum Glück werden jetzt die schlimmsten Mängel in der Turnhalle behoben.“ Das städtische Bildungsreferat erklärte dazu gegenüber der AZ: „In Planung befindet sich die Sanierung der Fenster und der Fassade. Außerdem ist aufgrund des bis zum Jahr 2025 prognostizierten Anstiegs der Schülerzahlen eine Erweiterung der Grundschule von derzeit neun Klassen auf 20 Klassen geplant.“
Grundschule an der Oberföhringer Straße:
Von außen wirkt die Schule intakt, doch Schülervater Matthias Weigel, weiß, wie es im Inneren ausschaut: „In der Schule können Fenster nicht geöffnet werden, da sie sonst aus der Verankerung fallen. Die Toiletten sind etwa 40 Jahre alt. Die Wärmedämmung ist eine Katastrophe, Klassenräume sind im Keller untergebracht. Eine Mensa fehlt.“ Bis an dieser Schule etwas geschieht, werden allerdings einige Jahre vergehen. Erklärung des Bildungsreferates: „Für dieses Schulgebäude wird derzeit eine Generalinstandsetzung vorbereitet, nach Abschluss der notwendigen Verfahren beginnen die Bauarbeiten in 2016.“
Asam-Gymnasium in der Schlierseestraße:
Vorherrschendes Problem ist hier, so schildert es die CSU-Stadträtin Mechthilde Wittmann der AZ, die Raumnot. Das Gymnasium mit 1050 Schülern platzt aus allen Nähten. Jahrelange Bemühungen um 20 zusätzliche Räume scheiterten - zuletzt im Jahr 2010 an OB Christian Ude. Der erklärte, dies sei weder „räumlich noch finanziell“ zu realisieren. Auch zwei Jahre später erhielt die Schule eine ähnliche Antwort von Bürgermeisterin Christine Strobl. Allerdings: Ein Architekt hat bescheinigt, dass es den Platz durchaus gebe - durch Anbauten und Aufstockung.
Grundschule an der Senftenauer Straße:
Das größte Problem der mehr als 50 Jahre alten Schule ist die Wärme- und Kälteisolierung. Undichte Fenster, ständig reparaturanfällige Rollos stürzen Schüler und Lehrer in ein Wechselbad der Temperaturen. Mal ist es in den Räumen viel zu heiß, mal viel zu kalt, schildert eine Schülermutter die Situation. Nicht ganz so problematisch sieht der Elternbeiratsvorsitzende dieser Schule die Situation. Robert Feja zur AZ: „Wir haben das Gefühl, dass sich die Situation langsam verbessert, dank der Eigeninitiative von Eltern, der Arbeit des Haustechnikers aber auch Maßnahmen der Stadt.“ Und Ursula Oberhuber vom Referat für Bildung und Sport ergänzt: „Der Eingangsbereich der Schule wurde in den letzten Jahren barrierefrei umgebaut, die Pausenhalle umfassend saniert. Mittelfristig sind eine Reihe weiterer Sanierungsmaßnahmen vorgesehen. Dazu gehören energetische Sanierungen, der Abriss und Neubau der Sporthalle und die Sanierung der sanitären Anlagen. Der konkrete Baubeginn steht derzeit noch nicht fest.“
Grund- und Mittelschule an der Fürstenrieder Straße:
Hier gilt: Außen hui, innen pfui. Das markante, die Umgebung dominierende Gebäude ist 100 Jahre alt – und so schaut es auch im Inneren aus. In den extrem hohen Räumen hallt es sehr stark, dem Unterricht ist manchmal nur schwer zu folgen, obwohl jetzt – nach Jahrzehnten – schallschluckende Decken eingezogen wurden. Das Lehrerzimmer ist zu klein, der Raum für die Mittagsbetreuung ebenfalls. Eine Aula gibt es auch hier nicht. Eine Sprecherin des Elternbeirates beklagt gegenüber der AZ auch den extremen Platzmangel, der durch die Ganztagesbetreuung von Kindern entsteht, durch einen neu eingerichteten M-Zweig und durch die starke Zunahme der Schülerzahl an der Grundschule. In den oberen Räumen sei es sehr heiß, die Räume oft zu hellhörig. Das zuständige Referat will jetzt teilweise Abhilfe schaffen – auch mit einer sehr unkonventionellen Maßnahme. Ursula Oberhuber: „An dieser Schule geht es vor allem um einen Bedarf an zusätzlichen Räumen für Ganztagsklassen und Hort. Deshalb wird derzeit geprüft, ob ein Ergänzungsbau auf einem angrenzenden städtischen Grundstück an der Agnes-Bernauer-Straße möglich ist. Um eine kurzfristige Entspannung der Raumsituation zu erhalten, wird ein Indianer-Tipi aufgestellt. Im Rahmen eines naturpädagogischen Konzepts wird dieses in die ganztägige Betreuung der Kinder mit einbezogen.“
Realschule an der Blutenburg:
Dort werden 19 Klassen in 13 Zimmern unterrichtet. Wanderklassen ziehen den ganzen Tag von freiem Raum zu freiem Raum, beklagt Stadträtin Wittmann. Und die Elternbeiratsvorsitzende Anna Daimer ergänzt gegenüber der AZ diese Mängelliste. Weil es keine Aula gibt, müssen die Pausen bei schlechtem Wetter in viel zu engen Gängen stattfinden. Einige Fachräume sind im teilweise baufälligen Keller untergebracht. Da eine Schulküche fehlt, müssen die Schüler für den Unterricht in „Haushalt und Ernährung“ in eine andere Schule transportiert werden. Anna Daimer: „Seit vielen Jahren ist der Bau eines neuen Schulgebäudes im Gespräch, ohne dass bisher etwas geschehen ist.“ Seit 1990 stehen zwei von der Stadt aufgestellte Holzpavillons. Damals hieß es zu „zur kurzfristigen Überbrückung von zwei Jahren." Werkeln werden Handwerker in den Ferien auch in der Marieluise-Fleißer-Realschule und der dortigen Grundschule. Dort werden, so das Bildungsreferat, „diverse Maßnahmen, wie zum Beispiel der Austausch von WC-Schüsseln und Malerarbeiten vorgenommen“. Auch in diesem Schulgebäude werden die gröbsten Mängel noch einige Jahre nur übertüncht. Da die Realschule aus allen Nähten platzt, aber nicht erweitert werden kann, ist ein Neubau an anderer Stelle geplant – der kann aber frühestens 2018 bezogen werden. Keiner Schuld an der miserablen Schulsituation ist sich die Stadt bewusst. Bürgermeisterin Christine Strobl zur AZ: „Die Stadt München wendet für den Bauunterhalt der öffentlichen Schulen und Kindertageseinrichtungen enorme Summen auf. Der laufende Bauunterhalt allein ist mit 60 Millionen Euro pro Jahr ausgestattet. An den Schulen wird sehr viel gemacht – jetzt in den Sommerferien zum Beispiel laufen 343 Sanierungsmaßnahmen." Man darf gespannt sein, was sich nach den Ferien in den Schulen alles getan hat.