Schüsse in München-Trudering: Wann darf ein Polizist die Pistole abfeuern?
Ein Beamter hat in Trudering auf einen BMW geschossen. Nun ermitteln die Kollegen.
München - Der Polizeibeamte (41), der Mittwochmittag in der belebten Truderinger Straße drei Mal auf ein fahrendes Auto geschossen hat, muss sich einer Prüfung stellen. Die Mordkommission - wie in solchen Fällen üblich - ermittelt, ob der polizeiliche Schusswaffengebrauch rechtmäßig war. Eine Notwehrsituation liegt nach derzeitigem Sachstand nicht vor. Hat der Polizeibeamte überreagiert?
Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins: "Es gibt klare Regeln für Polizisten, wann ein Schusswaffengebrauch gerechtfertigt ist." Gerechtfertigt sind Schüsse aus einer Polizeiwaffe bei Verbrechen – nicht jedoch bei einem Vergehen.
Die Vorgeschichte: Laut Polizei hatten drei Täter dem Juwelier in der Truderinger Straße insgesamt sechs Mal Zahngold angeboten. Der Geschäftsmann zahlte ihnen dafür 10.000 Euro. Beim Einschmelzen des vermeintlichen Edelmetalls stellte sich jedoch heraus, dass das Gold falsch war. Der Juwelier schaltete die Polizei ein. Als sich die Betrüger erneut bei ihm ankündigten, rückten zwei Zivilbeamte aus. Einer wartete mit dem Inhaber im Geschäft. Der zweite bezog draußen Stellung. Beide trugen Zivilkleidung.
Polizist trifft Reifen und Seitenscheibe
Die Festnahme des unbewaffneten Betrügers (25) im Geschäft ging ohne großes Aufsehen über die Bühne. Doch als der zweite Beamte den mutmaßlichen Komplizen fassen wollte, der im Auto wartete, eskalierte die Situation. Der BMW-Fahrer trat aufs Gas und flüchtete. Der Polizist zog seine Waffe und feuerte drei Mal auf den BMW, um ihn zu stoppen. Die Geschosse trafen einen Reifen und eine hintere Seitenscheibe. Ob der BMW-Fahrer verletzt wurde, ist unklar. Er wurde bislang nicht gefasst.
Laut Polizeisprecher Martins könne der Goldbetrug als gewerbsmäßiger Bandenbetrug und damit als Verbrechen gewertet werden. Das würde den Schusswaffengebrauch rechtfertigen.
Der Münchner Strafrechtsexperte Thomas Pfister sieht das kritisch. "Selbst wenn von einem Verbrechenstatbestand ausgegangen werden könnte, war der Schusswaffengebrauch in dieser Situation unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Der Polizeibeamte hat mit dem Schuss durch die Scheibe des fahrenden Autos den Tod eines Verdächtigen zumindest in Kauf genommen, obwohl dieser nicht einmal eine Beute erzielt hatte. Hinzu kommt, dass der Fahrer durch die Schüsse die Kontrolle über sein Fahrzeug hätte verlieren können. Es hätte wie ein Geschoss in eine Menschenmenge rasen können."
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