»Schröder schuld am Erfolg der Linken«

Christian Ude ist seit 15 Jahren Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München. Seine Wiederwahl am 2. März gilt als sicher. Der 60-Jährige im AZ-Interview über die Veränderungen im Parteiengefüge.
von  Abendzeitung
Hofft auf ein Münchner Derby im DFB-Pokal-Finale: OB Christian Ude.
Hofft auf ein Münchner Derby im DFB-Pokal-Finale: OB Christian Ude. © dpa

Christian Ude ist seit 15 Jahren Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München. Seine Wiederwahl am 2. März gilt als sicher. Der 60-Jährige im AZ-Interview über die Veränderungen im Parteiengefüge.

AZ: Hannover, Hessen, Hamburg: Es wird immer deutlicher, dass es linke Mehrheiten gibt...

CHRISTIAN UDE: Es gibt eine Änderung des Parteiengefüges, das kann niemand bestreiten. Aber es ist die Frage, wie lange das anhält. Ich sehe die Linke als ein Ergebnis der Schröderschen Regierungszeit – insofern, als die Agendapolitik der Hauptmotor für viele Übertritte und Parteiaktivitäten der Linken gewesen ist. Ich glaube, dass sie heute, wo die SPD glaubwürdig für den Mindestlohn kämpft, gar nicht mehr entstehen würde. Aber sie ist entstanden und man wird wohl mittelfristig mit ihr rechnen müssen.

Wenn eine Mehrheit der Wähler linke Politik will, ist es dann richtig, die Linke zu verteufeln?

Die Linke möchte ja gar keine Regierungsverantwortung übernehmen. Würde sie das wollen, dürfte sie nicht alle versprengten Altkommunisten, die überhaupt nur greifbar sind, auf ihrer Liste prominent platzieren. Leider hat sie das aber getan. Und von dieser Realität müssen wir ausgehen.

Also gilt: Lieber den Konservativen das Feld überlassen, als mit den Linken zu kooperieren?

Wenn man eine soziale Politik möchte, muss man natürlich versuchen, linke Mehrheiten zustande zu bringen. Aber dabei darf nicht die Glaubwürdigkeit verloren gehen. Wenn man vor der Wahl ganz unmissverständliche Aussagen und Zusagen gemacht hat, muss man dazu stehen. Denn unter nichts leidet die deutsche Politik mehr als unter dem Verlust der Glaubwürdigkeit.

Auch die Grünen galten früher als nicht salonfähig und sind jetzt etabliert... Wird das der Weg der Linken sein?

Ich kann mir bei den Linken beides vorstellen. Dass sie nach einigen Rückschlägen – zum Beispiel bei der Landtagswahl in Bayern – feststellen, dass mit den Sektierern, die sich in den Vordergrund gespielt haben, dauerhafte Politik nicht möglich ist. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sie nach dem Einzug in mehrere Landesparlamente eine ernsthafte politische Kraft werden, was sie zum Beispiel in Berlin schon sind.

Wie ist es den Linkswählern vermittelbar, dass die SPD der Linken derzeit so deutliche Absagen erteilt?

Die Wähler der Linken sind ja nun weiß Gott keine Kommunisten – kein Mensch würde ernsthaft behaupten, dass in Hamburg sieben Prozent Anhänger des Weltkommunismus herumlaufen. Das sind zu gleichen Teilen frühere SPD-Wähler oder Nichtwähler, die schon länger über unsoziale Entwicklungen verbittert sind. Man sollte diese Wähler und ihren Wunsch nach einer gesellschaftskritischeren Kraft nicht dämonisieren.

Tut die SPD das denn im Moment nicht?

Mit Schwüren für alle Zukunft würde sie das tun. Aber wenn man realistisch sagt, mit den Stadtratskandidaten, die jetzt auf der Liste stehen, oder mit den Hamburger Kandidaten, die zur Wahl standen, kann man eine Großstadt nicht regieren – das halte ich für eine zutreffende Einschätzung. Wer einen Claus Schreer in München als Prominentesten auf die Liste setzt, kann nicht ernsthaft glauben, dass das für die SPD ein Angebot zur Zusammenarbeit ist.

Interview: Julia Lenders

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