Schrebergärten: Grünes Glück mitten in der Stadt
München - Freitagnachmittag. Es ist bewölkt, trotzdem geht das kleine eiserne Tor an der Kaadener Straße 30 immer wieder auf und zu. Der Kiesweg knirscht unter den Schritten. Giorgos Tziafeta kniet auf dem Boden. Er harkt, recht und siebt die Kieselsteine vor dem Eingang seines Kleingartens in Milbertshofen.
Dass er seinen Feierabend einmal gerne mit den Händen im Dreck verbringen würde, wäre dem Elektroingenieur früher nicht eingefallen. Doch so eine kleine grüne Oase inmitten der Stadt will gepflegt werden – schon seit drei Jahren. "Am Anfang sieht man alles romantisch. Man unterschätzt, wie viel Arbeit so ein Garten macht", sagt er. Die wird im Haushalt Tziafeta selbstverständlich geteilt. Frau Eleni, die Kinder Christopheros und Orpheas aber auch Eltern und Geschwister packen mit an. Wenn man berufstätig sei, noch andere Hobbys habe und vielleicht auch mal in den Urlaub gehen wolle, ginge das gar nicht anders.
Taschengeld fürs Unkraut jäten
Damit alle motiviert bleiben, bleiben die Kleingärtner erfinderisch. Gegen Taschengeld geht den Kindern die Harke gegen das Unkraut wesentlich leichter ins Beet. Andere erobern sich schleichend ihren Raum. "Meine Schwester breitet sich mit ihrem Kräuterbeet jedes Jahr ein bisschen weiter aus", sagt Eleni Tziafeta schmunzelnd.
Sie war es, die sich um das Kleinod im Münchner Norden bemühte, wenn auch etwas umständlich. Ein Freund hatte sie vor zehn Jahren während des Sommers zum Gießen in seinem Garten abbestellt. Eleni Tziafeta gefiel's. Daraufhin wurde sie beim Verein Nord-Ost 53 vorstellig, meldete sich an, bekam das erste Kind und hörte: nichts. Erst 2014 rührte sie sich erneut, inzwischen war der zweite Sohn geboren. Weil keine Beiträge mehr auf das Vereinskonto eingegangen waren, ruhte die Mitgliedschaft. Sie wurde wieder aufgenommen. Knapp drei Jahre später (für München eine übliche Wartezeit) kam dann der Anruf: Parzelle 84, die wäre frei.

Äpfel und Birnen im Schrebergarten
280 Quadratmeter, eine 40 Jahre alte Laube und viele Ideen: Bei Tziafetas gibt es keine klassische Rollenteilung. Alle machen alles. Streit gibt es selten. Wenn überhaupt, findet der nicht in der Siedlung, sondern daheim in der Schwabinger Wohnung statt, wenn das kommende Gartenjahr geplant wird. "Über die Farbe des Häuschens haben wir lange diskutiert und zig Farbproben geholt, bis es nun so blau ist, wie heute", sagt Eleni Tziafeta.
Ansonsten sei in den vergangenen drei Jahren noch nicht viel schief gegangen. Die Rosen sind heuer schön geworden. Im vergangenen Jahr war die Apfel-und Birnenernte besser. Am Mandelbäumchen hängen zwei Nüsse, ein Eichhörnchen benutzt den Garten als Durchgang. "Irgendwo bei einem Nachbarn muss es etwas Gutes geben", sagt Eleni Tziafeta.
Durch das Lesen über die verschiedenen Anbauweisen werde man richtig zum Gartenexperten, sind beide einig. "Bei schwierigen Projekten ist es sinnvoll, die Nachbarn zu befragen. Die haben zum Teil jahrzehntelang Erfahrung", sagt Giorgos Tziafeta. Es sei wie in einem kleinen Dorf in der Anlage.

Auch Erholung muss im Kleingarten sein
Von Schrebergartenklischees und dem Kampf am Gartenzaun wissen Tziafetas nichts zu berichten. Klar, wenn man zu laut während der Mittagszeit renoviere, komme schon einmal ein Nachbar vorbei und erinnere an die Gartenordnung – ähnlich wie in der Mietwohnung auch. Ansonsten funktioniere die Gemeinschaft sehr gut.
Am Ende sind die Gartler ja nicht nur zum Jäten und Zupfen da, sondern auch zum Entspannen. So steht es sogar im Bundeskleingartengesetz. Während je ein Drittel des Grüns dem Obst- und Gemüseanbau sowie der Laube vorbehalten sind, dient das letzte Drittel ausdrücklich der Erholung.
"Ich habe hier im letzten Sommer zum ersten Mal ein Glühwürmchen gesehen", sagt Eleni Tziafeta und fügt hinzu: "Man kommt dem Rhythmus der Natur näher. Das ist so schön."
Und damit das auch so bleibt, geht es nach einem Abstecher an die Johannisbeerhecke wieder mit den Händen in die Erde – damit das Feierabend-Bier noch besser schmeckt.
Neue Serie: Die AZ geht ins Grüne
Keine Großstadt in Deutschland ist so versiegelt, man könnte auch salopp sagen zubetoniert, wie München. Doch es gibt sie, die kleinen grünen Fleckerl, an denen Menschen Samen ausbringen, jäten, Blumen schneiden und Tomaten ernten.
In der neuen AZ-Serie "Lust auf Grün" stellen wir Ihnen in fünf Folgen vor, wo man in München jenseits des eigenen Gartens oder Balkons garteln kann. Wir schauen in die Kleingartensiedlungen, stellen alternative Pflanz-Projekte vor, widmen uns dem Mundraub – und schauen, wo in München unkonventionell gesät wird.
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