Schrauber-Krise in München: Kfz-Werkstätten in großen Schwierigkeiten

München - Kfz-Werkstätten haben es schwer in München. Die Mieten sind auch hier dramatisch hoch. Dort, wo Alteingesessene vielleicht noch eine Nische gefunden haben, werden sie immer häufiger vertrieben, weil der Eigentümer doch lieber Wohnungen bauen will.
Dazu kommt der Ärger mit den großen Autoherstellern, die den unabhängigen Schraubern den Arbeitsalltag immer komplizierter machen, nicht nur durch fehlende Ersatzteile.
Die AZ hat drei Werkstätten besucht und sich erklären lassen, wo die Automechaniker Probleme sehen und warum sie trotzdem gerne an Pkw werkeln.
Patrick Timmerbeil (53), PT Autoservice: "Einfache Reparaturen werden schwieriger"
"Bis 2013 waren wir mit unserer Werkstatt in Neuhausen, in der Alten Postwerkstatt. Aber da mussten wir raus, weil der Eigentümer bauen wollte. Seitdem sind wir in Moosach. Das passiert uns Werkstätten-Betreibern häufig: Fast überall, wo früher mal eine Werkstatt war, wird jetzt gebaut.

Die alten Eigentümer sterben und vererben die Häuser an ihre Kinder. Die wollen dann mehr Geld sehen - und Geld lässt sich mit Wohnungen einfacher machen als mit Werkstätten. Also fliegt die Werkstatt raus und wird durch Wohnungen ersetzt. Die Leute, die zu mir kommen, das sind die, die ihr Auto gerne länger als drei oder fünf Jahre behalten wollen. Das ist inzwischen gar nicht mehr üblich.
Die meisten Menschen wollen lieber alle paar Jahre ein neues Auto. Von den Herstellern wird das befeuert, indem sie die Reparatur immer weiter verkomplizieren. Klar, die Industrie ist halt daran interessiert, viele neue Autos zu verkaufen. Und was wir machen, ist das direkte Gegenteil: Wir sorgen dafür, dass die Autos, die es schon gibt, länger fahren können.
Ich sehe im Kfz-Bereich eine klare Tendenz: Es wird immer schwieriger, einfache Reparaturen durchzuführen. Die Hersteller selber machen so etwas gar nicht mehr. Die halten sich nicht mit der Reparatur von einzelnen Teilen auf, da geht nur der Komplett-Austausch. Zum Beispiel bei den Kühlwasser-Schläuchen: Wenn nur ein kleiner Schlauch kaputt ist, würde es eigentlich reichen, den auszutauschen. Aber einzeln kann man solche Schläuche gar nicht mehr kaufen. Man kriegt im Handel nur ein Schlauchpaket; das heißt, man muss entweder gleich alle Schläuche austauschen - oder man verwendet nur den, den man braucht und schmeißt den Rest weg. Der Trend geht zu riesigen Einheiten im Einzelteil-Verkauf.
Eigentlich ist das, was wir machen, damit viel nachhaltiger. Aber die Politik und die Hersteller versuchen es immer so darzustellen, als seien neue Autos gut für die Umwelt. So wie mit der Abwrackprämie, die ja auch Umweltprämie genannt worden ist. Als sei es toll für die Umwelt, wenn man ein neues Auto kauft."
Erich Oswald (62), Auto Dovrak: "In München bekommt man keine Werkstätten mehr"
"Die großen Marken versuchen immer wieder, uns freien Werkstätten das Arbeiten unmöglich zu machen. Mit immer neuen Schrauben, neuem Werkzeug und Leasing-Verträgen. Oder mit den Steuergeräten: Früher hat man die einfach eingebaut und alles war in Ordnung. Dann haben die großen Marken eingeführt, dass man einen Tester brauchte, mit dem man die Steuergeräte anlernen musste. Das hat schon alles komplizierter gemacht. Und jetzt muss man sie seit einiger Zeit mit dem Werk verbinden - ein Steuergerät für einen BMW anzulernen, ohne es mit dem BMW-Werk zu verbinden, ist unmöglich geworden. All das produziert Kopfschmerzen und Probleme. Viele Betreiber von kleinen Werkstätten halten es irgendwann nicht mehr aus und machen zu.

Wobei ich sagen muss: Bei uns läuft es eigentlich ganz gut. Dass wir eine freie Werkstatt sind, verschafft uns nämlich auch durchaus Vorteile gegenüber den großen Marken. Zum einen sind wir günstiger - und zum anderen kriegt man bei uns schneller einen Termin. Wenn man bei BMW anruft, dann kriegt man einen Termin irgendwann nächste Woche um 10.45 Uhr. Wer da keine Zeit hat, weil er arbeiten muss, hat Pech gehabt. Das liegt sicher auch daran, wie die Markenwerkstätten arbeiten: Sie sehen immer überall noch mehr Geld, das man machen könnte, wenn man nur ein paar Leute entlassen würde. Und dann kommt ein neuer Niederlassungs-Leiter, der will sein Portfolio aufpolieren, schmeißt ein paar Leute raus - und am Ende sind nicht mehr genug Angestellte übrig, um die Kunden bedienen zu können.
Das einzige Problem, das wirklich schwer in den Griff zu bekommen ist, sind die Mieten. Die steigen immer weiter. 25.000 Euro Miete sind inzwischen fast normal. Das bedeutet: In München kriegt man keine Werkstätten mehr. Neueröffnungen? Fehlanzeige. Die Stadt drängt die kleinen Handwerksbetriebe Stück für Stück aus dem Stadtgebiet.
Trotzdem ist für mich klar: Ich würde mich nie an eine Marke binden. Seit 42 Jahren bin ich im Geschäft und seitdem in freien Werkstätten. Und ich würde es immer wieder so machen."
Ahmet Ertürk (52), Hobbywerkstatt Feldkirchen: "Ich werde für Eigentumswohnungen vertrieben"
"Mein Schicksal scheint es zu sein, für Eigentumswohnungen vertrieben zu werden. Vier Mal ist mir das jetzt schon passiert: Der Eigentümer entscheidet, dass er Wohnungen bauen möchte - und kündigt meinen Vertrag. Ich war mit meiner Hobbywerkstatt schon am Fasangarten, in Haidhausen und in Giesing. 2019 musste ich nach Feldkirchen umziehen. Der Vermieter meiner Werkstatt in Giesing hatte entschieden, dass er lieber Wohnungen bauen möchte. Die Miete hier ist ziemlich hoch. Wenn ich alles zusammenrechne, komme ich auf fast 10.000 Euro Monatsmiete. Das bedeutet einen permanenten Kampf für mich. Aktuell gehe ich morgens um acht aus dem Haus, arbeite bis zehn Uhr abends und putze danach noch die Werkstatt.

Früher, in der Türkei, hatte ich einen Meisterbetrieb. Aber als ich in den 90er Jahren nach Deutschland gezogen bin, da wurde mein Diplom nicht anerkannt. Eine neue Meisterwerkstatt war deshalb keine Option. Also habe ich eine Hobbywerkstatt aufgemacht. Da können die Leute ihre Autos selber reparieren - und wenn sie nicht weiter kommen, dann helfe ich ihnen.
Aber in den letzten Jahren ist alles sehr schwierig geworden. Die Leute kaufen die Ersatzteile jetzt oft im Internet statt bei mir. Sie machen ihren Auto-Meister auf Youtube und denken dann, sie wüssten genau, was sie bestellen müssen. Bei mir würden sie die Ersatzteile auch billiger bekommen; als gewerblicher Kunde kann ich Sachen, die eigentlich 100 Euro kosten, für 80 kaufen.
Aber Meister Youtube sagt, die Leute sollen besser für 40 Euro im Internet bestellen. Oft kaufen sie dann das Falsche und bekommen ihr Auto nicht mehr an. Dann wollen sie es tagelang auf meiner Hebebühne stehen lassen, ohne Miete zu bezahlen. Am Ende muss ich dann einspringen und doch helfen.
Man spürt die Krise wirklich stark. Die Leute zählen nicht mehr jeden Euro, sie zählen jeden Cent. Sie wollen die Mehrwertsteuer nicht zahlen, manchmal werden sie aggressiv. Ich verstehe das, die Leute haben kein Geld, viele sind in Kurzarbeit. Aber was soll ich machen?
Als der Lockdown begonnen hat, musste ich meine Werkstatt zeitweise schließen. Aber Corona-Hilfen habe ich trotzdem nicht bekommen. Die Bundesregierung sagt, sie wollte Betrieben helfen, die durch die Corona-Krise Probleme bekommen haben - aber ich habe nie irgendetwas von dieser Hilfe gesehen.
Wenn das so weiter geht, werde ich irgendwann zumachen müssen. Aber noch kämpfe ich. Es geht auch nicht anders. Ich habe drei Kinder, ich habe so viel investiert, ich bin jetzt 52 Jahre alt - so lange ich kann, werde ich kämpfen."