Schranne: Geschichte einer Halle

Sie stand einst für das aufstrebende und moderne München. Später wurde sie ein Synonym für Missplanung und Pleite. Die Geschichte der Schranne in Bildern.
von  az

München - Der Münchner an sich ist ja nicht leicht in Euphorie zu versetzen, da muss schon erst gescheid hingeschaut werden. Ab heute können die Münchner das tun, im Herzen der Innenstadt, wenn nach jahrelangem Ringen die Schrannenhalle in eine neue Ära geht. Heute wird sie eröffnet.

„Die Schranne muss wieder eine Markthalle werden“, sagt der Besitzer Hans Hammer. Mit im Boot sitzt Gastronom Michael Käfer, der ein Drittel der Halle belegt, außerdem gibt es sowohl regionale Produkte wie auch französische, österreichische oder italienische Spezialitäten mit Gebäck, Schinken, Oliven und Wein. Ohne strengen Proporz wird es auch kulturelle Veranstaltungen geben. Nach einem Festakt ist die Halle heute ab ca. 14.30 Uhr für alle geöffnet.

Die AZ blickt zurück auf die wechselvolle Geschichte der einst umjubelten Halle:

 


 

1853: Die moderne Bau-Sensation

Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Residenzstadt München auf über 100.000 Einwohner. In der Boomtown wurde der Marienplatz zu klein für den Getreide- und Gemüsemarkt, so gab König Maximilan II. den Auftrag zum Bau einer Schranne. Er wollte das Modernste, was die Technik zu bieten hatte. Von 1851 bis 1853 wurde von Karl Muffat die 400 Meter lange „Maximilians-Getreide-Halle“ aus Eisen und Glas gebaut, fast 30 Jahre, bevor der Eiffelturm in ähnlicher Bauweise entstand – eine Sensation. Getreidehalle war sie 20 Jahre lang, danach wurde sie auch für andere Märkte und Messen genutzt. Ab 1914 wurde die Schranne verkleinert, der südlichen Flügel wurde abgebaut.

 



 

 

1932: In der Nacht geschmolzen

„Nächtliches Großfeuer – 87 Verletzt beim Brand in der Schrannehalle“: So titelte die „Münchner Telegramm-Zeitung“ am 8. April 1932, als das einstige Bauwunder buchstäblich in Rauch aufging. Das Glas war zersprungen, das Gusseisen geschmolzen. Da im Münchner Süden sowieso längst die Großmarkthalle ihren Dienst tat, verschwand die Schranne ganz aus dem Herzen der Stadt – und aus dem Bewusstsein der Menschen. Übrig blieb der nördliche Kopfbau der Schranne, Freibank genannt, in der nur noch Fleisch verkauft wurde. Nach den ab 1914 abgebauten Teilen fragte bald niemand mehr, sie galten als verschollen. Und da, wo die Halle früher war, gab es nach dem Krieg eine Allee aus Linden und einen Parkplatz.

 


 

1978: In Moosach wiederentdeckt

Auf einem Gelände der Stadtwerke in Moosach entdeckte Historiker Volker Hütsch 1978 die verschollen geglaubten Reste, die ab 1914 abgebaut worden waren. Die Experten staunten und die Stadt reagierte: 1980 beschloss der Stadtrat, die Schranne nach historischem Vorbild wiederzuerrichten. CSU-Stadtrat Franz Forchheimer sagte damals, das sei, als wäre der Eiffelturm verschwunden und man hätte plötzlich die Möglichkeit, ihn zurückzugewinnen. Mit dem Beschluss begannen die Debatten um Konzepte und Investoren. Kunst oder Kommerz, Kultur oder Gastronomie? Schließlich beschloss die Stadt eine Dreiteilung in Kultur, Gastro und Handwerk und die Finanzierung durch einen privaten Investor. Ende 2000 sollte der Bau beginnen.

 


 

2000: Auf den Baum gebracht

Die Pläne zum Neubau hatten immer Kritiker – einer der heftigsten war der damalige David-gegen-Goliath-Stadtrat Bernhard Fricke. Er hielt die Wiedererrichtung generell für Unfug, für ihn war das Projekt ein überflüssiger Konsumtempel für die geldigen Schicki-Mickis dieser Stadt. Besonders aber tat es Fricke um die 52 Linden Leid, die für den Bau der Schranne weichen sollten. Um das „Massaker“ zu verhindern, ging er auf die Baumikaden: Im März 200 kampierte er für 36 Stunden hungernd und frierend vier Meter über dem Erdboden auf der Linde und gab Live-Interviews aus der Baumkrone. Seine persönliche Protest-Stätte hat er übrigens gerettet – sie steht in einer städtischen Baumschule. Die Linden-Kollegen allerdings mussten allesamt weichen.

 


 

2003: Die Pannenhalle: Der Neuanfang scheitert

Im Grunde gab es von Anfang an Ärger mit Klaus Thannhuber, dem Unternehmer, dem die Stadt den Zuschlag gegeben hatte: Schon der Baubeginn verzögerte sich von Dezember 2000 auf März 2003 – auch die Kosten verdoppelten sich bis zur Eröffnung 2005 von 20 auf 40 Millionen. Die Dreiteilung Kultur, Gastronomie und Handwerk ging nie ganz auf – konzeptlos kam die Halle daher, allenfalls die Dorfjugend des Münchner Umlandes amüsierte sich im dazugehörigen Club. Drei Jahre nach der Eröffnung konnte Thannhuber seine Kredite nicht mehr zahlen, die Schranne wurde unter Zwangsverwaltung gestellt. Dann zahlte er auch keine Miete mehr und meldete Privatinsolvenz an.

 


 

2009: Trash, Streit und Events

Jürgen Lochbihler, Chef vom Pschorr und ab 2006 auch Geschäftsführer der Schranne, wurde nicht nur durch seine soap-reife Intimfeindschaft mit dem ehemaligen Geschäftspartner Klaus Thannhuber bekannt. Er versuchte 2009 einen Neuanfang mit der Schranne als „Event“-Location: Trachten-Outlets, After-Wiesn, Public Viewing – doch auch Trash und Fußball konnten die Halle nicht retten. Das komplizierte Geflecht aus Erbbaurecht, Gläubigern und Zwangsverwalter führte zu einem monatelangen Poker um die Pleiteimmobilie.

 


 

2011: Jetzt kommt der Hammer

Als „Jetzt kommt der Hammer“ in der Abendzeitung stand, bezog sich das auf eine angekündigte Zwangsversteigerung. Die fand dann doch nicht statt – der Hammer kam in Form des Immobilien-Unternehmers Hans Hammer: Im Dezember 2009 erwarb er das Erbbaurecht inklusive 30 Millionen Euro Schulden, nach schrannentypischem Hickhack konnte er schließlich Anfang April 2011 den Schlüssel zu seinem neuen Besitz umdrehen. Rund zehn Millionen Euro hat er in die Sanierung investiert. Ab heute wird sich zeigen, ob aus der Problem-Halle nun endlich eine Erfolgs-Schranne wird.

 

 

 

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