Schon wieder Stillstand im Land: Wie Streiks bei Bahn und Flughafen alles lahmlegten

München - Das Jahr 2023 war ein Jahr der Arbeitskämpfe. Verdi, EVG, GDL – sie alle haben mächtig Stunk gemacht. Der Anlass: die anhaltende Inflation und die dadurch schwindende Kaufkraft. Die Folge: viel Warterei, Home-Office und lange Gesichter bei Millionen Reisenden in Deutschland.
Allein in München waren 200.000 Passagiere von Streiks am Flughafen getroffen
Zuerst hatte es die Flugpassagiere getroffen: Nach zwei erfolglosen Verhandlungsrunden zwischen Verdi und dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) rief die Gewerkschaft Ende Februar zum Streik auf. Der Höhepunkt am 27. März: Allein in München waren 200.000 Passagiere betroffen. Bis Mitte Mai hielt der Konflikt an.
Das Ergebnis für die Streikenden: höhere Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit sowie neuartige Zulagen für Führungskräfte. "Der Abschluss stellte die Arbeitgeberseite vor große Herausforderungen und war in der wirtschaftlichen Umsetzung sehr schwierig", sagt BDLS-Geschäftsführerin Cornelia Okpara auf Nachfrage der AZ. Schon die Lohnerhöhungen von 28,2 Prozent in 2022 hätten zu "massiven Kostensteigerungen" geführt und wären in der damaligen wirtschaftlichen Situation der Branche "einfach zu hoch" gewesen, so die BDLS-Chefin.
Wolfgang Pieper, Verhandlungsführer von Verdi, ist hingegen zufrieden mit den erzielten Zeitzuschlägen. Aber: "Wir sind nicht zufrieden, dass wir keine Lösung gefunden haben für die nicht bezahlten Überstunden für die Beschäftigten", sagt Pieper im Gespräch mit der AZ.
Verdi: "Kritik an finanziell hoher Belastung für Arbeitgeber unverständlich"
Die Kritik der Arbeitgeber an der finanziell hohen Belastung versteht der Gewerkschafter nicht: "Man fragt sich, warum die jetzt immer noch alle jammern." Für die Entgelttarifverhandlungen, die im neuen Jahr anstehen, fordert BDLS-Geschäftsführerin Okpara eine verbindliche Schlichtung. Verhandlungsführer Pieper sieht darin jedoch den Versuch, sich dadurch vor Streiks flüchten zu wollen.
Nicht weniger turbulent ging es auf den Gleisen Deutschlands in diesem Jahr zu: Zuerst hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ab März mehrere Warnstreiks abgehalten, Ende des Jahres legte dann die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach.
Der EVG-Lohnkampf hatte mit seinen zwei bundesweiten Warnstreiks am 27. März und 21. April seine Höhepunkte: 24 Stunden war der Nah- und Fernverkehr weitestgehend lahmgelegt. Zu dem für den Mai angedrohten 50-Stunden-Streik, den die DB im Vorhinein als "irrsinnig" und "restlos überzogen" bezeichnete, kam es hingegen nie. Beide Parteien verständigten sich auf einen Vergleich.
Die EVG einigte sich im Juli mit der Deutschen Bahn schließlich auf ein Schlichtungsverfahren. Die Gewerkschaftsmitglieder hatten dieses dann mit 52,3 Prozent knapp angenommen: Die Löhne sollen monatlich um 410 Euro steigen sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro im Oktober geben (mit einer Laufzeit von 25 Monaten). Die ursprüngliche Forderung: mindestens 650 Euro im Monat mehr (mit einer Laufzeit von zwölf Monaten).
Streiks auch 2024: Neue Arbeitskämpfe bei der Deutschen Bahn im Januar
Auf Nachfrage der AZ, wie die EVG dieses Ergebnis bewertet, äußerte sich die Gewerkschaft nicht. Auch die Deutsche Bahn wollte die Fragen der AZ nach einer rückblickenden Bewertung nicht beantworten und verwies auf alte Statements.

Eine lange Verschnaufpause hatte die Bahn jedenfalls nicht: Die GDL setzte ihren ersten und letzten Warnstreik für 2023 direkt in der Woche nach dem Münchner Schneechaos an. 80 Prozent der Fernzüge fielen wegen des GDL-Streiks aus. "Ab dem 8. Januar sollte man mit längeren Arbeitskämpfen rechnen", kündigte bereits GDL-Chef Claus Weselsky Mitte Dezember an.
Alles deutet also darauf hin, dass auch 2024 ein Jahr der Streiks und des langen Wartens wird.