Schon jetzt: Der große Reibach mit der Wiesn 2010

Nach der Wiesn ist vor der Wiesn: Schon jetzt werden für das Oktoberfest 2010 Plätze verkauft – die es offiziell noch gar nicht gibt. Die Preise sind teils mehr als zehnmal so hoch wie bei einer Reservierung direkt beim Wirt.
von  Abendzeitung
Vorfreude auf die nächste Wiesn
Vorfreude auf die nächste Wiesn © dpa

MÜNCHEN - Nach der Wiesn ist vor der Wiesn: Schon jetzt werden für das Oktoberfest 2010 Plätze verkauft – die es offiziell noch gar nicht gibt. Die Preise sind teils mehr als zehnmal so hoch wie bei einer Reservierung direkt beim Wirt.

Es wird die Jubiäums-Wiesn: 2010 feiert das größte Volksfest der Welt sein 200-jähriges Bestehen. Am Festgelände auf der Theresienwiese haben die Wirte nach dem Wiesn-Ende gerade mal ihre Bierzelte abgebaut, da bieten Händler schon Plätze für die nächste Wiesn an. Dabei haben die Wirte noch keinen einzigen Platz vergeben – das können sie erst in einem halben Jahr, wenn sie ihre neue Zulassung von der Stadt haben. Aber die Tickethändler gehen davon aus, dass sie die Karten auf jeden Fall bekommen.

„Unverschämt“, lautet der Kommentar von Wirtesprecher Toni Roiderer. „Wir haben überhaupt noch keine Zulassung!“ Festleiterin Gabriele Weishäupl spricht von einer „gigantischen Abzocke im Niemandsland“. Roiderer und seine Kollegen bekommen zwar auch jetzt schon Reservierungsanfragen – aber eine Bestätigung geben sie ihren Gästen erst etwa Ende Mai 2010, wenn ihre Verträge mit der Stadt unter Dach und Fach sind. Natürlich: Wer jedes Jahr eine Reservierung bekommt, ist auch im Folgejahr wieder dabei – das macht die Tickethändler so sicher.

399 Euro soll ein Platz inklusive zwei Maß Bier bei einem Anbieter am Tag des Anstichs am 18. September 2010 kosten. Ein anderer Anbieter hält Reservierung und Hotel im Paket bereit, zu 299 oder auch 349 Euro. „Das Weihnachtsgeschenk des Jahres!“ heißt es dort.

Will der Gast beim Wirt eine Reservierung, muss er einen Gutschein für zwei Maß Bier und ein Hendl für etwa 25 bis 30 Euro kaufen. In kleineren Zelten wurden allerdings dieses Jahr bis 65 Euro Vorkasse verlangt – schon diese Preise sorgten für einen Sturm der Entrüstung, die Wiesn-Chefin mahnte die Wirte zur Mäßigung. Die weit höheren Internet-Preise hätten nichts mehr mit Gemütlichkeit zu tun und schadeten dem Volksfest, warnt Weishäupl nun. „Die Wiesn kommt in Verruf, ein Platz zu sein, wo man gut abzocken kann mit überhöhten Preisen.“

Roiderer appelliert an die Gäste, die Reservierung nicht ohne den Wirt zu machen. „Bittschön kauft in den Festzelten, da zieht man Euch nicht über den Tisch.“ Und: „Die Leute sollen das Geld lieber zum Essen und zum Trinken ausgeben.“

Festleitung und Wirte sind stocksauer – doch rechtlich ist die Sache nicht angreifbar. „Für uns hat sich herausgestellt, dass wir fast gar nicht dagegen vorgehen können“, sagt der Junior-Chef des Augustiner-Festzelts, Thomas Vollmer. „Die Rechtsanwälte sagen, von unserer Seite ist da fast nicht hinzukommen.“

Die Ticket-Anbieter sind auf der sicheren Seite. „Wir verkaufen für viele Veranstaltungen, wo schwer dranzukommen ist, Tickets“, sagt Holger Miebach, Inhaber der Online-Verkaufsplattform Ticketpool. Er handele neben Karten für prominente Events wie die Bayreuther Festspiele seit einigen Jahren auch mit Wiesn-Tickets – für ihn sei das Oktoberfest ein Nebenthema. Er bekomme die Plätze über Agenturen. Wie diese schon jetzt Zusagen für Plätze machen können, die von den Wirten noch nicht bestätigt sind, bleibt offen. „Wie sie das machen, weiß ich nicht – ich weiß nur, dass sie zuverlässig sind.“

Der Bundesgerichtshof hatte im vergangenen Jahr in einem Urteil zu Fußball-Tickets dem Grauen Markt nur teilweise einen Riegel vorgeschoben. Gewerbliche Händler dürfen demnach zwar Karten nicht direkt bei den Vereinen kaufen und zu höheren Preisen weitergeben, wenn der Weiterverkauf in den Geschäftsbedingungen untersagt ist. Sie dürfen aber von Privatpersonen Karten aufkaufen. So läuft es offenbar auch auf der Wiesn. „Es spricht sich ja herum, dass man da Geld verdienen kann“, sagt Vollmer. Und Roiderer ergänzt: „Damit finanzieren sich viele ihren Wiesn-Besuch. Die nehmen zwei Tische: Einen für sich, und einen verkaufen sie.“ Für den Wirtesprecher ist klar: „Wenn wir die erwischen, ist die Reservierung weg.“

Im Internet werden auch für die „Mittagswiesn“ Tickets angeboten - 229 Euro kostet beispielsweise ein Sitzplatz unter der Woche. Was Auswärtige nicht wissen: Mittags ist fast immer ohne Reservierung ein Plätzchen zu finden. „Mittags kriegt jeder einen Platz – außer Samstag und Sonntag“, sagt Weishäupl. Auch am frühen Abend unter der Woche ist gelegentlich etwas frei. Denn von 1,5 Millionen Plätzen insgesamt dürfen nur rund 850.000 reserviert werden.

Augustiner-Wirt Vollmer hat Geld in die Hand genommen, um den Verkäufern von Reservierungen auf die Schliche zu kommen: Für rund 1000 Euro kaufte er Tickets für sein eigenes Zelt. Dabei sei er unter anderem kurzfristig in ein anderes Zelt umgebucht worden. Und anders als bei der Reservierung über den Wirt bekommen die Gäste trotz höheren Preises teilweise nur zwei Maß inklusive – das obligatorische Hendl fehlt. (dpa)

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