Scholz fordert riesige Neubaugebiete auch für München – so reagieren Münchner Politiker

Der Kanzler fordert neue Wohnsiedlungen, einen Bau-Boom wie in den 70ern. Was bedeutet das für München? Wo ist Platz für solche Ideen? Die AZ hat sich umgehört und festgestellt: Nicht alle sind von der Vorstellung begeistert.
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So sieht das Neubaugebiet Freiham von oben aus. Westlich davon wäre noch Platz. Und hier will München mit den Nachbarstädten Flächen kaufen.
So sieht das Neubaugebiet Freiham von oben aus. Westlich davon wäre noch Platz. Und hier will München mit den Nachbarstädten Flächen kaufen. © Axel Häsler

München - Günstiger Wohnraum ist nicht nur in München knapp. Vor ein paar Tagen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) deshalb eine große Bau-Offensive gefordert. "Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meist gefragten Städten und Regionen - so wie in 70er Jahren", sagte der Kanzler bei einer Veranstaltung der Zeitung "Heilbronner Stimme". Das Bauen auf der sogenannten grünen Wiese habe man in den vergangenen Jahren nicht gewollt, es sei aber notwendig.

Neuperlach, Hasenbergl: Diese Viertel sind in München während einer Bau-Offensive entstanden

In den 60er und 70er Jahren wurden in ganz Deutschland neue Wohngebiete aus der Erde gestampft. Aus Fertigteilen entstanden in kurzer Zeit Plattenbausiedlungen, von denen heute viele ein eher trostloses Image haben. Auch in München wurde damals im großen Stil gebaut: In den 60ern entstand zum Beispiel mit dem Hasenbergl ein neuer Stadtteil für rund 25.000 Menschen.

Und im Münchner Osten wuchs Neuperlach. Schon damals gab es Ideen für eine weitere Großsiedlung im Westen: Freiham. Nach einigen Jahrzehnten Stillstand wird seit 2016 an Europas größter Neubausiedlung, wie es oft heißt, gebaut. 250 Fußballfelder ist das Gebiet insgesamt groß und über 25.000 Menschen sollen dort einmal leben.

Platz für ein zweites Neuperlach in München? Das sagen Münchner Politiker

Und nun fordert der Kanzler noch mehr Neubausiedlungen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Was bedeutet das für München? Wo gibt es Platz für ein zweites Neuperlach? Die AZ hat sich umgehört.

"Wir begrüßen die Äußerungen des Kanzlers", sagt SPD-Chef Christian Köning. In den 70er Jahren sei Bauen einfacher gewesen - weil Ausnahmen im Planungsrecht geschaffen worden seien. Und weil damals Bund, Länder und Kommunen an einem Strang gezogen hätten. Köning wünscht sich den Elan zurück. Alleine können Kommunen eine solche Bau-Offensive kaum stemmen, glaubt er. Und noch ein Problem gebe es: Es wird eng in München.

Wohnungsbau für Münchner: Gemeinden im Münchner Umland müssen auch Wohnungen bauen

Der SPD-Chef hält es deshalb für richtig, wenn die Stadt ihren Blick über ihre Grenzen hinweg ins Umland wirft. München ist gerade dabei, mit Germering um Puchheim einen Zweckverband zu gründen. Dieser soll im Westen der Stadt Flächen kaufen, eine Bodenvorratspolitik betreiben, wie es im Behördendeutsch heißt. Den Grund brauchen die Städte, weil sie die U-Bahnlinie U5 eines Tages über Freiham hinaus bis nach Fürstenfeldbruck verlängern wollen.

Auch von Freiflächen und mehr Platz für erneuerbare Energien ist in den Stadtratsunterlagen die Rede. Und "nicht zuletzt" sollen die Flächen zu einer Siedlungsentwicklung dienen. Bezahlbarer Wohnraum sei schon seit Längerem nicht mehr in einem ausreichenden Maß vorhanden, weil es dafür an entwickelbaren Flächen mangelt, heißt es.

In Freiham entsteht schon Wohnraum. Im Münchner Norden und Nordosten könnte auch gebaut werden

Doch bis hinter Freiham die Bagger anrollen, wird es wohl lange dauern. Etwas schneller könnte es im Norden (bei Feldmoching) und im Nordosten (bei Daglfing) gehen. Für dieses Areal gibt es bereits einen groben Plan. Ziel ist, dass dort einmal 30.000 Menschen leben und 10.000 arbeiten. Es soll einen Badesee geben, die U4 soll das Gebiet erschließen. Dass es vor 2030 losgeht, sei jedoch nicht denkbar, glaubt Köning.

Das ist der Plan für den Münchner Nordosten. Von Großwohnsiedlungen aus den 1970er-Jahren unterscheide er sich laut Stadt stark.
Das ist der Plan für den Münchner Nordosten. Von Großwohnsiedlungen aus den 1970er-Jahren unterscheide er sich laut Stadt stark. © rheinflügel

Experte: München kommt nicht hinterher, Baurecht zu schaffen

Mehr Elan wünscht sich Matthias Ottmann. An der Technischen Universität ist er Honorarprofessor für Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung, viele Jahre war er Geschäftsführer der Südhausbau, die nach dem Zweiten Weltkrieg rund 20.000 Wohnungen in Deutschland baute - unter anderem im Hasenbergl.

In den nächsten 15 Jahren sollte München auf den Flächen im Norden und Nordosten auf jeden Fall bauen, sagt Ottmann. Schließlich werde die Stadt bis 2040 auf etwa 1,8 Millionen Menschen wachsen. Gleichzeitig komme München schon jetzt kaum hinterher, Baurecht zu schaffen, meint Ottmann. "Das besorgt mich."

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Gegner sagen: Städtebau mit Neubauquartieren ist gescheitert

Doch dass aus Feldern und Wiesen schnell neue, große Baugebiete werden, könnte auch am politischen Widerstand scheitern. Der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper aus Bogenhausen macht seit Jahren Stimmung gegen die Neubaupläne im Nordosten. Er findet: "Der Kanzler ist ganz weit weg vom Thema. Wir brauchen nicht nur Wohnschachteln, sondern Lebensräume."

Die Stadt sollte aus seiner Sicht lieber Straße um Straße erweitern. Beliebte Viertel wie Haidhausen seien schließlich nicht von heute auf morgen aus dem Erdboden gestampft worden, sondern über Jahre hinweg gewachsen. "Der Städtebau in Neubauquartieren wie der Messestadt Riem oder Freiham ist doch eigentlich gescheitert. Die Stadt kann keinen guten Städtebau mehr." Langweilig - ist ein Adjektiv das Brannekämper in dem Zusammenhang immer wieder nennt. Und das gleiche drohe nun im Nordosten der Stadt.

Kritik am  Bundeskanzler: Bund hat eigene Wohnungen und Grundstücke verkauft

Wenig Euphorie löst der Kanzler auch bei den Grünen aus. "Der Bund hat im letzten Jahrzehnt Tausende Wohnungen und Grundstücke verscherbelt und nun fällt dem Kanzler auf, dass es bezahlbare Wohnungen braucht", sagt Grünen-Chef Sebastian Weisenburger. "Diese späte Erkenntnis wäre löblich, wenn Scholz jetzt ordentlich Grundstücke und Geld für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen würde. Ich glaube aber nicht, dass er seinen Worten Taten folgen lässt."

Hinzu kommt: Eigentlich haben sich CSU und Grüne bekannt, gar keine Grünflächen mehr zu bebauen. Erst dieses Jahr trafen sie den Entschluss. Sie nahmen damit ein Bürgerbegehren an.

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  • HanneloreH. am 18.11.2023 10:55 Uhr / Bewertung:

    Ich sag auch lieber Fläche verbrauchen und zu versiegeln, als in die Höhe. Allein wenn ich das Wohngebiet Prinz Eugen in Johanneskirchen, die alte Kaserne, kein Wohnhaus höher als 5 Stock, die meisten 1-2 obwohl rundum 8-14 stöckige Häuser stehn. Schwabing Nord dasselbe, das einzige ist das Parkhaus, das hat 14 . Also lieber in die breite und als erstes 4 Meter Radlstreifen in GRÜN

  • Max Merkel am 17.11.2023 15:52 Uhr / Bewertung:

    Das Ergebnis vom Neubaugebiet Freiham sieht man in Laim wo die Lindauer Autobahn unter der Fürstenrieder Str. durchgeht zum Mittl. Ring. Stau ohne Ende. Wenn ich das zweimal am Tag berufsmäßig fahren müßte, ich würde durchdrehen. Das ist nur ein Beispiel von dem Ganzen Wahnsinn und die Autofahrer werden immer aggressiver. Kein Wunder.

  • FRUSTI13 am 17.11.2023 21:35 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Max Merkel

    Die Staus gehen doch schon viel früher los. Abfahrt Pasing, täglicher Stau. Abfahrt Laim, täglicher Stau. Früher waren die Staus morgens stadtauswärts und abends stadteinwärts. Heute sind sie morgens und abends in beiden Richtungen! Und da behauptet doch tatsächlich der user doket hier, der Verkehr sei weniger geworden!? Und durch das neue DHL Logistikzentrum in Germering kommen deren LKWs auch noch dazu!

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