Schönheitschirurg im Interview: "Ich will Menschen verbessern"

München - Schon als Student hat er sich dem Alterungsprozess des Gesichts verschrieben, wie es warum altert - und was man dagegen tun kann und lieber seinlassen sollte: Heute ist Prof. Dr. Thilo Schenck (42) Chefarzt für Brust-, plastische und ästhetische Chirurgie sowie ärztlicher Direktor der Geisenhoferklinik am Englischen Garten.
Seine wissenschaftliche Arbeitsgruppe ist eine der aktivsten weltweit im Bereich der Erforschung des Alterungsprozesses des Gesichts und der Sicherheit und Effektivität von ästhetischen Behandlungen.
Die AZ sprach mit ihm über - na, klar: Schönheit und die Münchner Eitelkeit.
AZ: Herr Professor Schenck, stimmt es, dass Schönheitsoperationen in Zeiten des Lockdowns boomen?
PROF. THILO SCHENCK: Wir nehmen auf jeden Fall einen Wandel wahr. Während Patientinnen die Brustkrebs-Vorsorge derzeit lieber aufschieben, gibt es dafür viel mehr ästhetische Eingriffe.
Also Schönheit vor Gesundheit?
Leider ja.
Was ist aktuell besonders gefragt?
Ob durch die Maskenpflicht oder die vielen Zoom-Konferenzen: Die Eingriffe an den Augen nehmen zu, weil die Augen wichtiger geworden sind - also Oberlidstraffung und Filler, um Augenringe zu reduzieren. Aber auch Bruststraffung - das sogenannte Mami-Makeover - oder Brustverkleinerung boomen, weil viele Menschen mehr Zeit und offenbar auch Geld dafür übrig haben.

Was ist out?
Die Povergrößerung, von der ich eh nie ein Fan war, ist glücklicherweise stark zurückgegangen. Jedes Jahr gibt es einen neuen Schönheitstrend, den wir genau untersuchen und zeigen, wie Fehler vermieden werden können.
Was war der Trend 2020?
Ganz klar: Jawline.
Bitte?
Eine klar definierte Kieferlinie à la Hollywood-Star Angelina Jolie. Also ein glattes markantes Kinn. Das war bei Frauen und Männern im letzten Jahr sehr gefragt.

Welchen Trend prognostizieren Sie für 2021?
Nasenkorrekturen mit Fillern - so lassen sich beispielsweise Höcker kaschieren.
"Frauen sind viel schöner, als sie denken"
Hadern Sie oft mit Wünschen Ihrer Patienten?
Ich bin sehr gegen reißerische Ergebnisse. Gerade junge Frauen, die sich von Sozialen Netzwerken und den vielen gefilterten Fotos beeinflussen lassen, schicke ich dann lieber weg. Natürlich möchte ich die Identität des Patienten erhalten. Bei uns in München sind die meisten aber so drauf, dass sie es möglichst natürlich wollen. Bei Brustvergrößerungen beispielsweise ist die Gramm-Zahl der Implantate in Düsseldorf höher als hier. Die größte Angst der Patienten ist, dass es künstlich ausschauen könnte. Das will ich genauso wenig. Ich möchte Menschen nicht verändern, sondern verbessern. Was mir leider auffällt: Gerade viele Frauen sind viel schöner, als sie denken. Viele sind so unzufrieden mit ihrem Äußeren, dabei gibt es gar keinen Grund.
Ist München die Hauptstadt der Eitelkeit?
Jein. Fakt ist, dass die Menschen hier sehr viel Geld für gute Kleidung und gutes Aussehen ausgeben. Es geht aber nicht darum, plötzlich wieder wie 25 auszuschauen, sondern frischer und erholter. Es muss zur Lebensphase passen. Die Münchner haben einen gesunden Blick auf die Schönheit. Niemand will mehr wie Pamela Anderson ausschauen, sondern sportlich-schön.
Viele Stars behaupten, ihr Schönheitsrezept Nummer 1 sei es, drei bis vier Liter Wasser am Tag zu trinken. Kann das stimmen?
Diesen Wasser-Hype konnte ich nie nachvollziehen. Es gibt keine seriöse Studie, die belegt, dass das was für die Schönheit bringt. Man soll einfach trinken, wenn man Durst hat. Dehydrieren soll niemand. Aber wenn man auf seinen Körper hört, reicht das völlig.
Wie gut sind teure Anti-Falten-Cremes?
In unserer Branche gibt es auch viel Voodoo. An diese Kältebehandlungen zur Fettentfernung glaube ich nicht. Da konnte ich noch nie gute Effekte sehen. Dann lieber absaugen. Wobei wir das abgesaugte Fett nicht wegwerfen, sondern anderweitig einsetzen - im Gesicht oder der Brust. Beim Thema Cremes ist es ähnlich: Das Gesicht einzucremen, ist gut. Mit welcher Creme und welchen angeblichen Inhaltsstoffen, spielt keine Rolle.
Nivea tut's also auch?
Absolut.
Die Frage aller Fragen ist natürlich: Wie kann man den Alterungsprozess im Gesicht verlangsamen, ohne einen ästhetischen oder plastischen Eingriff?
Harmonisch zu altern, geht am besten, wenn man Sonne, Rauchen und Alkohol weglässt. Ich will aber kein Moralapostel sein, das richtige Augenmaß ist wichtig. Wenn man es mal hat krachen lassen, muss man danach halt auf die Bremse treten. Selbst wenn man gute Gene hat, aber wie ein Rockstar lebt - dann helfen einem die Gene irgendwann nicht mehr weiter. Man hat selbst viel in der Hand. Dazu Bewegung, gesunde Ernährung - und, was ich fürs Gesicht empfehle: Entspannungsübungen.
"Gesicht entspannen - klingt banal, bringt aber unheimlich viel"
Wie sehen diese Übungen aus?
Mimikfältchen werden mit dem Alter immer mehr. Ein Kind lacht kurz, danach fällt die Mimik komplett ins Neutrale zurück. Je älter wir werden, desto mehr verharren wir aber in einer Mimik.
Also Lachverbot?
Um Himmels willen, nein. Ein Beispiel: Wenn ich meine Stirn runzeln muss, runzle ich sie oft viel länger, obwohl der Auslöser des Stirnrunzelns längst vorbei ist. Deshalb empfehle ich, das Gesicht ruhen und schlapp werden zu lassen. Eine dauerhafte Anspannung macht es viel faltiger. Deshalb sollte man sich das über den Tag verteilt immer wieder ins Gedächtnis rufen: Das Gesicht entspannen. Das klingt so banal, bringt aber unheimlich viel.